Homepageüberwachung in NRW: Innenministerium meldet drei weitere Fälle, verschweigt immer noch mindestens einen

Polizeibehörden des Landes Nordrhein-Westfalen haben in 22 statt 19 Fällen die Besucher ihrer Webseiten überwacht. Das bestätigte Innenminister Jäger und korrigierte damit seine eigene Auskunft, nachdem ein weiterer Fall bekannt wurde. Ob damit jetzt wirklich alle Homepageüberwachungen bekannt sind, darf bezweifelt werden, das Bundesinnenministerium meldet einen weiteren Fall.

Vor einer Woche berichtete netzpolitik.org, dass Polizeibehörden des Landes Nordrhein-Westfalen in 19 Fällen eine so genannte „Homepageüberwachung“ durchgeführt haben. Dabei werden „sämtliche Internetzugriffe auf eine bestimmte Seite der Homepage … erhoben, gespeichert und ausgewertet“ und bei „besonders auffälligen Zugriffen“ die Anschlussinhaber hinter den zugreifenden IP-Adressen ermittelt. Am Wochenende berichteten wir dann, dass auch bei den Ermittlungen zum Nagelbomben-Attentat in Köln eine Homepageüberwachung durchgeführt wurde, die in der ursprünglichen Antwort nicht erwähnt wurde.

Jetzt hat das Ministerium für Inneres und Kommunales NRW diesen und zwei weitere Fälle zugegeben. In einem Brief an den Landtag schreibt Innenminister Ralf Jäger (SPD):

Nunmehr habe ich festgestellt, dass in drei weiteren Fällen, darunter auch im Zuge der Ermittlungen zu dem Sprengstoffanschlag in der Kölner Keupstraße am 94 Juni 2004, eine sogenannte Homepageüberwachung durchgeführt wurde. Bei den anderen beiden Fällen handelte es sich um Ermittlungen zu Tötungsdelikten. Das Polizeipräsidium Köln hatte es versäumt, mir diese Maßnahmen zu melden, so dass sie in meiner Antwort keine Berücksichtigung gefunden haben. Das Polizeipräsidium Köln bedauert seinen Fehler sehr und entschuldigt sich ausdrücklich.

In einem Neudruck der kleinen Antwort auf die kleine Anfrage des Piraten-Abgeordneten Dirk Schatz sind diese drei Fälle nun aufgenommen worden. Die Gesamtzahl der Homepageüberwachungen im Land NRW steigt damit von 19 auf 22.

Zur Erhebung der Zahlen schrieb das Landeskriminalamt alle 47 Polizeibehörden des Landes an und fragte jeweils nach den Zahlen. Gegenüber netzpolitik.org betonte ein Sprecher des Innenministeriums, dass er „nicht nachvollziehen kann“, warum das nicht gleich gemeldet wurde.

Wir fragen uns natürlich, ob das jetzt auch wirklich alle Fälle waren. Wohl nicht, wie Pascal Beucker auf taz.de hinweist. Im September berichtete netzpolitik.org über eine Auskunft der Bundesregierung über Homepageüberwachungen vom Bundeskriminalamt. Damals berichtete das Bundesinnenministerium:

Die Bundespolizei hat im Jahre 2006 der Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen und der zuständigen sachleitenden Staatsanwaltschaft eine Website mit einer Öffentlichkeitsfahndung innerhalb der Bundespolizei-internetpräsenz zur Verfügung gestellt. Die Homepageüberwachung dieser Website erfolgte jedoch nicht durch die Bundespolizei, sondern lag in der Zuständigkeit des Polizeipräsidiums Essen.

In der neuen Antwort des NRW-Innenministers fehlt auch dieser Fall. Auf Anfrage von netzpolitik.org wusste man im Ministerium davon ebenfalls nichts. Man werde sich nochmal erkundigen, hieß es.

Auch in einem weiteren Fall haben wir noch keine befriedigende Antwort. Im Jahr 2009 kamen Justiz- und Innenministerium des Bundes zu dem Schluss, dass die Homepageüberwachung illegal ist. Dieser Einschätzung schloss sich auch das Innenministerium NRW an und wies die Polizeibehörden des Landes an, diese Maßnahme nicht mehr von sich aus anzuwenden. Trotzdem führte die Polizei in Mönchengladbach im Herbst 2010 eine weitere Homepageüberwachung durch, mit Beschluss vom Amtsgericht Krefeld. Auf eine Anfrage von netzpolitik.org sagte ein Pressesprecher des Gerichte, man gebe „grundsätzlich keine Antwort auf derartige Anfragen.“y

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Eine Ergänzung

  1. Ob ihnen die Fälle auch alle nur auf Nachfrage einfallen würden, wenn sie damit hätten prahlen können?

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.