EuGH: Programmiersprachen sind nicht urheberrechtlich geschützt

Der Europäische Gerichtshof hat heute entschieden, dass Programmiersprachen und die Funktionalität von Computerprogrammen nicht urheberrechtlich geschützt werden können. In der Rechtssache C-406/10 ging es um einen Konflikt zwischen dem SAS Institute, Entwickler einer eigenen Programmiersprache, und der Firma World Programming Ltd, die auf der SAS-Sprache aufbaute, um eine alternative Software anzubieten.

In der Pressemitteilung (pdf) zum Urteil erklärte der EuGH:

weder die Funktionalität eines Computerprogramms noch die Programmiersprache oder das Dateiformat, die im Rahmen eines Computerprogramms verwendet werden, um bestimmte Funktionen des Programms zu nutzen, eine Ausdrucksform darstellen.

Ließe man nämlich zu, dass die Funktionalität eines Computerprogramms urheberrechtlich geschützt wird, würde man zum Schaden des technischen Fortschritts und der industriellen Entwicklung die Möglichkeit eröffnen, Ideen zu monopolisieren.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

14 Ergänzungen

  1. Was bedeutet das jetzt konkret? Dürfte man Funktionen, wie etwa das 1-Klick-Patent von Amazon, nun nachbauen?

  2. Viel wichtiger als der im Artikel beschriebene Teil erscheint mir folgender Satz aus der Pressemitteilung:
    Zweitens stellt der Gerichtshof zum einen fest, dass nach der Richtlinie über den Rechtsschutz von Computerprogrammen der Erwerber einer Softwarelizenz berechtigt ist, das Funktionieren eines
    Computerprogramms zu beobachten, zu untersuchen oder zu testen, um die einem Programmelement zugrunde liegenden Ideen und Grundsätze zu ermitteln. Vertragliche Bestimmungen, die im Widerspruch zu diesem Recht stehen, sind UNWIRKSAM.

    Das bedeutet, dass reverse Engineering erlaubt ist, bzw. das Verbot in einer Lizenzvereinbarzung unwirksam und nichtig ist!

  3. Das Urteil des EuGH ist nichts neues, im Grunde genau das, was im TRIPS-Abkommen definiert wurde („2. Copyright protection shall extend to expressions and not to ideas, procedures, methods of operation or mathematical concepts as such.“) .

    Der Kernsatz im Ur lautet:
    „Auf der Grundlage dieser Erwägungen entscheidet der Gerichtshof, dass weder die Funktionalität eines Computerprogramms noch die Programmiersprache oder das Dateiformat, die im Rahmen eines Computerprogramms verwendet werden, um bestimmte Funktionen des Programms zu nutzen, eine Ausdrucksform darstellen. Daher genießen sie keinen urheberrechtlichen Schutz.“

    Das heißt, dass immer nur eine konkrete Ausformung eines Programms (vorliegender Quellcode) urheberrechtlichen Schutz genießen kann, jedoch nicht die Ideen und Konzepte die dahinter stehen. Man darf also die Funktionität an sich nachbauen, aber halt nicht abschreiben.

    Weil die ersten Kommtatoren fragen zu Softwarepatenten hatten:
    Reine Softwarepatente sind in der EU und in Deutschland nicht zulässig, „Software als solche“ kann nicht patentiert werden.
    Das Problem ist, dass Software als Teil einer Erfindung patentiert werden kann, wie etwa bei dem Anti-Blockier-System, wo die Software als Komponente auch unter den Patentschutz fällt.

  4. Man stelle vor, der Jan van Eyck hätte urheberrechtlichen Schutz auf seine Technik der Ölmalerei verlangt. Insofern eine absolut logische und richtige Entscheidung des EuGH.

  5. Interessant, auch weil es im Fal Oracle v Google gerade um eine ähnliche Frage geht. Und dort wird sich Oracle, unabhängig vom Urteil der Jury, noch eine lutige Nase holen….

  6. vorsicht mit dem begriff „reverse engineering“. „abgucken und selber formulieren!“ ist nicht das klassische reverse engineering (z.b. bei datenbanken oder oo-diagrammen). hier wage ich zu bezweifeln dass die rückführung des quellcodes beispielsweise aus dem compilat (durch recompilieren oder dem db schema) urheberrechtlich erlaubt ist.

  7. So würde ich es interpretieren:

    Die Benutzung einer API (Schnittstelle) einer Software ist generell im Rahmen der normalen Nutzung mit inbegriffen. Ebenso die Ausforschung ihrer Funktionalität.

    Wenn ich eine eigne Implemenierung mit gleicher Schnittstelle und Funktionalität entwickle, Verletze ich dabei keine Uhrheberrechte. (Ich benutze ja schließlich in dem Moment die gleichen Begrifflichkeiten.) Evtl. durch die Schnittstelle gegeben sind möglicher weise einige Code-Blöcke gleich.
    Bei der Funktionalität müsste ich jedoch auf Patente Rücksicht nehmen, sollte ich die compilete Software in dem vom Patent betroffenen Gebieten verkaufen wollen.

    Das Kopieren fremder Codes/Software/Dokumentation ohne entsprecheende Lizenz ist damit wahrscheinlich nicht gedeckt.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.