SOPA-Proteste nehmen Form an

Seit Wochen wird darüber spekuliert, nun kommt langsam ein bißchen Bewegung in die Sache: Aus Protest gegen den Stop Online Piracy Act (SOPA) werden zumindest einige Internet-Dienste zeitweise nicht erreichbar sein. Zumindest Reddit hat diese Maßnahme vor kurzem für den 18. Januar bestätigt, um mitzuhelfen, das Gesetz, das Internet-Dienstanbieter dazu zwingen soll, proaktiv zu überwachen und Inhalte zu sperren, Suchmaschinen zensieren und Verlinken strafbar machen kann, zu verhindern. Ein PR-Coup gelang einem weitgehend unbekannten Wiener Start-Up-Unternehmen, das sich der Aktion frühzeitig anschloss, seinen Datensammeldienst ein paar Stunden ruhen lässt und dafür die Schlagzeile „Österreicher unterstützen Internet-Blackout“ spendiert bekam. Falls die VZ-Netzwerke noch existieren denkt deren Marketingabteilung vermutlich über ähnliches nach, um nochmal Meldungen abseits der üblichen Nachrufe zu generieren. Die big player wie Google, Facebook und Twitter halten sich bisher mit Protestankündigungen zurück; laut einigen Angestellten wird bei Google diskutiert, aber es dringt nichts Konkretes nach außen.

Unterdessen üben sich User in den üblichen Slacktivismus-Formen wie Facebook-Gruppengründung, Profilbildänderung und mehrstündigem Twitter-Boykott.

Auf Wikipedia laufen die Vorbereitungen seit einiger Zeit auf Hochtouren. Wie die Maßnahmen aussehen werden, lässt sich anhand des „proposal workshops“ erahnen, in dem verschiedene Modelle mit durch bestimmte Ereignisse ausgelösten Maßnahmen (u.a. kein Protest, Protest-Banner, Streik) abgestimmt werden. Obwohl laut Wikipedia-Gründer Jimmy Wales ein Protest in beispielsweise Bulgarien weitestgehend sinnlos wäre, wird auch darüber beraten, die Aktion global durchzuführen und nicht auf die USA zu beschränken. Die Hauptsorge von Wales ist, dass die Wikipedia-üblichen Endlos-Diskussionen eine Entscheidung solange herauszögern könnten, bis es zu spät ist:

My main thing is this: given that we seem to have a strong majority to do something useful here, it would be a shame if we let our wonderfully reflective and thoughtful slow culture, which works great for making our internal decisions, get in the way of making a fast decision to get something done.

In der Computerspiel-Industrie gehen die Meinungen auseinander. Die Interessenvertretung der Hersteller, die Entertainment Software Association (ESA) bleibt bei ihrer Unterstützung, während Computerspieler mit einer Petition Druck auf ESA-Mitglied Electronic Arts ausüben, damit das Unternehmen sich von SOPA distanziert. Riot Games hat unterdessen zum Protest aufgerufen. CEO Brandon Beck nutzte dafür das Forum des Online-Spiels League of Legends, das er durch SOPA direkt gefährdet sieht. Epic Games distanziert sich „von der derzeitigen Form“ des Gesetzes und wünscht dessen Überarbeitung.

Der weitere politische Prozess wird so aussehen: Am 18. Januar wird eine Reihe von geladenen Experten vor dem House Committee on Oversight and Government Reform angehört, die die Folgen der Gesetzgebung für Cyber-Security, Arbeitsmarkt und Internet-Community erklären sollen. Neben einem Anwalt und einem Venture-Capital-Gesellschafter werden mit Dan Kaminsky, Reddit-Mitgründer Alexis Ohanian und Michael Macleod-Ball vom American Civil Liberties Union, dem CEO von Rackspace Hosting und einem Vertreter von Sandia. Am 24. Januar soll im Senat über das Partnergesetz „Protect IP“ (IP steht hier für „intellectual property“, also geistiges Eigentum) abgestimmt werden; der Hauptgegner des Gesetzes dort, Senator Wyden, hat schon vor Monaten angekündigt, den Prozess herauszuzögern und während der Debatte die Namen aller Unterzeichner einer Petition vorzulesen.

Während Lamar Smith, Hauptinitiator von SOPA, seiner Überzeugung aller Gegenargumente zum trotz treu bleibt, hat sich Protect-IP-Initiator Patrick Leahy bereits insofern einsichtig gezeigt, als er zugibt, dass die Konsequenzen von DNS-Sperren besser durchleuchtet werden sollten und hat zugestimmt, die entsprechende Stelle des Texts zu entfernen und erst später zu implementieren:

[…]I and the bill’s cosponsors have continued to hear concerns about the Domain Name provision from engineers, human rights groups, and others. […] I remain confident that the ISPs – including the cable industry, which is the largest association of ISPs – would not support the legislation if its enactment created the problems that opponents of this provision suggest. Nonetheless, this is in fact a highly technical issue, and I am prepared to recommend we give it more study before implementing it.

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16 Ergänzungen

  1. Ohne jetzt schamlos abzulenken, heute bin ich darüber gestolpert: EU-Pläne zum Internet Blocken und rechtlich relevante Sprachschiebereien. Da ist also was im Busche, und ich kann jedem nur empfehlen, Organisationen zu unterstützen, die sich für digitale Bürgerrechte in Europa einsetzen und sich selbst ein Bild zu machen. SOPA glaube ich, der Vorschlag ist bereits gefrühstückt, dafür werden die entsprechenden Wirtschaftsinteressen schon sorgen. Das derzeitige Infofeuerwerk ist davon nur ein Zeichen.

      1. Danke Markus, dass ihr die Digitale Gesellschaft zum richtigen Zeitpunkt gegründet habt und solide Schritt für Schritt aufstellt. Es ist gibt auch keine „Konkurrenz“, denn den weiten Acker können viele Organisationen und Personen nur gemeinsam bestellen. Gerade die Verankerung im nationalen Diskurs ist sehr wichtig, wenn man von dort aus „nach Europa“ greift.

        In den USA gibt es für „Netzthemen“ relativ viel Geld, in Deutschland relativ viel Beteiligung. Auch der Zugang zu Entscheidungsträgern bei uns ist einfacher. Ich hatte neulich den Brief von M. Schaake in Sachen SOPA an den Kongress mitgezeichnet, den säbelrasselnd protektionistischen Entwurf von SOPA gelesen, aber die USA sind für mich als Europäer einfach nicht meine Baustelle.

        Ich glaube bei SOPA kann man relativ gelassen sein, die Muskelspiele der unterschiedlichen Lobbygruppen sind trotzdem nett zu beobachten. Faszinierend wie inzwischen die Unterhaltungsindustrie schon auf Underdog macht. Oder wie SOPA diesen Geist eines von der Welt übervorteilt gefühlten Amerikas atmet, das sich zur Wehr setzen will…

  2. Ich konnte bisher leider noch keinen Artikel finden, der erklärt, wie das DNS System genau aufgebaut ist und wo SOPA darin mit dem Filtern ansetzt.

    Dabei stellen sich mir vor allem die Fragen, ob durch SOPA „nur“ die Internet Provider die Websites filtern müssen, oder ob SOPA auch die us-amerikanischen Betreibern von DNS Servern zwingt, die Verbindung zwischen Domain und IP Adresse zu löschen. Und daraus folgt die Frage, welche Konsequenzen für nicht-us Internetnutzer es hätte, wenn z.B. die Domain example.com im DNS Server des entsprechenden US-Betreibers von der IP-Adresse des Websiten-Servers getrennt würde. Wäre dann example.com weltweit nicht mehr aufrufbar oder gibt es im Ausland „Kopien“ von DNS Servern, auf denen die Verbindung zwischen Domain und IP noch besteht?

    Angenommen, dies wäre so, was würde passieren, wenn eine in den USA „gelöschte“ Domain neu vergeben würde, welche im Rest der Welt aber noch zu einer anderen Website führt? In diesem Fall würde sich ja eine Art zweites Internet in den USA aufbauen, in dem Domains zu ganz anderen Websites als im Rest der Welt führte.

    1. Dabei stellen sich mir vor allem die Fragen, ob durch SOPA “nur” die Internet Provider die Websites filtern müssen, oder ob SOPA auch die us-amerikanischen Betreibern von DNS Servern zwingt, die Verbindung zwischen Domain und IP Adresse zu löschen.

      Beides! Sind es com/net/org/us usw. Domains werden diese beschlagnahmt wie schon jetzt bei einige Torrentseiten. Der Rest soll blockiert werden.

      Und daraus folgt die Frage, welche Konsequenzen für nicht-us Internetnutzer es hätte, wenn z.B. die Domain example.com im DNS Server des entsprechenden US-Betreibers von der IP-Adresse des Websiten-Servers getrennt würde.

      Sofern die Domain in den USA liegt, wird sie auf eine Warnseite umgeleitet, siehe http://torrent-finder.com/

      Wäre dann example.com weltweit nicht mehr aufrufbar oder gibt es im Ausland “Kopien” von DNS Servern, auf denen die Verbindung zwischen Domain und IP noch besteht?

      Die Domain ist dann weg. Du kannst sie aber natürlich einklagen. Dauert halt nur und kostet viel Geld. SOPA legitimiert dieses Verfahren nicht nur in den USA sondern weltweit. Wenn z. B. Samsung ein Tablet verkauft, dass dem ipad zu ähnlich sieht, dann kann die US Regierung samsung.com beschlagnahmen, völlig egal, ob die in den USA, Deutschland oder Taiwan registriert ist.

      Angenommen, dies wäre so, was würde passieren, wenn eine in den USA “gelöschte” Domain neu vergeben würde, welche im Rest der Welt aber noch zu einer anderen Website führt?

      Die Domain kann nicht neu registriert werden. Sie ist ja schon registriert.

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