Plagiatsvorwurf bei „Kunst hat Recht.“

Die Kampagne „Kunst hat Recht.“ sorgt in Österreich für ziemlichen Wirbel. Kunstschaffende, die sich für eine Verschärfung der Urheberrechtsdurchsetzung stark machen. Künstler, die mit dem Netz auf Kriegspfad stehen und gegen die Selbstausbeutung wettern. Im Ton etwas Neues. Nun stellt sich heraus: Einige der ursprünglichen Forderungen von „Kunst hat Recht.“ sind fast wortgleich aus einem Forderungskatalog der International Federation of the Phonographic Industry (ifpi) von 2010 plagiiert.

Das hat der Netzjournalist Florian Machl recherchiert, dem vorbereitetende Dokumente zugespielt wurden. Er verglich die Papiere von „Kunst hat Recht.“ vom Jänner 2012 und IFPI 2010 und fand in beiden u.a. die Textstelle:

„Für die zeitlich befristete Speicherung und Verwendung der für diese Auskunftsleistungen erforderlichen Daten ist eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, die in der österreichischen Rechtsordnung fehlt.“

Die Übernahme ist wenig schmeichelhaft, und es ist nicht der einzige Beleg Machls. Entweder nimmt es die Initiative mit dem Urheberrecht nicht so ganz genau, oder das Indiz deutet auf „Astroturfing“. Beides ist tödlich für’s Image.

Astroturf ist ein bekanntes Kunstrasenfabrikat in den USA. Künstliche „Graswurzelbewegungen“ sind seit langem in den USA Teil des Angebots von Public Affairs Agenturen. Die Kunden aus der Tabak, Software- und Erdölindustrie haben ein mindestens so angeschlagenes Image wie die Verwerter bei uns. Deshalb lassen sie sich ihre eigenen Basisbewegungen mitsamt Wink-Elementen im sozialen Netz organisieren.

Florian Machl beschwört einen Interessenkonflikt zwischen den Verwertern und den Künstlern:

Viele heimische Künstler nagen tatsächlich am Hungertuch… in vielen Fällen ist nicht das angeblich so diebische Publikum daran schuld, dass Künstler zu wenig an ihrer Arbeit verdienen, sondern die verheerend schlechte Vermarktung, Probleme mit großen Sendeanstalten, die Vertragssituation mit den Labels aber auch eine angeblich sehr intransparente Verteilungs-Ungerechtigkeit seitens der Rechteverwerter.

Nach ihrem Selbstbild sind die Verwertungsgesellschaften immer auch Künstlervereinigungen (Danke für den wertvollen Hinweis, Sven Regener!). Sowohl „Kunst hat Recht“ als auch ifpi wenden sich im Namen der Kulturschaffenden an die Politik. ifpi macht das schon immer, nur der Ton ist ein anderer. Wieso ist eine mögliche IFPI-Verflechtung mit den Kollegen von „Kunst hat Recht.“ überhaupt relevant?

Ein Beispiel für die Relevanz: Morgen gibt es eine Diskussion „Welches Urheberrecht brauchen wir?“ zum ACTA-Abkommen bei dem EU-Abgeordneten Ehrenhauser. Geplante Teilnehmer:

* Markus Stoff, IFNF – Initiative für Netzfreiheit
* Michael Bauer, VIBE!AT – Verein für Internet-Benutzer Österreichs
* Franz Medwenitsch, ifpi – Verband der Österreichischen Musikwirtschaft
* VertreterIn der Initiative Kunst hat Recht (tbc)

Die Organisation IFPI hat sich für eine freiwillige Registrierung im Europaparlament entschieden, und sie hat damit einen Verhaltenskodex unterzeichnet. AIM, EIF und BASCAP sind registrierte Mitgliedschaften von IFPI. „Kunst hat Recht.“ findet keine Erwähnung im Register. Das Register informiert unsere EU-Abgeordneten über Verflechtungen, damit Verbände nicht quasi mit sich selbst diskutieren müssen. Das wäre ja peinlich.

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11 Ergänzungen

  1. Die können das alles „gerne“ haben, wenn zeitgleich auch die ganzen Urheberrechts- und Künstlerabgaben auf Geräte und Leermedien abgeschafft werden.

    Dass da jetzt auch „Betroffene“ als Beispiel vor geschickt oder, schlimmer noch, aus dem Boden gestampft werden, passt zur Kommunikationsstrategie.

    Spannend auch, dass man das Video „Musik hat Recht“ im Youtube-Channel von „Kunst hat Recht“ in Deutschland nicht sehen kann, z.B.: http://www.youtube.com/watch?v=hOVsfspxzuQ

    „Unfortunately, this UMG-music-content is not available in Germany because GEMA has not granted the respective music publishing rights.“

    Hach ja, da wäre die IFPI auch gefragt. ;)

      1. Ziemlich viele Newsseiten bestätigen den NZZ Inhalt:

        „Eigentlich sollte der Europäische Gerichtshof das Anti-Piraterie-Abkommen prüfen. Doch daraus wird vorerst nichts: Das EU-Parlament verweist den Vorgang nicht an die Richter, sondern drängen auf eine schnelle Entscheidung. Bereits im kommenden Sommer sollen die Abgeordneten darüber entscheiden, ob ACTA auch in Europa zur Anwendung kommt oder nicht.“

        Sagt: http://www.computerbild.de/artikel/cb-Aktuell-Internet-EU-ACTA-moeglicherweise-vor-dem-Aus-7415054.html (Keine verlässliche Quelle, aber eine Google News Suche bestätigt den Inhalt.)

        Hast du Quellen gefunden, die das widerlegen?

        1. @Name: Wir haben hier am vergangenen Dienstag als erste darüber berichtet und ich bin an dem Thema wohl etwas näher dran, als Computerbild, NZZ & Co, die alle voneinander abgeschrieben haben. Eine Originalquelle ist https://digitalegesellschaft.de/2012/03/acta-eu-parlament-entscheidet-wahrscheinlich-doch-im-sommer/ :-)

          Die verwechseln alle, dass die EU-Kommission Fragen an den EuGH stellt und das EU-Parlament das auch könnte, aber abgelehnt hat. Ist schon kompliziert, wenn es mehrere Institutionen im fernen Brüssel gibt.

      2. Ok, da scheint tatsächlich einiges durcheinander geraten zu sein.

        Zeit Online titelt: „Das EU-Parlament legt Acta nun doch nicht dem Europäischen Gerichtshof vor.“

        Später im Text wird dann dein Beitrag bestätigt: „Der für Acta zuständige Handelsausschuss hat am vergangenen Freitag entschieden, dem europäischen Gerichtshof (EuGH) entgegen früheren Forderungen doch keine eigenen Fragen zum Handelsabkommen Acta vorzulegen.“

        Danke für die Klarstellung. :-)

        1. @Name: Ok, Zeit.de hat wohl auch irgendwo abgeschrieben, aber nur den Fehler übernommen, dass die Entscheidung am Freitag war. Die war aber schon am Dienstag. Keine Ahnung, wie ein Journalist heute als erster auf Freitag kam.

      3. Ich kann das bestätigen, was Markus schreibt. Lest einfach Artikel 218(11) AEUV. Das ist die Rechtsgrundlage.

        Die EU-Kommission hat angekündigt den EUGH anzurufen. Nun könnten auch Mitgliedsstaaten und EU-Parlament das gleiche tun. Und zwar ganz unabhängig voneinander.

        Es gab hierzu viel Diskussionen, ich dachte Anfragen von mehreren Seiten an den EUGH sind eine gute Idee. Also wenn zusätzlich das Parlament eine Anfrage stellt. Andere, auf die ich vertraue, haben erzählt, das sei nicht so. Es muss nur einer via Artikel 218(11) den EUGH anrufen. Für das Parlament sei es besser die EU Kommission zu ignorieren und im Sommer über das Abkommen abzustimmen.

        Das hat auch INTA entschieden, der Handelsausschuss, mit großer Mehrheit. Die Kommission wird kaum einen Rückzieher machen können, sie muss und wird den EuGH anrufen, aber das Parlament watscht sie ab, wenn es im Sommer abstimmt.

        Hintergrund ist, dass die EVP keine Lust hat, ACTA zum EU-Wahlkampfthema zu machen. Das wäre wahrscheinlich bei der Verzögerung durch das Verfahren vor dem EuGH. Also wird ACTA vermutlich im Sommer vom Parlament abgelehnt. Für mich ein Wermutstropfen, dass die europavertraglichen Probleme von Artikel 207 vermutlich nicht mehr höchstrichterlich geklärt werden können, wenn ACTA weg vom Fenster ist.

  2. Lieber Markus, ich finde Artikel, die im Wesentlichen auf hätte, könnte, würde aufbauen, machen die Plattform Netzpolitik.org nicht unbedingt glaubwürdiger. Lieben Gruß, Eva

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.