Interner Bericht: Musikindustrie will Netz-Sperren gegen Urheberrechtsverletzungen, auch in Deutschland

Die Musikindustrie fordert weiterhin, dass Webseiten mit Urheberrechtsverletzungen von Internet-Anbietern zensiert werden sollen. Das geht aus einem geheimen internen Papier des Weltverbandes der Musikindustrie hervor, das netzpolitik.org exklusiv an dieser Stelle veröffentlicht. Die notwendige Technik haben Provider ohnehin schon installiert, man bedankt sich für „gesetzgeberische Impulse“, die Forderung umzusetzen.

Im April präsentierte Mo Ali, Leiter der Anti-Piraterie-Maßnahmen im Internet beim Weltverband der Phonoindustrie (International Federation of the Phonographic Industry, IFPI) „weltweite Perspektiven und Trends der Online-Piraterie“. Seine „streng geheimen“ Vortragsfolien waren aus Versehen kurzzeitig auf einer Webseite der IFPI. Jemand hat sie bekommen, enigmax machte daraus eine Story auf TorrentFreak. Netzpolitik.org veröffentlicht jetzt das komplette Dokument.

Der Vortrag beginnt mit den üblichen, wissenschaftlich schwer nachvollziehbaren Zahlen der Musikindustrie. Angeblich sind 95 Prozent aller Musik-Downloads weltweit „unlizenziert und illegal“. Davon sind weniger die Hälfte Peer-to-Peer-Downloads. Eine Quelle wird dafür nicht genannt. Weltweit haben 28 Prozent der Internet-Nutzer mindestens einmal einen „unlizenzierten Dienst“ genutzt. Die Quelle dafür wird mit „Nielsen und comScore“ angegeben, kann ich aber auf die Schnelle nicht finden. Aber das mit den Studien hatten wir ja schon öfters.

Die meisten Forderungen der IFPI sind nicht wirklich überraschend. Doch bei der Forderung von Netz-Sperren gegen Urheberrechtsverletzungen wird Deutschland als einer von vier Staaten namentlich genannt. In Österreich, Belgien, Deutschland und den Niederlanden freut man sich über „gesetzgeberische Impulse“ für Netz-Sperren durch anhängige Gerichtsentscheidungen bzw. laufende Diskussionen. Leider wird das nicht genauer ausgeführt.

Nach dem Willen der Musikindustrie sollen Provider freiwillige Hilfssheriffs werden und mit Three-Strikes-Modellen ihre Nutzer überwachen und mit „wirksamen Sanktionen abschrecken“. Darüber hinaus sollen „nicht identifizierte Kunden“ gleich gar keinen Zugang zum Internet bekommen.

Eine Hauptforderung ist aber die Sperrung des Zugangs zu Webseiten und Diensten, mit denen das Urheberrecht verletzt werden kann. Die verschiedenen Zensurmaßnahmen werden aufgelistet: Zugriffssteuerungslisten (ACLs), IP-Adressen, Domain Name System (DNS), Deep Packet Inspection (DPI) und Proxy-Server. Man freut sich, dass all diese Technologien bei den großen Providern ohnehin schon im Einsatz sind, für „Netzwerk-Schutz, Netzwerk-Management oder Sicherheit“.

Die verschiedenen Zensur-Methoden sind unterschiedlich effektiv, daher ist man auf die „Entschlossenheit der Provider“ angewiesen. Nach einem Vergleich der verschiedenen Modelle wird klar, dass die Musikindustrie „eine Kombination der Methoden“ möchte, am liebsten mit Deep Packet Inspection wie in Großbritannien. Zwar gäbe es immer Menschen, welche die Sperren umgehen. Aber angeblich würden nur drei bis fünf Prozent der Nutzerinnen VPNs oder Proxies nutzen. Auch diese Behauptung wird bezweifelt, Forscher der schwedischen Universität Lund sagen, dass schon 15 Prozent der 15 bis 25-jährigen Anonymisierungsdienste nutzen, Tendenz steigend.

Zur Durchsetzung der Sperren setzt man nicht nur auf den Gesetzgeber, sondern vor allem auch auf Gerichte. Diese würden erkennen, dass „Netz-Sperren eine zentrale Rolle zum Schutz des Urheberrechts im Internet einnehmen“. Einige „Erfolge“ werden aufgelistet:

Auf dieser Basis möchte man gerne weiter zusammen arbeiten und Netz-Sperren gegen Urheberrechtsverletzungen weiter ausbauen. Schön, das mal schwarz auf weiß zu haben.

27 Ergänzungen

  1. Nun, das ist eine Industrie, deren Hauptqualifikation die Produktion von unterhaltsamen Illusionen ist. Klar können die gut lügen.

    Deshalb ist es ja auch so wichtig, dass solche Sachen ans Licht kommen und vor allem, dass man die Öffentlichkeit mit den Widersprüchen zischen den offiziellen Aussagen der Industrievertreter bzw. Volksvertreter und deren geheimen Plänen konfrontiert.

    Es ist ja traurig, aber wer heute kein Verschwörungstheoretiker ist, der hat einfach nichts verstanden.

  2. Womit mal wieder klar wird, dass es in der Zensursula-Debatte und dem, was da jetzt auf EU-Ebene läuft nicht um die armen, kleinen, vergewaltigten Kinder ging sondern diese letztendlich für die Zwecke der Musikindustrie herhalten mussten, also quasi noch mal vergewaltigt wurden. WI-DER-LICH.

    1. Du hast das immer noch nicht verstanden.
      Die Musikindustrie sieht ihre Pfründe schwinden, obwohl sie eine enorme Zuwachsrate verbucht.
      Die Politiker und deren Lobbyisten Instrumentalisieren diesen Umstand wiederum um ihre Überwachungsgesetze durchzubringen.

  3. Wenn ich sowas sehe, wird mir richtig schlecht. Nicht auszudenken, wenn solche Vorgaben Standard werden könnten.

  4. A big thanks to the music industry for getting the election campaign of the Pirate party started early in Germany! When websites suddely start disapearing a lot more people will wake up to the issue of censorship and the one party that benefit from this are the Pirates. With enemies like this, who needs friends? ;-)
    Grtz,
    Arjen

  5. Warum immer alles so negativ sehen?
    Versteht doch diese Forderungen einfach mal als Förderprogramm für Creative-Commons Musik.

    Zumindest ich versteh das jetzt mal so.
    Und jetzt geh‘ ich denn mal wieder ans legal Downloaden… hihihi…

    1. Die werden sich schon etwas einfallen lassen, zumindest werden sie dadurch jede Menge Inhalte aus dem Netz entfernt bekommen.

    2. Eine auf einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehende zivile Koalition der Anständigen darf keine rechtsfreie Räume dulden, die sowohl als Nährboden als auch als Verteilungsplattformen für Sexualgewalt gegen Minderjährige, Aufrufe zu schwersten Straftaten und konkrete Planungen terroristisch-islamistischer Anschläge gegen die westliche Wertegemeinschaft dienen.

      So in etwa. Schönen Tag noch.

  6. Nach meinem Demokratieverständnis müsste doch eigentlich etwas, was 95 Prozent der Menschen tun, irgendwann legal werden oder nicht?!

    1. Nein. Das ist eine noch gefährlichere Argumentation, als sämtliche Aktivitäten der Musikindustrie zusammen.

      1. Ja, da ist etwas dran.
        Ganz einfach, weil sich in den letzten 20 Jahren die moralischen Vorstellungen der Leute in eine Richtung entwickelt haben, die einen zweifeln lässt, ob es den „gesunden Menschenverstand“ überhaupt je gegeben hat.
        Woher soll es auch kommen, wenn seitens der Politik und der Medien nichts als Profitgier und Abzocke, proklamiert wird?

  7. Das wird zu negativ angepackt, die Musikindustrie sollte von Webfreigaben reden, weil nur duch das White-List System das Abendland gerettet werden kann.

    mfg

    Ralf

  8. Aus dem Grund habe ich in meinem Router gleich die DNS-Server vom CCC und vom FoeBud reingenommen.
    Ansonsten? CreativeCommons nutzen, Freifunk-Netze überall aufbauen, etc.
    Scheint als ob der Kampf für unsere Freiheit noch verdammen viel Arbeit wird, aber es bleibt uns wohl nix anderes übrig.
    Aber dann versuchen wir wenigstens Spass dabei zu haben ;-)

    1. Sagt ein Schaf zum anderen: „I’m telling you – the man and the dog are definitely working together.“
      Sagt das andere: „Always you with that conspiracy stuff.“

      :(

      1. „Angeblich sind 95 Prozent aller Musik-Downloads weltweit “unlizenziert und illegal”.

        Wieviel “Ottonormalverbraucher” bleiben denn da noch?
        Unterschätze den Nutzer nicht, wer Musik-Downloads findet wird auch eine Proxy finden oder die Anleitung einen DNS Server zu wechseln.

    2. Ja, aber Du vergisst dabei ganz den „Ottonormalverbraucher“, dem wird weiterhin nämlich dann NICHT mehr das Internet offen stehen und genau das wollen sie ja damit erreichen.

  9. Eine Konsequente Forderung wäre doch das Internet gleich ganz Abzuschalten?
    Wenn sie nur wüsten wie sie Musik Verschlüsselt in das Ohr bekommen könnten, da bleibt leider immer eine DRM Lücke.

  10. Die Labels plätten und alle verbundenen Arbeitsplätze vernichten. Sorry, ich hab leider kein Mitleid für Unterstützer der „Wir rapieren die Gesetzgebungen von Staaten weltweit“-Mentalität. Wenn dieser Industriezweig keine natürliche Existenzgrundlage mehr sondern hat, soll er halt sterben.

  11. Schon irgendwie lustig.
    Wenn die Musikindustrie soviel Energie in neue internetfreundliche Geschäftmodelle investieren würde, wie sie derzeit verwendet um ihre eigenen Kunden zu verprellen, ja dann…. ;-)

    Nunja, aber nicht zu schwarz sehn, das ist nicht zwangsweise die Zukunft, sondern „nur“ der Beweis für etwas, was die Welt so oder so schon wusste.

    1. Just me – Du hast es erkannt, wer nicht Zahlen will der wird auch nicht zahlen, und derjenige wird immer einen Weg finden Musik irgendwo kostenfrei zu erstehen…. Wer aber noch scharf auf frische neue Musik ist , von jungen Bands der wird auch einsehen das die ohne Geld nicht leben können, und dann auch keine neue Musik mehr produzieren werden…. Der Punkt ist Aufklärung und Freiwilligkeit um Musik legal im Netz zu erstehen gegen einige Cent die keinem Wehtun….. anstatt aufzuklären will man mal wieder die Knecht Ruprecht Rute rausholen…..Ergebnis man macht sich immer unbeliebter bei den potentiellen Kunden…. Nach deren Willen müsste man übrigens mit You Tube dann mal anfangen, denn auch da kann man runterladen mit dem FireFox Plug-In. Ob solche Pläne Goggle Inc. erfreuen, das wage ich in Zweifel zu ziehen…..

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.