SPD und Grüne im Bundesrat wollen das Leistungsschutzrecht “verbessern” anstatt es abzulehnen

Dieser Gastbeitrag von Tobias „isarmatrose“ Schwarz erschien zunächst auf seinem Blog und steht unter der Lizenz Creative Commons BY-SA 3.0. Wir dokumentieren ihn hier mit freundlicher Genehmigung.

Ein Gesetzesentwurf, drei Meinungen. In der politischen Mathematik klingt das noch überschaubar und auf den ersten Blick wirken die drei Meinungen – Zustimmung, Ablehnung, Modifikation – auch nachvollziehbar, aber bei dem Gesetzesentwurf handelt es sich um das von der Bundesregierung geplante Leistungsschutzrecht für Presseverlage und da liegen die Rahmenbedingungen anders. Klare Positionen sind gefordert, denn dieser von der Lobbygruppe um den Axel-Springer-Verlag und Hubert Burda Media initiierte Gesetzesentwurf, entbehrt jeglicher Logik. Nach der ablehnenden Position der Bundestagsfraktionen von SPD und Grüne positionieren sich die von SPD und Grünen regierten Länder anders und streben eine Verbesserung des Gesetzesentwurfes statt der Ablehnung an.

Die Fraktionen im Bundestag haben sich eindeutig positioniert. Lars Klingbeil, der netzpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, stellte Ende August fest, dass wir kein neues Leistungsschutzrecht für Presseverlage brauchen und auch die anderen Oppositionsparteien lehnen den Gesetzesentwurf der Bundesregierung konsequent ab. Die grünen Bundestagsabgeordneten Tabea Rößner und Konstantin von Notz befürchten, dass das Leistungsschutzrecht für Presseverlage die Vielfalt im Netz einschränken und auf keinen Fall klamme Presseverlage retten und Journalisten Einnahmen bescheren wird. Auch Petra Sitte, technologiepolitische Sprecherin der LINKEN im Bundestag, kündigte die Ablehnung des Gesetzesentwurf durch ihre Fraktion an: “Der heute vom Bundeskabinett beschlossene Gesetzentwurf für ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage bleibt auch nach der dritten Überarbeitung unnötig wie eine Ampel auf der Autobahn. Wir werden ihn im Bundestag ablehnen“. Die Opposition steht und in den Koalitionsparteien gibt es vereinzelte kritische Stimme gegen den schlechten Gesetzesentwurf.

Auch im Bundesrat wurde der Gesetzesentwurf besprochen und viele LänderpolitikerInnen lehnen überraschenderweise den Entwurf für ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage nicht so eindeutig ab, wie es ihre ParteikollegInnen in den Bundestagsfraktionen machen. Die Bundesrats-Ausschüsse Recht, Kultur und Wirtschaft haben Anfang dieser Woche einen von Bundesländern mit rot-grüner bzw. grün-roter Beteiligung vorgebrachten Antrag zugestimmt, in dem der Gesetzesentwurf nicht einfach ersatzlos abgelehnt, sondern mit Anpassungen modifiziert werden soll. Die BundesratsvertreterInnen der Länder Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und der Hansestadt Bremen wollen durch die Modifizierung erreichen, dass die Presseverlage gestärkt gegen Geschäftsmodelle, die auf der Ausnutzung der verlegerischen und journalistischen Leistung Dritter beruhen, vorgehen können, ohne in jedem Fall klären zu müssen, wo die Rechte genau liegen. Durch eine “Vermutungsregel” wäre bei einer rechtswidrigen Aneignung fremder Inhalte davon auszugehen, dass Presseverlage ein Klagerecht besitzen.

Christoph Keese lehnt den Vorschlag der Länder trotzdem ab, laut seinem Blogpost tun das auch die Verlegerverbände BDZV und VDZ. Zum einem stört Keese, dass durch die “Vermutungsregel” eine Rechtsverfolgung gegen den Willen der Urheber möglich wäre [sic!] und das juristische Instrument des Unterlassungsanspruch allein, hält er für unzureichend. Den Verlagen fehlt dann ”ein wichtiger Anreiz zur effektiven Rechtsdurchsetzung (…) da die oft massenhafte Nutzung von Presseinhalten dann nur mit dem Risiko der Zahlung von Abmahnkosten behaftet wäre” und RechtsverletzerInnen keine spürbare Sanktionierung ihres Verhaltens zugefügt werden könnte. Da ”keine zusätzlichen Einnahmen wie aus einem Leistungsschutzrecht” möglich wären, an denen angeblich die UrheberInnen beteiligt werden könnten, sieht Keese die Vermutungsregelung als keine Alternative zum Leistungsschutzrecht für Presseverlage an.

Es ist erschreckend mit anzusehen, wie die jahrelange Propaganda der Presseverlagslobby offensichtlich Wirkung zeigt. Ausgerechnet die Bundesländer, die von der SPD und den Grünen regiert werden, gehen inzwischen von einem Schutzbedürfnis und der Annahme aus, dass die Leistungen der Presseverlage mit denen anderer WerkmittlerInnen vergleichbar sind, sie also den Anspruch eines Leistungsschutzrechtes hätten. Schon der erste Satz im Antrag lässt einen ungläubig aufhorchen: “Die presseverlegerische Leistung bedarf gerade in Zeiten der Digitalisierung und des suchmaschinengeprägten Internets eines besonderen Schutzes.” Unglaublich, dass das PolitikerInnen von der SPD und den Grünen geschrieben haben. Es steht fest, dass es keine Schutzlücke für Presseverlage gibt, denn das Urheberrecht und Verträge mit AutorInnen oder allgemeine Geschäftsbedingungen, stellen schon jetzt ausreichend Schutz dar.

Internet-Dienstleistungen wie News-Aggregatoren oder Suchmaschinen handeln vollkommen legal, denn sie übernehmen nicht ganze Inhalte der Verlage oder beuten diese in irgendeiner Form aus. Erst solche Dienste bringen den Verlagen die dringend benötigten LeserInnen auf die Websites der Presseverlage, was die Reichweite eines Online-Angebots erhöht und somit bessere Werbeeinnahmen garantiert. Gerade der Axel-Springer-Verlag, der im Jahr 2011 seine Werbeerlöse im Segment Digitale Medien um 41,5 Prozent erhöhen konnte, sollte die wirtschaftlichen Zusammenhänge kennen. Die Menschen haben ganz bestimmt nicht nur die Website-Adressen der Online-Angebote des Springer-Verlags direkt in die URL-Zeile ihrer Browser getippt. Und so bewegen sich sicherlich die meisten PolitikerInnen auch nicht durch das Internet, weshalb zu hoffen bleibt, dass die Bundestagsabgeordneten den Gesetzesentwurf für ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage stoppen werden, denn der Bundesrat kann, da es sich um ein Einspruchsgesetz handelt, nur eine Empfehlung abgeben und den Vermittlungsausschuss anrufen. Am Ende liegt es an den Abgeordneten der einzelnen Fraktionen, die auf dieser Seite ausfindig gemacht werden können: Mitglieder des 17. Deutschen Bundestages.

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12 Ergänzungen

    1. Sieht man ja daran wie die Piraten von den Massenmedien verleumdet werden seit dem sie gegen das Leistungsschutzrecht arbeiten. Da sind sich selbst Spiegel und co nicht mehr zu schade dazu entsprechende Falschmeldungen zu verbreiten.

    2. @Heinzelmann

      Das Erklärt aber auch nicht warum nur ca. 1/4 aller Piraten-Partei Mitglieder bisher die Petition gegen das LSR unterzeichnet haben?

    3. Die Ernennung des SPD-Kanzlerkandidaten, personell und zeitlich, ist da ein sehr anschauliches Beispiel – angefangen beim, hüstel, überraschenden Politbarometer vom Juni 2011, über Spiegel-/Jauch-/Schmidt-Kampagne bis hin zum Drängen, endlich „die Personalie“ zu entscheiden – mit dem „hilfreichen“ Verweis darauf, wer es laut Umfragen und Kompetenzen (unter Ignorierung des faktischen politischen Wirkens bisher) denn nur sein könne.

  1. »“Die presseverlegerische Leistung bedarf gerade in Zeiten der Digitalisierung und des suchmaschinengeprägten Internets eines besonderen Schutzes.” Unglaublich, dass das PolitikerInnen von der SPD und den Grünen.«

    Find ich gar nicht unglaublich. Sowohl SPD als auch Grüne sind Parteien, deren Mitglieder und Anhänger sich nach der „guten alten Zeit“ sehnen.

  2. Es gibt schon jetzt viel zu viele Gesetze, jeder Lebensbereich ist durch Gesetze verwaltet und eingeschränkt. Je mehr Gesetze es gibt desto mehr geht die Freiheit zugrunde !

    1. achwas…
      erst kiffer, dann datentauscher, kann ja nicht mehr lange dauern, bis alle kriminalisiert sind. also junge leute sind ja schon fast alle „kriminell“,

  3. Leistungsschutzrecht “verbessern”
    Wie sollte das denn gehen nur ein „wenig“ Schwanger ?
    Das Bundesverwaltungsgericht Leipzig hat doch letztens erst gezeigt was es mit der angeblichen Schutzklausel wie „gewerblichen Ausmaß“ ect. macht einfach „Umdeuten“ und das große Abmahnen kann beginnen .
    Also besser solche Gesetze gar nicht erst beschließen weil sie eigentlich sogar Verfassungswidrig sind, nur das Verfassungsgericht hat neuerdings auch immer eine eigene „Ja.aber…“ Verfassung und daher ist dort genausowenig Verlass wie auf die Opposition.
    Der einzigste auf dem wohl noch „Verlass“ ist in der Ablehnung ist wohl „Google“ welch eine Ironie.

    1. Ja, man ahnt schon die Verzweiflung, wenn sich Netzaktivisten hinter Google stellen um die Freiheit im Internet zu schützen. Das ist, frei nach Pispers, wie wenn die Bayern den Papst stützen würden um Stoiber loszuwerden.
      Traurige Zeiten, wenn der größte Monopolist der letzte Hoffnungsträger ist.

  4. Vorsicht Neusprech: Verbessern impliziert ja, dass es zumindest schon gut ist. Da es aber keine Grund gibt für ein Leistungsschutzrecht (Neusprech II für – welche Leistungen?) gibt, im Gegenteil dieses „Recht“ sogar nicht einmal überflüssig sonder zutiefst schädlich wäre, MUSS es ersatzlos verworfen werden. Aber das wäre gesunder Menschenverstand und der ist bekanntlich weder kustiziabel noch in unserem Parlament vorhanden.

    Wenn eine Betrachtung der parlamentarischen Sutiation mit den Worten endet:“ …weshalb zu hoffen bleibt, dass die Bundestagsabgeordneten…“, dann ist das Lobbygesetzt schon so gut wie durch. Die Hoffnung stirbt zwar zuletzt, aber sie stirbt. 8-(

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