Funkzellenabfrage im Bundestag

Im Moment findet im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags die Anhörung zu Funkzellenabfragen statt.

Die Linke fordert in einem Gesetzentwurf die Abschaffung der nichtindividualisierten Funkzellenabfrage nach §100g der Strafprozessordnung, in dem es heißt

Abweichend von § 100b Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 genügt im Falle einer Straftat von erheblicher Bedeutung eine räumlich und zeitlich hinreichend bestimmte Bezeichnung der Telekommunikation, wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.

Die Grünen wollen dagegen die Strafprozessordnung insofern präzisieren, dass die Funkzellenabfragen besser dokumentiert werden und statt auf Straftaten von „erheblicher Bedeutung“ auf „in § 100a Absatz 2 bezeichnete[…] Straftat[en] von auch im Einzelfall erheblicher Bedeutung“ angewendet wird. Außerdem soll der Richtervorbehalt erweitert werden.

Unter den Sachverständigen ist die Meinung gespalten: Der Deutsche Anwaltverein befürwortet den Entwurf der Linken. Durch eine Abschaffung von §100g Absatz 2 sei es im Gegensatz zur Neufassung möglich, die massenhaften Grundrechtseingriffe einzudämmen. Eine Beeinträchtigung der Ermittlungsarbeit sei nicht zu erwarten, da Absatz 1 nach wie vor die Möglichkeit böte, in konkreten Verdachtsfällen individualisierte Funkzellenabfragen durchzuführen.

Für den sächsischen Datenschutzbeauftragten ginge eine Abschaffung zu weit, er plädiert für eine ähnliche Formulierungsänderung wie die Grünen und bittet auch die Regierungsparteien, sich des Problems anzunehmen. Ähnlich sieht dies der berliner Richter und Verfassungsrechtler Ulf Buermeyer.

In mehreren Stellungnahmen verschiedener Ober- und Generalstaatsanwälte wird dagegen Verwunderung über das in den Gesetzesentwürfen zum Ausdruck kommende Mißtrauen gegenüber den Ermittungsbehörden geäußert und behauptet, dass unverhältnismäßiger Einsatz wie in Dresden eine Ausnahme darstelle. Der Oberstaatsanwalt bei der Generalstaatsanwaltschaft München meint beispielsweise:

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Gesetzentwürfe und ihre Begründungen ein erhebliches Misstrauen gegenüber Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichten erkennen lassen, welches jedoch nicht gerechtfertigt ist und die Aufklärung von Straftaten in den Hintergrund rücken lässt.
Die Vorgänge um die Funkzellenauswertung in Dresden stellen einen Ausnahmefall dar.

In der Stellungnahme des leitenden Oberstaatsanwalts aus Leipzig findet sich denn auch noch der übliche weitergehende Vorschlag:

Es wäre […] wünschenswert, wenn vorrangig das Augenmerk auf eine – nach wie vor ausstehende, aber dringend erforderliche – verfassungskonforme Regelung zur Vorratsdatenspeicherung gerichtet würde und nicht auf eine Einschränkung oder gar Aufhebung der derzeit aufgrund einzelner Ereignisse wie in Dresden in den Fokus geratenen FZA.

Die eigenen Stellungnahmen sollten die Ermittlungsbehörden sich nochmal genauer anschauen, um herauszufinden, woher dieses seltsame Misstrauen kommt.

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11 Ergänzungen

  1. Naja, wenn ihr mit den „Spielzeugen“ die ihr bekommen habt nicht verantwortungsvoll umgehen könnt, dann müssen „wir“ sie euch eben wieder wegnehmen.

  2. In den letzten Tagen habe ich versucht herauszubekommen wie genau so ein Handy, wenn es nicht telefoniert, funktioniert.
    Demnach meldet es sich regelmäßig in einem bestimmten Bereich mehrerer Basisstationen (Türme) an. Wenn es einen Bereich von mehreren Basisstationen verlässt meldet es sich neu an um zu sagen jetzt bin ich hier. Das bedeutet aber es kann in einem Radius von 10 und mehr Kilometer sein. Je nachdem wie die Basisstationen zusammengefasst sind.
    Mir sagt es das diese 14 Millionen Daten nur exakt sind wenn das Handy benutzt wird oder eine Stille SMS bekommt. Also sie haben einen riesigen Datenfriedhof angelegt der zu nichts zu gebrauchen ist.
    Wenn einer mehr Infos dazu hat bitte melden.

    1. Ich denke, Datenfriedhof ist kein gutes Bild .. (auf/in Friedhöfen findet ja nicht Nichts statt); vielleicht ist Daten-Schrottplatz ein besseres Bild?

      Dass ‚zuviel Information‘ ein Problem sein könnte, will ich nicht bestreiten; aber beim Informationsgehalt kommt es auf die Qualität der Auswertung an, die -im Laufe der Zeit- besser werden kann; um entscheiden zu können, was an gesammelter Information – zur Zeit und im Moment – ‚Datenschrott‘ ist .. aber vielleicht später ‚hilfreich‘. Die Gier nach Daten und die Datensammelwut erscheinen mir ebenso maßlos, wie die Versuche, Informationen über die Existenz von Daten zu verheimlichen und zu verstecken.

      Vielleicht (falls noch nicht gehört) als Tipp, die Audio-Mitschnitte von [0] Dort speziell Eric in der 1. Audiodatei! Vielleicht suchst/findest Du andere Vorträge von ihm. Oder findest etwas unter dem Stichwort „Polizeidatenbank’en‘.

      [0] http://netzpolitik.org/2012/livestream-soziale-bewegungen-im-digitalen-tsunami/

      1. Ein Handy das nicht telefoniert ist in ein Location Area registriert, das ist die Zusammenfassung mehrerer Zellen (Sendemasten). Durch eine Abfrage der Polizei wird also nicht der Sendemast sonder der Bereich von Sendemasten ermittelt, die Location Area. Nur von einem aktiven Handy ist der Sendemast zu ermitteln von allen anderen der Bereich und so auch alle Anwohner eines Stadtviertels. Auch alle die sich in dem Gebiet bewegen. Erst wenn das Handy die Location Area verlässt meldet es sich neu an und das nennt sich Location Update was auch regelmäßig gemacht wird in Intervallen von 1 bis 5 Stunden.
        http://tkhf.adaxas.net/cd2/26%20KZF%20GSM%20Systemstruktur.pdf
        Es bleibt ein Datenfriedhof.

  3. Polizei, Richter’Innen, Staatsanwälte und deren parteipolitische Steuerung… „Vertrauen“ ist ‚die Gefahr‘, in zentralistisch-hierarchischen Systemen, denen autoritäre, totale Institutionen und absolute Alternativlosigkeit immanent sind.

    Misstrauen ist alles Mögliche, und eben darin stecken (Autor:Kilian verweist darauf) die Chancen auf gemeinsam kontrolliert- und entschiedene Verbesserungen, statt parteipolitischer Steuerung in egoistischen Klientel-Interessen.

  4. Ja, ja, der Datenschutz. Zu Weilen finde ich die innerdeutschen Diskussionen zum Thema Datenschutz wirklich ermüdent. Gefühlt jeder 2te beglückt den Rest der Welt mit detaillierten Auszügen seines Lebens via Facebook & Co. Google wird rund um die Uhr gefüttert und auf Amazon werden Wunschzettel mit den beliebtesten persönlichen Konsumgütern erstellt. Die Jugend strebt, glaubt man den Einschaltquoten des TV, ausschließlich ein Leben als Star in der Öffentlichkeit an. Wenn ich so recht drüber nachdenke, frage ich mich welche Daten der Staat denn noch darüber hinaus erheben kann???

    1. Aber ja, die Kritik ist im Kern berechtigt. Wir müssen endlich dezentrale soziale Netzwerke und einen effektiven Datenschutz schaffen der auch durchgesetzt wird.

    2. der Unterschied ist ja, dass ich bei TwittBook+ weitestgehend selber bestimme, welche Daten ich preisgebe. Und ich kann mich informieren, wie diese Daten benutzt werden.
      Die staatlichen Schnüffler sagen ja noch nicht mal bescheid, wenn sie jemandes Grundrechte verletzt haben.

    3. … und das Facebookdaten nicht öffentlich sind. Ich habe als Nichtmitglied so gut wie keinen Zugriff auf FB Seiten. Eben habe ich auch mal versucht über yasni.de Informationen von Leuten die bei FB sind zu bekommen, es scheint nicht möglich zu sein, es werden keine Daten angezeigt.

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