Klingt nach Hinhaltetaktik: ACTA zum Europäischen Gerichtshof

Die EU-Kommissarin Neelie Kroes hat eben auf Twitter verkündet, dass die EU-Kommission den Europäischen Gerichtshof (EuGH) fragen wird, ob der ACTA-Text kompatibel zu den Europäischen Verträgen ist.

Wir hatten bereits vor einer Woche gebloggt, dass dies in der EU-Kommission diskutiert wird. Möglicherweise ist das eine Hinhaltetaktik, um Zeit auszusitzen bis sich die Proteste gelegt haben. Man sollte auch bedenken: Bei einer solchen Vorgehensweise ist die Art der Fragestellung wichtig und ausschlaggebend für ein Ergebnis. Eine generell einfach gestellte Frage, wonach das hier klingt, wird ein anderes Ergebnis liefern, als spezifische juristische Fragen. Und beim ACTA-Abkommen wissen wir: Der Teufel steckt im Detail. ACTA enthält z.B. soviele vage Formulierungen mit Konjunktiven, dass man dies auch berücksichtigen sollte. Aus unserer Sicht ist eine umfassende und detaillierte Prüfung durch den EuGH unabdingbar. Und es fehlt eine gründliche Folgenabschätzung.

Wenn der EU-Kommission wirklich etwas an einem Ergebnis liegt, wird sie detaillierte Fragen vieler Juristen zum EuGH schicken. Sonst klingt das für uns nur nach der üblichen Hinhalte- und Aussitztaktik bei ACTA. Insofern klingt die Nachricht zwar gut, aber sie scheint trotzdem kein Grund zur Freude zu sein. Und man sollte bedenken: Dieser Schritt kommt erst zu einem Zeitpunkt, wo ACTA vorraussichtlich keine Mehrheit im EU-Parlament hat.

Abgesehen von rechtlichen Fragen, es gibt ja auch noch die politische Seite: Uns stört generell der Geist von ACTA und deshalb sollte das Abkommen generell abgelehnt werden. Hier gibt es verschiedene Wege, gegen #ACTA aktiv zu werden. Am Samstag kann man wieder in über 50 Städten Deutschlands auf die Straße gehen und gegen ACTA demonstrieren.

Update: Es gibt auch noch die Theorie, dass die EU-Kommission momentan befürchtet, dass sich die Proteste gegen #IPRED, die Novellierung der EU-Richtlinie zur Durchsetzung Geistigen Eigentums wenden könnten. Und man mit diesem EuGH-Schritt hofft, dass sich die Proteste auf der Straße und im Netz wieder legen. #IPRED hat uns damals die Abmahnindustrie gebracht.

Mehr zu #IPRED u.a. hier: EU-Kommission legt Strategie zum geistigen Eigentum vor (Die sprachliche Nähe zu ACTA ist sicherlich nur zufällig…)

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

21 Ergänzungen

  1. Ist ja schon, dass das der EuGH prüfen soll.
    Aber was soll das denn bitteschön aussagen?
    Die Absicht ist klar – sie die verbotene Umkehrschlussrichtung durchtricksen:

    Wenn ACTA gegen EU-Recht verstößt, ist ACTA schlecht.
    Wenn ACTA *nicht* gegen EU-Recht verstößt, ist ACTA dann also automatisch „gut“? Natürlich nicht.

    Wenn es danach ginge, bräuchten wir keine Parlamente mehr und müssten bloß die jeweiligen obersten Gerichtshöfe nach der Verfassungskonformität urteilen lassen.

    1. richtig. die gerichte sollten nicht dazu misbraucht werden, um festzustellen was gerade noch geht. nur weil die eu-kommission jetzt das stahlgewitter aussitzen will, deligieren sie es mal eben an den EuGH? politische entscheidungen sollten eigentlich von politikern getroffen werden. nur leider kann man die mitglieder der eu-kommision nicht abwählen.

  2. Einerseits kann dies auch ein starkes Signal an die ACTA-Verhandlungspartner schicken. Mexiko hat sich ja zB bereits zurück gezogen. Und andererseits hat die EU so mehr Zeit, über Urheberrecht und IPRED nachzudenken – ohne sich vorher die Hände durhc ein internationales Abkommen zu binden.

  3. Ich befürchte auch, das die Regierung genau darauf hofft, mit der „richtigen“ Fragestellung das gewünschte Ergebnis zu bekommen. Nach der gleichen Methode funktionieren ja auch die meisten Umfragen. Ein Abkommen das unter Ausschluss der Öffentlichkeit zustande kommt, und angeblich gar nichts ändern würde, wird dennoch versucht mit aller Macht und gegen den Willen der Bevölkerung durchzudrücken. Wenn ich weiß, einen Berg versuchen zu verschieben, würde nichts bringen, würde ich doch nicht meine ganze Kraft einsetzen dies doch zu tun.

  4. Was mich noch massiv stört, ist es dauernd als Gegner von irgendwas bezeichnet zu werden. Ich bin kein Gegner von ACTA, ich bin ein Befürworter der Bürgerrechte. Das ist für mich ein gewaltiger Unterschied. Aber diese Rhetorik ist wiederum auch nicht neu.

  5. Der Druck der Internetöffentlichkeit zeigt Wirkung. Das ist gut, denn ACTA zementiert offenbar ein überkommenes Urheberrecht. Obwohl ich als Autor wohl davon profitieren würde, bin ich dagegen.
    Aber nehmen wir mal an, ACTA wäre bereits in Kraft. Dann wäre womöglich der uns nur zu gut bekannte Herr zu Guttenberg, Berater der EU-Kommission in Sachen Internetfreiheit, als einer der ersten davon betroffen, oder? Folgendes Gedankenspiel:
    http://www.ybersinn.de/2012/02/22/ad-acta-groser-lauschangriff-auf-guttenberg/

    1. Von ACTA werden nur ganz wenige profitieren, und nur weil Du Autor bist wirst Du wahrscheinlich nicht dazu gehoeren.

  6. Ich denke mir mal, so lange die Welt durch das internationale Grosskapital regiert wird, das Regierungen einsetzen und stürzen, Gerichtsurteile bestimmen, Gesetze auf den Weg und durchsetzen kann durch seine politischen Vasallen, wird sich nichts im positiven Sinne ändern. Ob Hinhaltetaktik oder nicht, so lange sich nicht der Protest in einer härteren Gangart auf die Stasse verlagert, so lange die Politik nicht erkennt, zu erkennen gezwungen ist, dass AUCH das Volk eine Meinung hat und das Recht, diese zu vertreten, ebenso die eigenen Interessen zu schützen, die immer wieder mit den Füssen getreten werden, wird sich nichts ändern. Politik und internationales Grosskapital tun, was ihnen gerade in den Sinn kommt, als würde diese Welt mit allem darauf ihnen allein gehören, nur eine etwas härtere Gangart im Widerstand gegen Entrechtungen jeglicher Art schaffen Änderung und letztlich den Erhalt der Freiheit des Einzelnen um Gesamten. Der Protest darf nicht abflauen, er muss so lange und mit aller Schäfe der Meinung fortgeführt werden, bis letztlich Politik und Grosskapital zu der Erkenntnis gelangt sind, dass sie mit uns nicht machen können, was ihnen gerade so in den Sinn kommt.

    1. Ist das jetzt ein verklausulierter Gewaltaufruf? Immerhin ein neues Highlight auf netzpolitik.org.

      Nur zu deiner Information: Gewalttaetiger Protest hat weder der RAF noch den Griechen irgend etwas geholfen. Griechen und RAF haben allerdings gemeinsam dass sie in einer Scheinwelt leben oder lebten und das tut dem Realitaetssinn nicht gut. Ich hoffe dir bleibt dieses Schicksal erspart.

      Regiert werden wir uebrigens nicht vom internationalen Grosskapital, sondern den Politikern, die wir in freien Wahlen gewaehlt haben. Und das ist auch der erste Ansatz um Dinge zu aendern.

      1. selbst edmund stoiber hat, als er nichts mehr zu sagen (zu verlieren) hatte, gesagt:
        die die gewählt werden, haben nichts zu entscheiden und die die entscheiden, werden nicht gewählt.

        so what?
        wahlen und gesetze? ein netter versuch…
        sorry.

  7. Weshalb wird hier so ein Wind gemacht wegen Acta? Nur ein Land in der EU muß dagegen sein, dann wird es geknickt.

    Jetzt schreibe mir mal einer, bei welchen Vorhaben ALLE EU-Länder sich in der Vergangenheit über irgendwas jemals einig waren? Gibt es nicht, niemand wird diesen Beweis führen können.

    Pipa und Sopa, schon lange nichts mehr gehört.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.