Internet-Sperren in Großbritannien: Nach Missbrauch jetzt standardmäßig auch Pornografie und „schädliche Inhalte“

Im Vereinigten Königreich sollen Internet-Provider jetzt auch Webseiten mit Pornografie, Magersucht, Gewalt und anderen „schädlichen Inhalten“ sperren. Damit erweitert der „Rat für Kinder-Sicherheit“ die Vorschläge der Regierung noch. Umstritten scheint nur noch, ob die Filter standardmäßig für alle Internet-Anschlüsse gelten oder die Inhaber gefragt werden, ob sie diesen „Kinderschutz“ wollen.

Bereits im Oktober kündigte Premierminister David Cameron auf einem Treffen mit der christlichen Organisation „Mothers‘ Union“ an, die Internet-Pornografie eindämmen zu wollen. Die vier größten britischen Internet-Provider haben damals eingewilligt, pornografische Webseiten standardmäßig zu sperren. Die Technik existiert ja bereits durch die Sperren von Kindesmissbrauchs-Dokumentation. Kunden, die doch Pornos sehen wollen, könnten das ja wieder freischalten lassen.

Der von New Labour unter Gordon Brown ins Leben gerufene UK Council for Child Internet Safety will noch weiter gehen. Der Vorstand des Zusammenschlusses aus Regierung, Strafverfolgungsbehörden, Privatwirtschaft und Kinderschutz-Organisationen hat jetzt einen Vorschlag zum Kinderschutz im Internet veröffentlicht.

Darin werden zunächst schockierenden Fakten präsentiert: Kinder nutzen soziale Netzwerke! Kinder sehen „potentiell schädliche nutzergenerierte Inhalte“ im Internet! Es gibt Mobbing! Das vermengt man dann damit, dass Pornografie im Netz leicht zu finden ist, weswegen man Camerons Initiative sehr begrüße. Aber es gibt auch andere gefährliche Inhalte auf Webseiten: Selbstmord, Magersucht, Selbstverletzung, Gewalt, Grooming und Mobbing. Zwar sei keine technische Lösung perfekt, aber als Teil eines Pakets will man auch Internet-Sperren gegen solche „schädlichen Inhalte“.

Die Grundprinzipien, Schäden durch Straßenverkehr, Pädophile oder riskante Verhaltensweisen zu vermeiden, gelten auch im Internet.

Scheinbar dreht sich die Diskussion nur noch darum, ob die Sperren standardmäßig bei jedem Anschluss aktiviert sein sollen, oder ob die Inhaber vorher gefragt werden sollen, ob sie das wollen. Fragt sich nur wie lange es dauert, bis diese „Ich will aber Porno!“ Listen zweckentfremdet genutzt werden.

Auf der Webseite des Bildungsministeriums oder per E-Mail kann man seine Meinung zu diesen Plänen abgeben.

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20 Ergänzungen

  1. The parental police state. In unseren Medien wird nicht, oder nur verschwindend wenig darüber berichtet, das UK scheint sich derzeit in einen parentalistischen totalaristischen Polizeistaat zu verwandeln in dem man langsam, oder jetzt schon?, Angst bekommen muss nicht-konformes Leben zu zeigen. Die Meldungen der letzten 3 Jahre mindestens empfinde ich als äußerst alarmierend. Mehr Berichte über aktiven Widerstand gegen die Bemühungen einer Regierung, die versucht ein System der breiten Unterdrückung zu schaffen, wäre wichtig.

  2. Die haben wohl den Schuss nicht gehört. Bin echt sprachlos über diesen völlig hemmungslosen Einsatz von Zensur-Infrastruktur. Aber bei „Konservativen“ wundert mich eigentlich gar nix mehr.

    Dies ist auf der anderen Seite ein sehr ’schöner ‚ Beleg dafür, dass eine einmal eingerichtete Zensur-Infrastruktur ganz selbstverständlich auch zu anderen, ursprünglich nicht genannten Zielen eingesetzt wird (nicht nur werden kann, sondern fast zwangsläufig WIRD!). Deshalb wehret den Anfängen…

    Bin mal gespannt, ob die Briten sich das so gefallen lassen, oder ob sich dort Widerstand regt, wie hier gegen Zensursula oder ACTA. Ansonsten sehe ich GB auf dem Weg zu einem oppressiven Zunsur- und Überwachungsstaat wie in „V wie Vendetta“. Remember remember the 5th of november…

  3. Wie dämmt man denn durch Sperren die Internet-Pornografie ein? Die ist doch dann immer noch da.

    1. Wenn du aber bewusst zustimmen musst, dass du auch Porno in deinem Internetanschluss haben willst, dürfte das auf viele erstmal abschreckend wirken (weil, was wenn das die Nachbarn mitbekommen? Oder Freunde? Oder Tante Erna (weil ihre Canasta-Partnerin beim Internetanbieter arbeitet), die es dann überall weiter erzählt? Oder die eigene Frau, weil es ausdrücklich auf der Rechnung vermerkt wird?). Und wenn plötzlich viel weniger Leute im Internet Porno schauen, geht es den entsprechenden Seiten natürlich auch ziemlich schlecht. Weniger direkte Einnahmen durch kostenpflichtige Mitgliedschaften. Weniger Werbeeinnahmen durch weniger Hits.
      Wenn man gemein sein wollte, könnte man das Vorhaben als Konjunkturprogramm für Offline-Pornografie und Videotheken verstehen. :-P

  4. „Die Technik existiert ja bereits durch die Sperren von Kindesmissbrauchs-Dokumentation“:

    Werden in UK bisher wirklich nur Darstellungen von tatsächlichem Kindesmissbrauch gesperrt – oder geht es da nicht eigentlich um die Darstellung sexueller Handlungen von/an Kindern undJugendlichen? Wenn zwei 16-Jährige miteinander schlafen, missbrauchen die sich ja nicht gegenseitig. Genausowenig wie ein masturbierender 13-Jähriger sich selbst missbraucht. In solchen Fällen ist diese Bezeichnung schlicht falsch und irreführend.

    Zur Klarstellung: Ich begrüße ausdrücklich die Verwendung des Ausdruck „Kindesmissbrauchs-Dokumentationen“. Aber: Bitte nur dann verwenden, wenn es auch tatsächlich um solche geht, also um Material das real stattgefundenen Missbrauch von Kindern zeigt.

      1. Das ist dann obendrein nicht „nur“ Missbrauch, sondern sogar noch sexuelle Nötigung bzw. Vergewaltigung von Kindern. Das ist natürlich noch viel schlimmer.

        Deine Aussage ist zwar wahr. Sie ist aber kein Einwand gegen das, was ich zuvor gesagt habe. Das Wort „Missbrauch“ wird zugleich auch exzessiv verwendet – in den Fällen von Material, das eben keinen tatsächlichen Missbrauch darstellt. Mein Punkt wird durch den (wahren) Umstand, auf den Du hinweist, in keiner Weise berührt. Es ändert sich nichts daran. Er wird auch nicht gerechtfertigt.

        Diese exzessive Verwendung des Ausdrucks „Missbrauch“ ist so ähnlich, als würde man in einem Gesetz von „Vergewaltigungsdokumentationen“ sprechen – tatsächlich aber jegliches Bildmaterial darunter fassen, das in irgendeiner Weise heterosexuellen Partnersex darstellt, auch einvernehmlichen. Das wäre genauso offenslichtlich verlogen.

        Deinem Einwand entspräche in dem Beispiel dann der Kommentar, dass ja unter diese „Vergewaltigungsdokumentationen“ ja auch Dokumentationen von Vergewaltigungen fallen würden, bei denen das Opfer vor der Kamera auch noch ermordet wird. Das stimmt natürlich – Es hat aber mit einvernehmlich entstandenem Material überhaupt nichts zu tun. Und in der gleichen Weise hat Dein Kommentar mit einvernehmlich fickenden Jugendlichen und aus eigenem Antrieb masturbierenden Kindern nichts zu tun.

  5. So richtig geil wird’s dann erst wenn man sich die „geistigen“ Äußerungen in Bezug auf die gute alte „englische Erziehung“ reinzieht.
    Also einerseits soll und muß der Vater/Mutter/Erziehungsberechrigter und die Lehrerschaft den Rohrstock rausholen und den Kindern so den Hinterschinken versohlen das nicht nur selbiger mürbe wird, sondern auch das Hirn und die Hörigkeit durch Angst und Gewalt erzwungen, andererseits sollen nun die „armen“ Kinder vor genau dem was öffentlich gefordert wird im „pösen“ Internet „geschützt“ werden *ROFLMAO*
    Das ist genau die gleiche Masche wie mit den Überwachungskameras die dann statt zur „Sicherheit“ für extra Mautgebühren in Londons Innenstadt verwendet werden !!111!!
    QED …

  6. Ein Beispiel für Deutschland!
    Wenn es kein Pornos im Internet mehr gibt wird auch wieder richtig gearbeitet in den Firmen

    mfg

    Ralf

  7. Im Prinzip wurde dies alles schon Vorhergesehen, nur die Technik zur permanenten Überwachung und Rechtsdurchsetzung fehlte bisher.
    Nun mit dem Internet und den Ausserben der Analogen Medien werden die Träume vieler Politiker nach einer dystopische Gesellschaft Realität.
    (Eine dystopische Gesellschaft ist in der Regel durch eine autoritäre oder totalitäre Regierungsform sowie durch repressive soziale Kontrolle charakterisiert.)
    Denn nicht nur im Internet auch im realen Leben kommt es zunehmend zur Ausweitung aller möglichen gesellschaftlichen Verbote bis weit in das Privatleben, wie Rauch – Alkoholverbot ….

    Vielleicht sollten unsere Kinder nicht mehr Klassiker von Goethe oder Schiller im Unterricht lernen sondern „George Orwells 1984“ oder Filme wie „Fahrenheit 45“ und „Minority Report“.

  8. Hmm!
    Da fühlt man sich doch gleich an „V wie Vendetta“ erinnert.
    Oder, oder ja, an Orwells „1984“.
    (OT:
    Hierzulande sollte man eher Huxleys „Brave new world“ oder „We amuse ourselfs to death“ lehren, ist bei uns nähmlich tendenziell eher der Fall, oder eine leichter zu verdauende Variante des Themas.
    Und auch wenn ich auf Knien dankbar dafür bin das mir Schiller und Goethe, im großen Maße erspart geblieben sind, so denke ich, sollte man doch etwas vergleichbares vermitteln, denn der Mensch ist nichts weiter als ein wildes, gefährliches Tier, wenn Ethik, Ästhetik und Moral fehlen, und die Gewissheit, das wir doch eigentlich unbedeutend sind.
    Abgesehen davon sind Minority Report und Co, zu „geradlienige“ Kost. Die Welt ist aber auch Grau und genau da zeigt sich charakterliche Behauptung, und Profil/Persönlichkeit.)

    Das die Christen, welcher Ausprägung auch immer, sich da
    hervortun, btw. Zustände wie in den USA, ist auch bezeichnend.
    Wie heißt es so schön: „Der Weg in die Hölle, ist gepflastert mit guten Vorsätzen.“

    Jaja, wir leben in interessanten Zeiten.
    Bin echt mal gespannt wann es hier in „Good old Europe“ so richtig knallt. Dann bring ich meine Familie in Sicherheit und schau mir alles bei nem Longdrink, in Ruhe vom Dach aus an.
    Kein Wunder das man Überwachung und Zensur will, wenn man gleichzeitig Korruption betreibt und versucht eine Art Bevormundung/Oligarchentum zu fördern.

    1. > Die Welt ist aber auch Grau ……….

      Leider soll aber dieses Grau Verschwinden , der Staat und die Wirtschaft wollen ein klares Schwarz/Weiss für ihre Schubladen.
      Annsonsten geb ich dir Recht , leider sehen aber viele den Zusammenhang nicht und Beschweren sich lediglich über eine Zensur hier und eine Überwachung dort im Netz , dabei fängt gerade ein neues Gesellschaftsexpriment an mit welchen der Staat seine Bürger nicht nur Überwachen auch immer mehr Umerziehen will.

    2. Mit dem Unterschied, dass bei Orwell die Menschen der unteren Schicht, um sie von zwischenmenschlichen Beziehungen abzuhalten, billige Pornografie in Massen vom Staat vorgesetzt wird.

    3. >billige Pornografie in Massen ….

      Gibt es heut nicht nur im Internet , dafür bräuchte der Staat nicht mehr sogen, aber das konnte Orwell noch nicht wissen.
      Trotzdem wer das „sozialistische Menschenumerziehungs Projekt“ oder den Polizeistaat , die Überwachungstechniken und Verbots Gesetzgebung in der DDR noch miterlebt hat bekommt in letzter Zeit öffters ein Déjà Vu.
      Seit große Teile unserer Politiker in den Ländern und Gemeinden durch die EU nur noch eingrschränkte Befügnisse haben , schikanieren sie umso mehr ihre Bürger wie beim Sozialismus.
      Rauch , Alkohol und Grillverbote , Tempo 30 Zonen , Aushöhlung des Demonstrationsrechtes , gerichtliche Streikverbote ,ständige Überwachung und Kontrolle , überdimensionierte Polizeipräsenz und Härte bei selbst geringen Anlässen…… um nur einiges zu nennen.

  9. Ich lebe jetzt seit knapp 2 Jahren in England und muss leider sagen, dass ich nicht damit rechne, dass da ein Aufschrei durch das Land gehen wird. Es ist unglaublich, mit wieviel sich die Engländer einfach so zufrieden geben (zumindest die breite Masse) und wie wenig über Politik im Allgemeinen in den Medien berichtet wird. Ein Aspekt dabei ist wohl in der Tat ein für Deutsche Verhältnisse unerhörter Konformismus, der den Kindern schon in der Schule eingetrichtert wird (Stichwort englische Erziehung). Ein anderer, dass es hier praktisch nur pay TV gibt und Schrottzeitungen (mal vom Guardian abgesehen) und als einizg ernstz. unehmende freie Alternative BBC, wobei mein Eindruck

    1. … hat, dass lieber die Berichterstattung konsumiert wird, für die die Leute zahlen (was man ihnen wohl nicht verübeln kann bei den Preisen). Aus meiner Sicht fehlen da also ganz klar kritischere und unabhängigere Medien und solche, die auch mal einen Protest anstoßen oder unterstützend begleiten. Aussichtsreicher ist vielleicht, eine Charity zu gründen, damit scheint sich nämlich ein Großteil der Bevölkerung gerne zu beschäftigen…

      1. Das ist leider ein Teufelskreis. Viele, die man mit einfach zu recherchierenden Tatsachen konfrontiert – selbst aus hochoffiziellen Quellen, im Reinzitat -, winken ab mit der Begründung, es handele sich ja doch bloß um eine „Verschwörungstheorie“, noch vor jeder Inaugenscheinnahme. Oder es heißt, von wirklich intelligenten Leuten: „Ich kann mir das nicht vorstellen.“ Als handelten Kriegsverbrecher, „Sicherheits“fetischisten, Unterwerfer, Korrupte, Lobbyisten, etc. nach dem Richtmaß der Vorstellungskraft dieses einzelnen!

        Auch jeder Hinweis auf das Internet ist meiner Erfahrung nach einer Überzeugungsarbeit nicht förderlich. Es wird gar gewarnt, da (im Internet) müsse man „aufpassen“. Daß all diese Entschuldigungen (teilweise Rechtfertigungen!), Warnungen, Vorwürfe lediglich die Übernahme des Duktus der Massenmedien sind, wird dabei nicht einmal bemerkt. Das Spinning hat hier ganze Arbeit geleistet! Und überhaupt: Wenn das so wäre, was man da gerade vorbringt, dann hätten eben genau jene Medien als „vierte Gewalt“ darüber berichtet. Kleber, Slomka, Buhrow und co. wirken offenbar nicht nur sympathisch, sondern auch (oder gerade deswegen) vertrauenserweckend. Werden sie dann der Lüge, Ungenauigkeit oder Verfälschung überführt, dann stand immerhin eine gute Absicht dahinter – die Menschen zu etwas zu bewegen, sie von etwas zu überzeugen, das doch am Ende das (moralisch) Richtige sei.

        Ich mache diese Erfahrungen tatsächlich!

        Versucht mal jemandem zu verklickern, Obama sei ein Massenmörder. Da wird man entsetzt angeguckt – nicht ob der Schandtaten des Herrn Friedensnobelpreisträgers, sondern weil man das „nicht so sagen“ könne oder dürfe (was in beiden Fällen oft dasselbe ist). Das bißchen Verschleppung und Foltergefängnis, das bißchen Drohnen-Terror, das bißchen Tötungsliste, das bißchen Angriffskrieg … ein verschämtes „na ja“ und Schulterzucken. Merke: Nur die Nazis waren schlimm und wurden, soweit sie lebend gefaßt werden konnten, völlig zurecht in den Nürnbergen Prozessen verurteilt. Heute aber sind wir Demokraten.

        Letztens erzählte mir jemand, nachdem er eine Reportage über die Stasi gesehen hatte, wie schlimm das gewesen sein müsse. Meine Ausführungen über INDECT und co. hingegen erzeugten NICHT IM ANSATZ ein ebensolches Unbehagen. Orwells „1984“? Abwinken, Fiktion.

  10. Wenn man sich Ereignisse in und um GB immer im Kontext von Dietmar Wischmeyers „Der Tommi“ zu Gemüte führt, kann einen nichts mehr wundern ;)

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