InPoSec – neues Forschungsprojekt will mit Nacktscanner-Technologie Pakete nach „illegalen Produkten“ durchleuchten

Während sich das EU-Forschungsprojekt INDECT in seinem vierten Jahr kurz vor dem Abschluss befindet, läuft in Frankreich und Deutschland jetzt ein neues Projekt an, das viele Fragen aufwirft.

Mit dem sogenannten “Integrated Postal Supply Chain Security”-Projekt, kurz InPoSec, soll die Integrität der Postlogistikkette geschützt und die Sicherheit der beteiligten Menschen garantiert werden. Zunächst werden Briefbomben und terroristische Anschläge als Bedrohung für die wirtschaftliche Stabilität Europas ins Feld geführt, nur um dann in einem Nebensatz auch “illegale Produkte” als Ziel des Projekts zu benennen.

Schaut man sich in Europa um, liegt der Schluss nahe, dass uns mit den im Rahmen des InPoSec-Forschungsprojekts betrachteten Technologien auch eine Totalüberwachung der Brief- und Paketkommunikation ins Haus stehen könnte.

Gepaart mit einer restriktiven Kommunikationspolitik lässt das Projekt nichts gutes ahnen.

Im Rahmen des Forschungsprogramms ”Concepts, Systems and Tools for Global Security 2012” der öffentlich-rechtlichen nationalen Forschungsanstalt Agence nationale de la recherche (ANR) wurde im April das Forschungsprojekt Integrated Postal Supply Chain Security (InPoSec) eingereicht. Es ist auf 36 Monate angesetzt und mit einem finanziellen Rahmen von 1,8 Millionen Euro ausgestattet.

Für das Forschungsprogramm “Konzepte, Systeme und Werkzeuge für globale Sicherheit” kooperiert die ANR dabei mit der “Zentraldirektion für Bewaffnung” des französischen Verteidigungsministeriums.

Laut der Beschreibung (englisch; französische Version) ist das Ziel von InPoSec, Sicherungssysteme zu entwickeln und evaluieren, die die Postlogistikkette schützen und so neben der Sicherheit der beteiligten Menschen auch die ökonomische Stabilität Europas garantieren.

Da jedes Objekt eine Bedrohung in Form einer Bombe, chemischen Waffe oder illegaler Produkte enthalten könne, will man im Rahmen von InPoSec also beispielsweise mit Hilfe von Terahertz-Technologie künftig für mehr Sicherheit sorgen. Terahertzstrahlung ist es auch, die bei den vieldiskutierten Nacktscannern an internationalen Flughäfen zum Einsatz kommt:

chaque objet transporté pourrait contenir une menace telle que bombe, arme chimique ou produits illicites. D’un autre coté, cette chaine postale est vitale pour le développement économique de l’Union Européenne et demande à être sécurisée. […] L’objectif du projet InPoSec proposé par ce consortium franco-allemand est de renforcer la sécurité de protections des humains ainsi que de l’infrastructure pour assurer une sureté économique en Europe par l’ajout de contrôle par rayons T.

Mit der Öffentlich-rechtlichen Abteilung des Instituts für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht (ITM) an der Uni Münster hatte am 29. Juni eine erste deutsche Einrichtung ihre Beteiligung an dem Projekt angekündigt. Der Text ist jedoch mittlerweile nicht mehr zu erreichen:

Ziel des Projektes ist es, Personen in der postalischen Lieferkette vor Bedrohungen besser zu schützen, noch bevor die Postsendung ihren eigentlichen Empfänger erreicht hat. Hierzu sollen nicht nur technische und organisatorische, sondern auch rechtliche Lösungen entwickelt werden. Da eine abgangsseitige Kontrolle der Postsendungen nicht möglich ist, ist die Eingangskontrolle der Ausgangspunkt des Vorhabens. Im Rahmen dieser Kontrolle kommt es nicht nur auf die hierbei verwendete Technik an. Maßgeblich sind insoweit auch die zollrechtlichen, postrechtlichen und datenschutzrechtlichen Bestimmungen. Der Beitrag des ITM wird im Bereich des Datenschutzrechts liegen.

Was gab den Ausschlag für InPoSec?

Während die englische Version der Ankündigung von InPoSec sich über die Beweggründe ausschweigt, benennt die französische Fassung die Anschläge in Madrid 2004 und London 2005 sowie “Vorkommnisse” in Griechenland und im Jemen als Motivation für das Projekt:

Les événements de Madrid en 2004, à Londres en 2005 et maintenant en Grèce et au Yémen ont plus que démontré que l’Europe est un territoire accessible face aux attaques terroristes.

Gemeint sind wohl Paketbomben, die im Jahr 2010 aus Griechenland und dem Jemen versendet wurden. Damals waren in Frachtflugzeugen des Logistikers UPS Paketbomben sichergestellt worden. Laut eines Berichts der britischen Polizei waren sie mit dem Ziel versendet worden, die Flugzeuge über den USA explodieren zu lassen.

In den USA ist die Transportation Security Administration (TSA) für die Durchleuchtung von Luftfracht zuständig. Die dem Department of Homeland Security untergeordnete Behörde war 2001 in Reaktion auf die Anschläge geschaffen worden. Bis Dezember will die Behörde nun ihre Kontrollen auf 100% der Luftfracht ausweiten, die mit internationalen Flügen in die USA kommt.

Verstecktes Ziel Produktpiraterie?

Schaut man sich nach Programmen im Bereich Logistiksicherheit um, wird man schnell fündig. Das Fraunhofer-Institut für Physikalische Messtechnik (IPM) hat mit zwei Firmen bereits im Dezember 2011 einen Terahertz-Briefscanner vorgestellt.

Die Kontrolle des Posteingangs bei gefährdeten Personen und Einrichtungen ist natürlich verständlich und gerechtfertigt. Doch die Projektbeschreibung spricht vom Schutz der gesamten Postlogistikkette und aller beteiligten Personen. Der in der Mitteilung des ITM benannte “Ausgangspunkt” bei der “Eingangskontrolle” ist dann spätestens das Logistikzentrum oder die größere Postfiliale, die als erstes das Paket entgegennimmt. Nur so erklärt sich, dass dann neben den datenschutzrechtlichen auch post- und zollrechtliche Bestimmungen von InPoSec betroffen sind.

Insbesondere dass der französische Text auch “illegale Produkte” in den Kreis der transportierten Inhalte aufnimmt, die den europäischen Wirtschaftsraum gefährden, lässt einen aufhorchen.

In Großbritannien liegt mit der Communications Data Bill ein Entwurf einer Kommunikationsdaten-Richtlinie vor, die auch die von außen erfassbaren Daten der Briefkommunikation auf Vorrat speichern soll (Netzpolitik.org berichtete).

Und auch in der englischen Version der Ankündigung von InPoSec ist die Rede davon, Bilderkennungs- und “Tracking-Technologie” zu entwickeln oder zu nutzen.

The goal of the program is to demonstrate

2. Adapt or develop revolutionary image recognition and tracking technology using networks of asynchronous spiking neurones. To design and develop a system capable of categorizing objects within a scanning result coming from an X-ray input ( evaluation with Terahertz Rays) and of estimating its danger.

Eine automatisierte und anlasslose Kontrolle aller Brief- und Paketsendungen in Europa ist die Konsequenz. Das Ziel sind dabei nicht etwa die vermutlich überschaubare Anzahl an Briefbomben-Fällen und der vielbeschworene internationale Terrorismus sondern erneut Produktfälschungen und Kleinkriminalität.

Kein Kommentar

Abgesehen von den schon erwähnten Texten bei der ANR liegen zur Zeit keine genaueren Informationen vor. Auf Nachfrage wollte der Projektleiter bei der ANR erst ein Mal von mir wissen, für wen ich schreibe und ob ich überhaupt wisse, dass es sich um ein geheimes Projekt handle. Fragen nach weiteren Projektpartnern und einer detaillierten Ausschreibung blieben bislang unbeantwortet.

Am ITM in Münster teilte man mir mit, nicht das ITM selbst sondern der Zollrechtler Prof. Dr. Wolffgang übernehme die Leitung des Projekts. Wolffgang ließ mir mitteilen, dass in Kürze eine offizielle Pressemitteilung erscheinen solle. Auf meine Fragen antwortete er nicht. Unter anderem hätte mich interessiert, wieso bei der reinen Betrachtung der “Eingangskontrolle” zollrechtliche Aspekte zu beachten seien. Am Donnerstagnachmittag war die Ankündigung auf der Website des ITM nicht mehr abrufbar.

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14 Ergänzungen

  1. 1984 war gestern – schöne neue Welt heute.

    Dass die totalitären Systeme nicht aussterben, nur weil sie sich „demokratisch“ schimpfen, ist uns doch allen klar.

    Ich frage mich nur, warum das alles schon vor sooooo vielen Jahren in etlichen Büchern / Filmen verdeutlicht wurde und es trotzdem so weit kommen konnte / wird?

  2. Und da geht das Post und Briefgeheimnis dahin.

    Und wieso Nacktscanner Technologie? Sind die normalen Geräte die am jedem Flughafen im Einsatz sind nicht viel besser geeignet um Pakete zu durchleuchten?

  3. och leute….es ist doch hinlänglich bekannt, dass in den entsprechenden ministerien heerscharen von hochbezahlten beamtenfuzzies an „grundrechtsschonenden“ eingriffen in die freiheits- und bürgerrechte arbeiten. also tut doch nicht immer so überrascht und überrumpelt.

    der bremsklotz BVerfG wird auch noch irgendwie aus dem weg geräumt….

  4. Suuper
    Ich hab mal wo argumentiert als es um das auslesen um E-Mails ging
    „Ja die Post schaut ja auch nicht alle Briefe an und schaut ob da Illigale Inhalte drinn sind“
    Tja das Argument kann ich jetz in die Tonne treten!

    1. fritz, eine objektive Einschätzung der Hoffnungslosigkeit in Fragen der Privatsphäre weicht einfach hin und wieder einer gewissen Überraschung, wie schnell und einfach diese Dinge immer wieder implementiert werden.

      Bei mir weicht sie so langsam einer grenzenlosen Wut.

  5. Hm, okay, als Begründung beruft man sich also auf missglückte Briefbombenanschläge und zwei Terroranschläge, bei denen die Post überhaupt keine Rolle gespielt haben dürfte. Absolut einleuchtend, ja.
    Ich wünsche mir immer mehr, dass der Stepper aus The Long Earth wirklich funktioniert und ich einfach auf eine Parallelwelt abhauen kann, wo einem dieser ganze Scheiß egal sein kann…

  6. „revolutionary image recognition and tracking technology“?

    Ich denke, das ist wohl eher counter-revolutionary technology :D

    Hmm … mal netzpolitisch betrachtet: kann uns das schaden?

    Mir ist auch nicht klar, welche Art von „illegalen Produkten“ man mit Terahertz-Strahlung erkennen will. Gefälschte Lacoste-Hemden wird man damit nicht von echten unterscheiden können, auf Taschen wird man damit den LV-Aufdruck nicht identifizieren können, Tabletten kann man damit wohl auch nicht unterscheiden und gegen Drogen wird es auch nicht helfen. Was also können sie mit „illegalen Produkten“ meinen?

    1. Festplatten und USB-Sticks mit illegal kopierter Musik? Wenn man das Paket noch durch einen Computertomographen schickt, sind die Daten danach dann auch praktischerweise vom Magnetfeld gelöscht worden.

      1. Glaub ich nicht. Der Aufwand steht nicht dafür.

        Ich denke mir ja eher, dass da wieder mal ein paar gut lobbyierende Firmen einigen eher technologiefernen Politikern und/oder Bürokraten was eingeredet haben, von dem sie ohnehin selbst wissen, dass es eigentlich nicht funktioniert oder nichts bringt. Da geht dann ein Mords-Zirkus los mit Dienstreisen, Konferenzen, und am Ende haben alle gut gewohnt, gut gespeist und interessante Orte gesehen. Korrigiert mich, aber ich hab da eigentlich nur Angst ums Geld.

  7. Wenn das so gut klappt wie bei den Nacktscannern, dann haben zumindest Terroristen nichts zu befürchten.

  8. Liest sich für mich eher so, als ginge es um „illegale Gegenstände“ nach Waffengesetz usw als um gebrannte DVDs. So flughafenkontrollmäßig. Besser wird’s dadurch aber auch nicht…

  9. Ist doch gut, wenn noch nicht alle Bereiche totaler Überwachung abgedeckt sind, dann gibt es noch weitere Lücken, die man eifrig schließen kann. Alles auf dem langen Weg zum gläsernen Menschen.

  10. Da man weder digitale Raubkopien noch realweltliche Produktpiraterie per Durchleuchten so richtig doll erkennen kann, vermute ich mal, dass mit „illegale Produkte“ Dinge wie die in den Kommentaren schon erwähnten Waffen oder zum Beispiel auch geschützte Arten gemeint sein könnten. Eine seltene Koralle, ein Haifischgebiss oder ein ausgestopfter Ozelot sollten sich damit doch sicher gut erkennen lassen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.