Dokumentation: WikiLeaks – Geheimnisse und Lügen

Auf ARTE lief gestern eine US-Dokumentation über „WikiLeaks – Geheimnisse und Lügen„. Ich hab sie noch nicht gesehen, die nächsten Tage steht sie aber in der Mediathek, bzw. hier:

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10 Ergänzungen

  1. Gibt es irgend einen Trick, um das bequem runterzuladen?

    Ich habe es damit versucht, aber früher oder später brichts (obwohl noch lange nicht vollständig) mit der Behauptung, es wäre EOF erreicht, ab:

    mplayer
    „rtmp://artestras.fcod.llnwd.net/a3903/o35/mp4:geo/videothek/default/arteprod/A7_SGT_ENC_04_044658-000-A_PG_HQ_DE?h=a31c19cc5b2ce39f320d439b21bd1e4a“ -cache 8192 -dumpstream -dumpfile WikiLeaks.dump

    Danke vorab!

    1. Damit hatte ich mich gestern auch beschäftigt und bin auf die Software MediathekView gestoßen – sie ist übrigens plattformunabhängig. So richtig hat die Software dann aber doch nicht in Verbindung mit dem ARTE-Stream funktioniert.
      Schlussendlich konnte ich es mit der Software flvstreamer über die Konsole herunterladen:
      flvstreamer -r rtmp://artestras.fcod.llnwd.net/a3903/o35/mp4:geo/videothek/default/arteprod/A7_SGT_ENC_04_044658-000-A_PG_HQ_DE?h=a31c19cc5b2ce39f320d439b21bd1e4a > WL-GuL.mp4

  2. Interessante Doku!

    Ich würde behaupten, dass, selbst wenn man das aufmerksam verfolgt hat, was um und mit Wikileaks und Assange geschah, man aus der Doku noch etwas mehr lernen kann, möglicherweise gar über sich selbst.
    Der chronologische Aufbau – wer, was, wo, wann – trägt da enorm zu bei, vor allem, weil man im Zuge der gesamten Berichterstattung und Ereignisse durchaus den Überblick verlieren konnte.
    Dabei ist diese Doku nicht absolut neutral (es geht letztlich darum, den Zuschauer zu einem moralischen Urtiel zu bewegen – nicht über Wikileaks, sondern über Assange), aber sie stellt gleichzeitig mit in den Raum, wie es zu dieser „Aufforderung“ kommt: ratlosigkeit angesichts eines noch im Gange sich befindenden historischen Ereignisses. Kurz gesagt werden Assange-Fanboys die Sache nicht mögen, da Assange keine Apologie geredet wird. Gleichzeitig wird aber niemandem eine Apologie geredet, was in dem Punkt fair scheint.
    Spätestens nach der Hälfte der Doku kommt man wohl nicht mehr um den Eindruck herum, der zum Schluss der Doku auch explizit genannt wird: dass das insgesamt betrachtet einer griechischen Tragödie ähnelt („es begann triumphal und endete in einem Desaster“; wobei man hier gleichsam ansetzen muss: wieso „endete“??). Ein etwas unfaaires Moment dabei ist aber dennoch, dass die Fehltritte des Assange relativ nah beleuchtet werden, während man zu Fehlern bspw. der großen Zeitungen (Guardian, NYT, Spiegel, Le Monde, El Pais) mehr oder weniger die Randbemerkung „wir haben auch alle Fehler gemacht, ja, klar“ hört, also weit weniger nah beleuchtet. Einzig das devote Verhalten der NYTimes, 2 Wochen vor Veröffentlichung der Irak-Kriegstagebücher zur US-Regierung zu gehen und zu unterbreiten, was man zu veröffentlichen gedenkt und die daraus erwachsenden Probleme insbesondere für den Guardian, stechen in diesem Punkt heraus: ganz abgesehen davon, dass es doch recht viel verrät, wenn der Chefredakteur der NYTimes sagt, dass solcherlei Devotismus für die Zeitung NYTimes völlig normal sei, ist es durchaus auch interessant zu erfahren, was die Britannische Presse damit zu tun hat (sie kann offensichtlich auf recht einfachem Wege seitens der US-Regierung gewzungen werden, bestimmte Publikation zu unterbinden und zwar mittels Amtshilfe – bezüglich dieser haben GB und die USA offenbar auch pressetechnisch ein ganz eigenes Verhältnis, das den Geschmack von Kolonie nicht los wird).

    Ebenfalls interessant sind auch gewisse Aussagen Assanges, bei denen ich doch ein wenig schlucken musste ob ihrer relativen Kälte oder ihres offenen Zynismus. Gleichzeitig stellt die Doku es nicht unbedingt so hin, als sei dieser Mann ein Monster, aber er ist auch nicht als Heiliger abgebildet.
    Was mir an der Doku allerdings doch gefehlt hat, ist ein sozusagen etwas differenzierter Blickwinkel auf die Problemlage, in die man gerät, wenn man plötzlich für diverse Regierungen dieser Welt als Einzelperson auf den Abschusslisten steht; was das aus einem machen kann. Es wirkt ein bisschen tendenziös insofern, als leicht suggeriert wird, der Assange wäre doch irgendwie schon immer dieser Mensch da gewesen, der rücksichtsolos nicht redigierte Depeschen (Depeschen, die an sich Unschuldige gefährden könnten) veröffentlicht (die letzten 250.000 ganz unredigierten sind damit gemeint). Es wird so dargestellt, als ob das eher eine reine Tat des egomanen Wahnsinns gewesen sei – wobei die relativ einfach verständliche Erzürnung bspw der verschiedenen Zeitungen dazu auch gezeigt wird – womit ich sagen will, dass das an sich menschliche Verhalten, in größerer Angst möglicher Weise noch größere Dummehiten zu begehen, dem Assange irgendwie nicht so ganz zu gestanden wird (wie über die mögliche Angst dieses Mannes selten viel erzählt wird – als hätte er sie wohl nicht). Das wäre in meinen Augen aber wichtig, nicht, um den Mann zu entschuldigen, sondern um das Handeln besser zu erfassen und zu verstehen. Man könnte es so formulieren, dass in der Doku ein wenig untergeht, dass eine Organisation von ein paar dutzend Personen weltweit – Wikileaks – in Anführerschaft eines in der Tat kritikwürdigen Mannes, es mit den absoluten Größen der Print-Medienwelt und allen möglichen internationalen politischen Akteueren und Institutionen aufgenommen hat, ihnen diverse Spiegel zu zeigen, die sie so ungern sehen – und dabei durchaus colateral damage angerichtet hat. Das Tragische der Sache wird nicht in Abrede gestellt, aber die „Schuld“ für das „Verhängnis“ (eine an sich schon etwas sinnwidrige Konsturkion, da natürlicher Weise Gegensätze) wird doch etwas einseitig in Richtung Assange geschoben – der niemals lügen darf, da er der Messias der Wahrheit sei – zu Gunsten der publizierenden Unternehmen, die (scheinbar) ohnehin niemals so richtig die Wahrheit sagen, weswegen deren Verlogenheit auch nicht weiter ins Gewicht fällt. Diese Tendenz, dem Assange das Recht auf Lüge abzusprechen (insbesondere angesichts seiner Situation), welches sonst jedem zu steht, wirkt einfach etwas ärmlich. Dies bezieht sich in der Doku insbesondere auf die schwedischen Vergewaltigungsvorwürfe, wobei Assanges Reaktion, dahinter eine Kampagne zu vermuten dahingehend als absurd hingestellt wird, dass er behauptet hat, er habe noch vor der Anklage Informationen eines Geheimdienstes bekommen (im Film wird zunächst vom australischen geredet, dann aber der CIA genannt…). Damit will ich sagen, dass es durchaus möglich ist, dass der Assange da gelogen hat, wiefern die ganze Anklage vielleicht ihre Berechtigung hat, der Gedanke einer staatlich induzierten Kampagne gegen ihn deswegen aber nicht absurd wird. Gerade hier kann man – wie eingangs erwähnt – eben etwas über sich selbst lernen: als man zuerst hörte, der Assange sei in Schweden der Vergewaltigung angeklagt: wer dachte zuerst, dass sei eine Kampagne gegen Assange und wikileaks und wer dachte, dass diese Vergewaltigungsvorwürfe frei von politischem Interesse sind und also sicherlich wahr? Im Zuge der ganzen Doku kann man sich immer wieder in solchen Situationen finden, gesetzt den Fall, man erinnert sich noch an sein eigenes Verhalten.

    Wenn man aber beim Anschauen der Doku im Hinterkopf hat, dass auch ARTE nun nicht eben die Revolution televisen wird (we all know: it will be streamed!), dann ist man gegen diese suggestive Art der tendenziösen Beeinflussung schon relativ gut am Start und die Doku damit nicht nur eine Auffrischung und vielleicht auch Informationsquelle, sondern auch ein relativ interessantes historisches Dokument über eine Organisation, die Geschichte gemacht hat und zwar eine solche Geschichte, mit der gerade noch niemand so richtig weiß, was damit anzufangen ist und wie es weitergehen könnte. Diese Ratlosigkeit – von der man fast behaupten will, dass sie selbst Grund für das Erstellen dieser Doku war – die uns letztlich alle betrifft, drückt sich einem als Gefühl beim Anschauen dieser Doku doch relativ nachdrücklich auf und zwingt somit zur Wahrnehmung eines gegenwärtigen Zustands („Die Frage danach, wer wir eigentlich gerade sind.“), der nicht gerade geschwätzig thematisiert wird, ohne das jemand weiß, wieso eigentlich nicht.

    1. Der ganze Personenkult ist doch Unsinn. Wir wissen doch genau, dass Wikileaks nur ein Medienphänomen ist hinter dem nicht viel auf der technisch-organisatorischen Seite steckt. Früher war das mal ein Wiki, das einzelne klassifizierte Dokumente neutral veröffentlichte. Das fand ich ok. Man sieht im Bericht klar, dass da Personen mit Material umgehen, dass viel zu heiss für sie ist. So eine Art Golem. Viel zu viel Selbstgerechtigkeit und moralische Überforderung.

    2. „interessant sind auch gewisse Aussagen Assanges, bei denen ich doch ein wenig schlucken musste ob ihrer relativen Kälte oder ihres offenen Zynismus. Gleichzeitig stellt die Doku es nicht unbedingt so hin, als sei dieser Mann ein Monster“
      da bist du leider REINGEFALLEN, aber auf eine echt profimäßig gemachte TV-Propaganda: klar lässt die Doku Assange als „Monster“ bezeichnen -die donnert dich nur so mit süffigen Bildern zu, dass du es hinterher nicht mehr wusstest -schau sie dir mehrmals an, dann merkst du auch, dass sie nix Neues bringt und nur Beschuldigungen und Verleumdungen aufwärmt und sie wiederholt und wiederholt und wiederholt, aber so raffiniert, dass es nicht langweilig wird. Die „zynischen“ Aussagen von Assange sind aus dem kontext gerissen -wissen wir, wie lange der Reporter vorher zynisch auf ihn einredete, um sowas herauszulocken? (aus 4 Std. Interview wurden wenige Minuter rausgeschnitten!). Aber es gibt trotz all der Propaganda (das war ja nur das übelste Stück Dreck, das auf Wikileaks geworfen wurde) haben Assange & Friends in Deutschland noch Anhänger:
      http://hamburger-anon.blogspot.de/2012/09/gastbeitrag-guardian-doku-einseitige.html
      (wenn auch nicht unbedingt hier bei „netzpolitik“)

  3. Meiner Meinug nach ist die im Infotainment-Stil gemachte Doku extrem einseitig, verzerrend und Teil einer Kampagne zur Zerstörung von Wikileaks.
    Dafür wir Assange als schwächstes Glied und Medienface persönlich mit unfairen, verzerrenden Mitteln angegriffen.
    Die Guardian-Leute stellen sich selbst in ein glänzendes Licht und reklamieren allen Ruhm für sich (nix neeues bei Top-Journalisten).
    Neue Informationen sind in der Doku nicht enthalten, sie sammelt und übertreibt nur alles nochmal, was je gegen WL gesagt wurde und räumt WL selbst keine Chance zur Gegenrede ein -das Assange-Interview ist ein Witz (8Min. aus 4 Std. manipulativ zusammengeschnitten, so dass Assange als Monster dasteht)

  4. und hier noch mal die ausführliche Kritik (eine noch weiter ausgearbeitete Version ist bei Netzpolitik.org als Beitrag eingereicht, aber noch nicht zur Kenntnis genommen worden…

    Medienmüll zur Zerstörung von Wikileaks:
    ZDF/arte-Doku feuert aus allen Propaganda-Rohren

    Die Doku „Wikileaks – Geheimnisse und Lügen“ beginnt mit reißerischen Thesen zu hektischen Videoschnipseln: „Der größte Geheimnisverrat der Geschichte!“(Julian Assange auf einer Pressekonferenz sagt: „Hier geht es um die Wahrheit!“) „In seinem Sog fallen Diktatoren, werden Verfehlungen aufgedeckt und eine Supermacht gedemütigt“. Dann fragt die Doku bedeutungsvoll aus dem Off: „Macht das Verhalten eines einzelnen Mannes aus dem Triumph ein Desaster?“

    Diese Frage wird Patrick Forbes am Ende zum Ergebnis der Doku gemacht haben (1). Er bietet dafür ein nach allen Regeln der Propaganda-Kunst ausgefeiltes Filmmachwerk auf: Schon Josef Goebbels wusste, professionelle Propaganda darf nicht als Meinung oder Kommentar auftreten, sondern sollte als scheinbar reine Meldung durch Auswahl die Tendenz vorgeben (2). Daran hält sich die Doku – und ihre Auswahl hat es in sich. Das im Vorfeld hochgejubelte neue Interview mit Assange wird zerhackt und in kleinen Happen zwischen suggestive Filmschnipsel geschnitten. Am Ende hat man nichts Neues erfahren, aber fast alle Vorwürfe gegen Wikileaks wurden wieder aufgewärmt, kritiklos als Wahrheit aufgetischt und Assange als Buhmann angehängt. Etablierte Medien feiern die Doku begeistert, z.B. Spiegel-Online freute sich:
    Anzeige

    „Geradezu genüsslich nimmt Forbes das Projekt WikiLeaks auseinander. Das ist brutal – und gerechtfertigt. Wo WikiLeaks wütet, so erzählt es der Film, gibt es Kollateralschäden. Die Wahrheit fordert Opfer, und eines davon wartet in einem Militärgefängnis in den USA auf sein Urteil. Wenn Bradley Manning nicht durch die Hand eines Henkers stirbt, dann wird er vermutlich bis zu seinem Lebensende gefangen gehalten werden. Er hatte sich selbst in einem Chat als Quelle von WikiLeaks enttarnt.“ (3)

    Daniel Domscheit-Berg ist der erste einer ganzen Phalanx von früheren Assange-Mitstreitern, die heute seine Gegner sind. Sie alle lässt der Film gegen den Wikileaks-Gründer aufmarschieren. In Szene gesetzt werden sie meist nach demselben Muster: Zuerst dürfen sie beschreiben, wie nett sie „Julian“ anfangs fanden, wie gut sie mit ihm zusammenarbeiteten, aber dann zeigte Assange ihnen sein wahres Gesicht: Die Fratze eines Lügners, Mafiosos und Irren, eines wahren Ungeheuers. Die Doku schneidet die Statements so geschickt zusammen, dass der Zuschauer innerhalb einer Dreiviertelstunde langsam und schleichend vom Bild des mutigen kompetenten Julian zu einem immer unsympathischer, unberechenbarer agierenden Egomanen Assange geführt wird.

    Die Hauptzeugen der Anklage kommen vom Guardian: David Leigh und Nick Davies. Sie loben erst ihren Julian über den grünen Klee, beschreiben die Zusammenarbeit mit ihm aber als schwierig, er sei wie ein Kultführer, der nicht von diesem Planeten stamme.

    David Leigh: „Um fünf Uhr, am Ende seines Arbeitspensums, fiel er um und schlief in seiner zugeknöpften Lederjacke ein. Solche Dinge gaben einem das Gefühl, man hätte es mit jemandem zu tun, der nicht von diesem Planeten ist. (…) Julian umgab ein seltsames Charisma, er benahm sich, als sei er ein Kultführer. Wir machten sehr bald Witze über die Leute um ihn herum, die Brause-Limonade tranken.“

    Afghanistan-Warlogs: ‚An Wikileaks klebt Bluuuut‘

    Die Darstellung der Publikation der Afghanistan Warlogs durch die Allianz von Guardian, New York Times (NYT) und Spiegel konzentriert sich ganz auf den medialen Gegenschlag der USA. Aber sie analysiert ihn nicht, sondern übernimmt ihn voll und ganz als Wahrheit, ja als Hauptskandal an der Enthüllung:

    „48 Stunden lang sprach die ganze Welt von zivilen Opfern und von Taskforce 373, dann fand die NYT auf Wikileaks Dokumente, die eindeutig die Sicherheit afghanischer Zivilisten gefährdeten.“

    US-TV: „An Wikileaks Händen klebt Blut!“ (An dieser Stelle der ZDF-Doku wiederholt ein unheimlicher Hall-Effekt: „…klebt Bluuuuut!“, was offenbar Angst auslösen und das Blut, das angeblich an Wikileaks Händen klebt, ins Gedächtnis der Zuschauer einbrennen soll. (Minute 37:00 der Doku) Dann wiederholt ein weiterer Interviewter noch einmal das Wort „Blut“ in Bezug auf Wikileaks, Lindsey Graham (US-Senator, South Carolina): „… an deren Händen könnte Blut kleben!“

    Nebenher erfahren wir noch, dass Taskforce 373 ein US-Killerkommando ist, das Mordanschläge auf Verdächtige und ihre Familien durchführte, aber der Skandal ist der Geheimnisverrat und das Blut, das nun angeblich an den Händen von Assange klebt. Nach so viel Blut sind wir dann wohl reif für die rustikale Weltsicht eines Experten in dieser Materie, ein US-Soldat äußert seine Meinung:

    Christopher Heben (US-Navy-Seal): „Julian Assange und sein Haufen aufmüpfiger Dummköpfe denken, sie verschießen mal eben diese ganzen Informationen über den Globus und tragen damit zum Weltfrieden bei. Weiter entfernt von der Wahrheit könnte das gar nicht sein. Sie untergraben damit die Fähigkeit der NATO, für Stabilität in fast jeder Unruhe-Region der Welt zu sorgen … es gibt Drecksarbeit da draußen und die muss getan werden.“

    Zweifel über die Einhaltung der Genfer Konvention plagen den Navy-Seal ebenso wenig wie die Frage, wie viele Unschuldige als „Collateral Damage“ bei den Einsätzen von Taskforce 373 massakriert wurden – die Doku lässt das mal so stehen. Wichtig ist nur: Assange hat an allem Schuld.

    Inszeniert wird für uns ein Julian Assange, an dessen Händen Blut kleben soll. Blut klebt dort angeblich, weil seine Enthüllung der Verbrechen und Gräueltaten einige Informanten der US-Streitkräfte in Gefahr gebracht haben soll. Wohlgemerkt: Informanten, oder anders gesagt: Komplizen, derselben US-Streitkräfte, deren Verbrechen und Gräueltaten von Julian Assange aufgedeckt wurden. Einige von diesen Komplizen soll die Enthüllung nun in Gefahr gebracht haben? Aber dafür haben wir keinen einzigen Beweis, nur die Behauptungen seiner Gegner. Der Anwalt von Bradley Manning hat für seinen Klienten bereits mildernd geltend gemacht, dass kein einziges der angeblich blutigen Opfer des „Geheimnisverrats“ bislang nachgewiesen wurde. Wir haben also nur die in propagandistischer Absicht von Gegnern von Assange erhobene Beschuldigung. Der Doku ist das genug, ihr geht es um Assange.

    Assange – das Ungeheuer!

    Für die Starjournalisten ist am Wichtigsten, alle Top-Enthüllungen nur exklusiv zu bekommen. In helle Aufregung geraten sie, wenn auch andere eine Chance auf die Story ergattern könnten. Nick Davies jammert z.B., Julian Assange hätte die Dokumente an andere Medien weitergegeben, obwohl er sie Guardian & Co. exklusiv versprochen hätte „… obwohl wir Zehntausende Pfund investiert hatten!“ Davies vergisst die Millionen Pfund zu erwähnen, die sein Blatt durch die Allianz mit Wikileaks bislang schon verdient hatte. Davies über Assange:

    „Ich vermute, fast jeder, der ihm nahe kommt, erlebt das mit: Man beginnt ihn zu mögen und ihm zu vertrauen und plötzlich erscheint aus dem Nichts dieses Ungeheuer! (Davies zieht die Brauen hoch und rollt wild mit den Augen) Wo um Himmels Willen kommt das jetzt her! Plötzlich erkennt man diesen außergewöhnlich verlogenen Mann, ich bin niemals einem derart unehrlichen Menschen wie Julian Assange begegnet!“

    Der Wikileaks-Gründer schimpft vielleicht nicht ohne Grund über den britischen Journalismus, dieser sei die ehrloseste, nuttigste und hinterhältigste Industrie, die ihm je begegnet sei – und Nick Davies sei Teil dieser Industrie. Doch so, wie die Aussagen zusammengeschnitten werden, steht Julian Assange am Ende als Buhmann da. Sogar die Verhaftung und Folter Bradley Mannings wird ihm tendenziell in die Schuhe geschoben, dabei übernimmt die Doku auch hier die Version der US-Regierung und stempelt den mutmaßlichen Whistleblower bereits jetzt zum Schuldigen und Opfer der rücksichtslosen Enthüllungen von Assange. Manning stand jüngst in seiner Vorverhandlung vor dem Militärgericht in Fort Meade, Maryland (4).

    Manning hat keineswegs gestanden, geschweige denn Assange belastet. Es ist gut möglich, dass dem unbequemen jungen Soldaten die ganze Sache nur angehängt wurde – Beweise sind nur Screenshots eines Chats, in dem er angeblich zugab, die Geheimdateien geleakt zu haben. Verhaftet wurde er nach „Collateral Murder“ und vor den „Afghan War Diaries“, zu einem Zeitpunkt, als die US-Streitkräfte nichts dringender brauchten als einen Sündenbock. Und ein Opfer, an dem sie ein abschreckendes Exempel statuieren konnten, um weitere Whistleblower einzuschüchtern. Die ZDF/arte-Doku zelebriert mit den Mitteln des Fernsehens Ähnliches an Assange – zufällig genau während in London über seine Auslieferung gerichtet wird.

    (1) „Wikileaks –Geheimnisse und Lügen“, Buch und Regie: Patrick Forbes, Redaktion: Reinhart Lohmann (ZDF), ZDF/arte-Doku, Erstausstrahlung auf Arte, 14.02.2012

    (2) Rueger, Gerd R., „Julian Assange -Die Zerstörung von WikiLeaks?“ Hamburg 2011, S.72ff. (Kapitel: „WikiLeaks, die Medien und Propaganda: Von Goebbels zu Big Brother“)

    (3) Reißmann, Ole, WikiLeaks-Doku auf Arte: Alle gegen Assange, 14.02.2012, http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/0,1518,815025,00.html

    (4) http://www.bradleymanning.org/news/notes-from-bradley-mannings-arraignment

    Und die Alleinschuld für die Depeschen-Passwort-Panne schiebt die Doku bzw. Mr.Leigh vom Guardian natürlich auch Assange in die Schuhe. Vgl. „Die Diskreditierung von Wikileaks basiert auf Lügen und Verdrehungen“,
    http://www.theintelligence.de/index.php/gesellschaft/volksverdummung/3263-die-diskreditierung-von-wikileaks-basiert-auf-luegen-und-verdrehungen.html

    vgl. wl-archiv
    http://174.120.17.199/index.php?topic=3881.0

    diese Filmkritik erschienen bei:
    http://www.theintelligence.de/index.php/gesellschaft/zeitgeist/4070-medienmuell-zur-zerstoerung-von-wikileaks-zdf-arte-doku-feuert-aus-allen-propaganda-rohren.html

  5. voll ausgearbeitet jetzt bei

    http://le-bohemien.net/2012/03/15/guardian-schiest-auf-assange/

    “Guardian” schießt auf Assange
    Mediale Hetzjagd auf Wikileaks-Gründer

    Von Gerd R. Rueger

    Ende 2010 brach nach den Enthüllungen von US-Kriegsverbrechen ein PR-Krieg über Wikileaks herein. Persönliche Angriffe auf Julian Assange, zudem ein US-gesteuerter Finanzboykott, und Hickhack um Exklusiv-Rechte, vor allem mit dem Guardian, machten der Whisteblower-Plattform zu schaffen. Jetzt erreichte eine Guardian-nahe TV-Dokumentation über Assange das deutsche Fernsehpublikum (Erstaustrahlung am 14.2.), in der hauptsächlich Guardian-Journalisten zu Wort kommen.

    Ergebnis der ZDF/Arte-Sendung “WikiLeaks – Geheimnisse und Lügen“: Den Guardian trifft keine Schuld an der Zerstörung von Wikileaks, keine Schuld an der öffentlichen Demontage des Wikileaks-Gründers und nicht einmal Schuld an der überstürzten Freigabe aller US-Depeschen. Und so lautet kurz gefasst die (Werbe-) Botschaft der Guardian-“Dokumentation”: Guardian gut, Wikileaks böse und Assange ist ein Ungeheuer.

    Guardian: Depeschen-Panne war nur Assange

    Das Passwort der verschlüsselt zirkulierenden Depeschen hatte zuerst der Guardian-Autor David Leigh in einem Buch veröffentlicht, mit der “Begründung”, Assange hätte gesagt, die Dateien würden sich bald selbst zerstören. Doch der Zuschauer erfährt nichts von diesem Disput (vgl. Rueger: Die Diskreditierung von Wikileaks basiert auf Lügen und Verdrehungen).

    Zu Wort kommt nur der Autor des besagten Buches selbst. Leigh wedelt mit einem Stück Papier vor der Kamera herum, ohne dass man es lesen könnte und behauptet dreist: “…dieses Stück Papier hat Assange geschrieben… Er sagte mir, dass dieser Ordner dann ablaufen würde, innerhalb von ein paar Stunden gelöscht würde… das hatte viel von James Bond.”
    Nur wer die ganze Geschichte kennt, kann hier ahnen, dass es sich wohl um das besagte Passwort handeln sollte. Aber mit dem Depeschen-Streit zwischen Assange und Guardian wird kein direkter Zusammenhang hergestellt, Assange wird die Alleinschuld in die Schuhe geschoben. Ohne dieses Hintergrundwissen fällt die unfaire Machart dieser Anklage kaum auf – Assange darf seine Version nicht gegen die des Guardian stellen.

    Presse, Profit und Propaganda

    Doch das ist nur der kleinste Brocken Dreck, den der Propaganda-Streifen auf Assange schleudert. Und kein Top-Journalist findet etwas dabei. Deutsche Medien feierten die Doku begeistert, Spiegel-Online freute sich: “Geradezu genüsslich nimmt Forbes das Projekt WikiLeaks auseinander. Das ist brutal –und gerechtfertigt.” Der Spiegel saß 2010 mit im Boot des Guardian, als man aus den Assange-Leaks eine Top-News nach der anderen zimmerte, Hunderte von Seiten füllte und dabei kräftig Kasse machte. Die Dokumentation bejubelt die Wikileaks-Presse-Allianz als Erfindung des Jahrhunderts und ein Guardian-Mann darf sich brüsten, die Allianz sei seine Idee gewesen.

    In Wahrheit war dies für Wikileaks schon der zweite Anlauf – 2009 hatte der damalige Assange-Vize, Domscheit-Berg, beim deutschen Toll-Collect-Leak schon mal eine Allianz mit dem “Stern” aus dem Hause Bertelsmann sowie dem Heise-Verlag (Telepolis) angeregt und war von der Hamburger Illustrierten weitgehend über den Löffel barbiert worden: Nur eine winzige Quellenangabe im kaum sichtbaren Artikel kam dabei heraus, aber Wikileaks gewann Erfahrung im Umgang mit knallharten Profi-Journalisten. [1]

    Wie nahe Presse, Profit und Propaganda wirklich bei einander liegen, musste das Hacker-Projekt leidvoll erfahren – doch selten so schmerzhaft wie in diesem Film. Stück für Stück wird der gute Ruf von Wikileaks in Patrick Forbes Dokumentation in den Schmutz gezogen, meist durch persönliche Angriffe auf Assange. Kein Wort von zahlreichen Auszeichnungen, von der Medaille der “Sidney Peace Foundation” für Assange oder vom deutschen “Whistleblower-Award” für Anonymous. [2] Kein Wort davon, dass Wikileaks schon im Gespräch für den Friedensnobelpreis war.

    Schon Josef Goebbels wusste: Professionelle Propaganda darf nicht als Meinung oder Kommentar auftreten, sondern sollte als reiner Bericht durch die Auswahl des Materials die Tendenz vorgeben [3]. Daran hält sich Forbes Darstellung – und seine Auswahl hat es in sich. Schwerer als das Depeschen-Debakel wiegen völlig haltlose Beschuldigungen, Assange hätte bezüglich der Vorwürfe sexuellen Missbrauchs gelogen, an seinen Händen würde “Blut kleben”, Quellenschutz wäre ihm unwichtig, ja er wäre sogar Schuld an der Inhaftierung des mutmaßlichen Whistleblowers Bradley Manning – und nicht CIA und Pentagon.

    Spiegel-Online: “Das ist brutal –und gerechtfertigt”

    Dies alles behauptet die Doku zwar nicht selbst, aber sie lässt einen Assange-Gegner nach dem anderen sprechen. Assange bekommt keine Chance, sich gegen den Wust an Beschuldigungen und Verleumdungen zu wehren. Die Doku führt seine Gegnerschar quasi als Zeugen der Anklage vor, ihre Aussagen als “Beweismaterial”, abgemischt mit unterstützenden TV-Bildern, Presseberichten und US-Statements. Raffiniert ausgewählte Assange-Passagen, die zu seiner Verteidigung nutzlos sind, werden eingestellt und erwecken den Eindruck einer fairen Rede und Gegenrede – doch fair ist hier gar nichts.

    Aus vier Stunden Interview mit Assange wurden nur acht Minuten heraus gefiltert, zerhackt und in kleinen Happen zwischen suggestive Filmschnipsel geschnitten. Es entsteht der Eindruck eines Tribunals, vor dem Assange auf die Vorwürfe antworten kann – doch was er sagen darf, bestimmen seine Ankläger. Am Ende hat man nichts Neues erfahren, aber sämtliche Vorwürfe gegen Wikileaks wurden aufgewärmt, als Wahrheit aufgetischt und alles was man nur irgend finden konnte, wurde Assange angehängt.

    Wikileaks-Abspalter und OpenLeaks-Gründer Domscheit-Berg ist der erste einer ganzen Phalanx von früheren Assange-Mitstreitern, die heute seine Gegner sind. Alle lässt der Film gegen den Wikileaks-Gründer aufmarschieren. In Szene gesetzt werden sie nach einem hinterhältigen Muster: Zuerst dürfen sie beschreiben, wie nett sie ihren “Julian” anfangs fanden, wie gut sie mit ihm zusammenarbeiteten, aber dann zeigte Assange ihnen angeblich sein “wahres” Gesicht: Die Fratze eines Lügners, Mafiosos und Irren, eines wahren Ungeheuers.

    Patrick Forbes Doku schneidet die Statements so raffiniert zusammen, dass der Zuschauer innerhalb einer Dreiviertelstunde langsam und schleichend vom Bild des mutigen kompetenten Julian zu einem immer unsympathischer agierenden Egomanen Assange geführt wird. Das ist bestimmt durchtrieben, vielleicht brutal – aber auch gerechtfertigt?

    Guardian: “Augen wie ein Mafioso”

    Die Hauptzeugen der Anklage kommen natürlich vom Guardian selbst: David Leigh und Nick Davies. Sie loben erst ihren Julian über den grünen Klee, beschreiben die Zusammenarbeit mit ihm aber als irgendwie merkwürdig. Er sei wie ein Kultführer, der nicht von diesem Planeten stamme. David Leigh beginnt leutselig:

    Julian umgab ein seltsames Charisma, er benahm sich, als sei er ein Kultführer. Wir machten sehr bald Witze über die Leute um ihn herum, die Brause-Limonade tranken (…) Also nahm ich ihn mit in unsere Wohnung, gab ihm unser Gästebett. Nur schlief er nicht darin, sondern saß die ganze Nacht vor seinem Laptop und machte geheimnisvolle Dinge. Dann, um fünf Uhr früh, kippte er plötzlich weg. Er trug diese braune Lederjacke, immer bis zum Hals hoch geknöpft. Die zog er nie aus. Um fünf Uhr, am Ende seines Arbeitspensums, fiel er um und schlief in seiner zugeknöpften Lederjacke ein. Solche Dinge gaben einem das Gefühl, man hätte es mit jemandem zu tun, der nicht von diesem Planeten ist.

    So weit, so heiter. Notwendige Informationen zur Bewertung von Wikileaks oder seinem Gründer sind das wohl kaum. Es erhebt sich nebenbei nur die Frage, woher Leigh dies so genau wusste: Lag er die ganze Nacht bei Assange auf der Matratze? Hockte er stundenlang hinter dem Schlüsselloch? Oder ist über britischen Gästebetten generell eine Videokamera installiert? Da Leigh ein Top-Journalist vom Guardian ist, scheidet die plausibelste Erklärung natürlich aus: Leigh hat sich die Anekdote schlicht aus den Fingern gesaugt. Das gilt dann wohl auch für die nächste Assange-Story, die Leigh auf Lager hat: “Er schüttelte mir die Hand, schaute mir in die Augen wie ein Mafioso und sagte: ‚Sei vorsichtig‘, so auf diese Art. Ich fand das lächerlich, wie mich diese Person bedroht hat. Seit dem habe ich nicht mehr mit Julian Assange gesprochen…”

    Guardian: “…wie bei den beiden Frauen aus Schweden”

    Der angebliche Mafioso mit der braunen Lederjacke bekommt auch hier keine Chance, sich zu den Beschuldigungen und Verleumdungen zu äußern. Denn schon tritt der zweite Hauptankläger auf den Plan, Nick Davies. Guardian-Mann Davies unterstellt Assange eins ums andere Mal, ein Lügner zu sein und erregt sich besonders über die sexuellen Missbrauchsvorwürfe:

    Assange glaubt an die Dinge, die er ausspricht, in dem Moment, in dem er sie ausspricht. Das ist so wie bei den beiden Frauen aus Schweden. Wenn er das als schmutzige Tricks des Pentagon bezeichnet, dann glaubt er auch daran.

    Davies glaubt nicht daran. Obwohl er zuvor zugab, dass damals im Herbst 2010, als die USA auf allen Medienkanälen zur Hetzjagd auf Assange geblasen hatten, der Gedanke nahe lag, die CIA stecke dahinter. Unzweifelhaft haben beide Frauen Assange aus freien Stücken in ihre Betten eingeladen, beide hatten mit ihm Sex. Dann erfuhren sie voneinander, waren im Nachhinein nicht begeistert von der Erfahrung und zeigten ihren wenig monogamen Bettgenossen gemeinsam bei der Polizei an.

    Was im Bett jeweils geschah ist unklar: Assange habe kein Condom benutzen wollen, ein Condom sei durch seine Schuld geplatzt, er hätte eine daraus abgeleitete Forderung, einen Aids-Test zu machen, abgelehnt. Da über schwedischen Gästebetten – anders als womöglich bei manchen Guardian-Reportern– keine Videokamera hängt, steht hier Aussage gegen Aussage. Unklar ist weiter, ob Ursache der Anzeige das Verhalten von Assange war, oder aber Motive der Frauen, wie etwa Eifersucht. Außerdem ging es womöglich darum, dem Staatsfeind Nr.1 der USA eine Vergewaltigungsklage anzuhängen. Wer kann wissen, ob eine Frau oder beide oder eine dritte Person, die auf die beiden einwirkte, nicht doch z.B. einen fetten Umschlag mit CIA-Dollars bekam?

    Unklar ist vor allem, woher Nick Davies sein felsenfestes Wissen darüber nimmt, wer die Wahrheit sagt und wer nicht. Er äußert seine Beschuldigungen gegen Assange so überzeugt, als ob er Einblick in jede CIA-Operation seit der Ermordung Allendes, oder seine Nase persönlich in jedes von Assange benutzte Condom gesteckt hätte. Der Wikileaks-Gründer schimpfte vielleicht nicht ohne Grund über den britischen Journalismus, der die “ehrloseste, nuttigste und hinterhältigste Industrie” wäre, die ihm je begegnet sei – und Nick Davies sei Teil dieser Industrie.

    Die zotige Sprache, zu der sich Assange in den vier Stunden Interview sich offenbar einmal hinreißen ließ, macht ihn leider angreifbar: Die deutsche ZEIT stürzte sich dankbar auf diesen Knochen und zitiert “nuttigste und hinterhältigste Industrie” in ihrer Würdigung der Doku denn auch so, dass Assange als der Schmutzfink dasteht.

    Guardian: “dieses Ungeheuer!”

    Wenn Davies in dieser Doku etwas noch mehr erregt als Assange und der Sex, dann ist es Geld. Top-Enthüllungen nur exklusiv zu bekommen, bedeutet Auflage und damit bares Geld für den Guardian. In helle Aufregung geraten die Guardianleute denn auch, wenn Assange zusätzlich anderen die Chance auf eine Story gibt. So beklagt Davies unter anderem, Julian Assange hätte die Dokumente ungeachtet der Tatsache, dass sie Guardian & Co. exklusiv versprochen waren, an andere Medien weitergegeben, “… obwohl wir Zehntausende Pfund investiert hatten!” Davies vergisst die Millionen Pfund zu erwähnen, die sein Blatt durch die Allianz mit Wikileaks bislang schon verdient hatte.

    Davies über Assange, das ergibt ganz großes Theater: “Ich vermute, fast jeder, der ihm nahe kommt, erlebt das mit: Man beginnt ihn zu mögen und ihm zu vertrauen und plötzlich erscheint aus dem Nichts dieses Ungeheuer! (Davies zieht die Brauen hoch und rollt wild mit den Augen) Wo um Himmels Willen kommt das jetzt her! Plötzlich erkennt man diesen außergewöhnlich verlogenen Mann, ich bin niemals einem derart unehrlichen Menschen wie Julian Assange begegnet!”
    Wenn Davies Grimassen schneidet und die Augen aufreißt wie die Schlange von Loch Ness, beweist dies vielleicht, dass an diesem Guardian-Reporter ein großartiger Schauspieler verloren gegangen ist. Natürlich verweigert die Doku Assange auch hier die Gelegenheit, sich direkt zu den Verleumdungen zu äußern. Fairer Journalismus sieht anders aus.

    An den Händen von Assange “klebt Bluuut”

    Der Doku-Abschnitt über die Publikation der Afghanistan Warlogs durch Guardian, Spiegel & Co. rückt den medialen Gegenschlag der USA in den Mittelpunkt. Aber sie analysiert ihn nicht, sondern stellt ihn als unzweifelbare Wahrheit hin. Assange wird dabei quasi zum Hauptskandal der Enthüllung gemacht:
    “48 Stunden lang sprach die ganze Welt von zivilen Opfern und von Taskforce 373, dann fand die NYT auf Wikileaks Dokumente, die eindeutig die Sicherheit afghanischer Zivilisten gefährdeten.”
    US-TV: “An Wikileaks Händen klebt Blut!” An dieser Stelle der Doku wiederholt ein unheimlicher Hall-Effekt: “…klebt Bluuuut!” Soll damit das Blut, das angeblich an Wikileaks klebt, ins Gedächtnis der Zuschauer eingebrannt werden? Ein billiger Propagandatrick, der aber unterschwellig funktioniert – wer die Doku nur einmal sieht, bekommt diesen digitalen Gadget nicht unbedingt mit.

    Beinahe nebenher erfahren wir, dass eine “Taskforce 373” als US-Killerkommando Mordanschläge auf als Taliban Verdächtigte und ihre Familien durchführte. Aber der wahre Skandal ist anscheinend nicht dies, sondern der Geheimnisverrat. Und natürlich das Blut, das durch die Enthüllung der Kriegsverbrechen angeblich an den Händen von Assange klebt. Auf so viel Blut lässt die Doku die militärische Weltsicht eines Experten in dieser Materie folgen, Christopher Heben (US-Navy-Seal) meint:

    Julian Assange und sein Haufen aufmüpfiger Dummköpfe denken, sie verschießen mal eben diese ganzen Informationen über den Globus und tragen damit zum Weltfrieden bei. Weiter entfernt von der Wahrheit könnte das gar nicht sein. Sie untergraben damit die Fähigkeit der NATO, für Stabilität in fast jeder Unruhe-Region der Welt zu sorgen … es gibt Drecksarbeit da draußen und die muss getan werden.

    Zweifel über die Einhaltung der Genfer Konvention plagen diesen Navy-Seal ebenso wenig wie die Frage, wie viele Unschuldige als “Collateral Damage” bei den Einsätzen von Taskforce 373 massakriert wurden – die Doku schließt sich dem scheinbar an. Wichtig ist ihr offenbar nur eines: Assange hat an allem Schuld.

    Spiegel-Online: “Wo WikiLeaks wütet…”

    Sogar die Verhaftung und Folterung Bradley Mannings wird Assange tendenziell in die Schuhe geschoben. Dabei übernimmt die Doku auch hier die Version der US-Regierung und stempelt den mutmaßlichen Whistleblower bereits jetzt zum Schuldigen. Manning stand jüngst in seiner Vorverhandlung vor dem Militärgericht in Fort Meade, Maryland, hat dort aber keineswegs gestanden, der gesuchte Whistleblower zu sein, geschweige denn Assange belastet.

    Es ist gut möglich, dass dem unbequemen jungen Soldaten die ganze Sache nur angehängt wurde. Als Beweise werden uns nur Screenshots eines Chats präsentiert, in dem Manning angeblich zugab, die Geheimdateien geleakt zu haben. Verhaftet wurde er nach “Collateral Murder” und vor den “Afghan War Diaries”, zu einem Zeitpunkt, als die US-Streitkräfte nichts dringender brauchten als einen Sündenbock. Und ein Opfer, an dem sie ein abschreckendes Exempel statuieren konnten, um weitere Whistleblower einzuschüchtern. Mediale Helfershelfer klopfen die US-Version fest in die Köpfe ihrer Konsumenten. Spiegel-Online kolportiert z.B. die Assange-Hetze vollmundig:

    Wo WikiLeaks wütet, so erzählt es der Film, gibt es Kollateralschäden. Die Wahrheit fordert Opfer, und eines davon wartet in einem Militärgefängnis in den USA auf sein Urteil. Wenn Bradley Manning nicht durch die Hand eines Henkers stirbt, dann wird er vermutlich bis zu seinem Lebensende gefangen gehalten werden. Er hatte sich selbst in einem Chat als Quelle von WikiLeaks enttarnt.

    Und so wird für uns ein Julian Assange inszeniert, der Informanten verrät (ob nun seine Whistleblower oder Spitzel der Taskforce 373, spielt dabei anscheinend keine Rolle) und an dessen Händen Blut klebt. Blut klebt dort angeblich, weil seine Enthüllung der Verbrechen und Gräueltaten einige Informanten der US-Streitkräfte in Gefahr gebracht haben soll. Wohlgemerkt: Informanten, oder anders gesagt: Komplizen, derselben US-Streitkräfte, deren Verbrechen und Gräueltaten von Julian Assange aufgedeckt wurden.

    Einige von diesen Komplizen soll die Enthüllung nun in Gefahr gebracht haben? Selbst wenn es so wäre: Dafür sahen wir keinen einzigen Beweis. Wir hörten nur die Behauptungen der Gegner von Assange. Der Anwalt von Bradley Manning hat für seinen Klienten bereits mildernd geltend gemacht, dass kein einziges der angeblich blutigen Opfer des “Geheimnisverrats” bislang nachgewiesen wurde.

    Wir haben also auch hier wieder nur die in propagandistischer Absicht von Gegnern von Assange erhobene Beschuldigung. Wie meinte Davies doch gleich: “Assange glaubt an die Dinge, die er ausspricht, in dem Moment, in dem er sie ausspricht.” Auf die Idee, ausgerechnet Assange, der niemals zugegeben hat, sein Informant wäre Manning gewesen, die Schuld für dessen Inhaftierung und Folterung zu geben, kann wohl nur einer kommen, der glaubt, er wäre ein Mafioso oder ein Ungeheuer. Ausgesprochen haben das David Leigh und Nick Davies.

    [1] Rueger, Gerd R., “Julian Assange -Die Zerstörung von WikiLeaks?” Hamburg 2011, (siehe S.31 ff., Kapitel: “RAF, Privatisierung und Toll Collect”)
    [2] Rueger, Gerd R., “Julian Assange -Die Zerstörung von WikiLeaks?” Hamburg 2011, (siehe S.80 ff., Kapitel: “Whistleblower-Preis für Anonymous”, der Preis einer deutschen Juristen-Vereinigung ging an jenen anonymen Whistleblower, der die Enthüllungen von US-Kriegsverbrechen bei Wikileaks einsandte, laut US-Justiz der US-Soldat Bradley Manning; sollte Manning dies jemals gestehen, fällt ihm der Preis zu –dann droht ihm jedoch langjährige Haft oder sogar die Todesstrafe)
    [3] Rueger, Gerd R., “Julian Assange -Die Zerstörung von WikiLeaks?” Hamburg 2011, (siehe S.72 ff., Kapitel: “WikiLeaks, die Medien und Propaganda: Von Goebbels zu Big Brother”)
    “Wikileaks –Geheimnisse und Lügen”, Buch und Regie: Patrick Forbes, Redaktion: Reinhart Lohmann (ZDF), ZDF/arte-Doku, Erstausstrahlung auf Arte, 14.02.2012
    Rueger, Gerd R., “Julian Assange -Die Zerstörung von WikiLeaks?” Hamburg 2011, (siehe S.72 ff., Kapitel: “WikiLeaks, die Medien und Propaganda: Von Goebbels zu Big Brother”)
    Rueger, Gerd R., Die Diskreditierung von Wikileaks basiert auf Lügen und Verdrehungen, http://www.theintelligence.de/index.php/gesellschaft/volksverdummung/3263-die-diskreditierung-von-wikileaks-basiert-auf-luegen-und-verdrehungen.html
    Rueger, Gerd R., The defamation of WikiLeaks is based on lies and twists, 19.09.2011, http://www.scribd.com/doc/65552221/The-Defamation-of-WikiLeaks-is-Based-on-Lies-and-Twists
    Rueger, Gerd R., WikiLeaks, Whistleblower und Anonymous, in: Big Business Crime Nr.4, 2011, S.25-26
    Rueger, Gerd R., Letzter Akt im Sex-Skandal um WikiLeaks?[http://theintelligence.de/index.php/politik/international-int/3946-letzter-akt-im-sex-skandal-um-wikileaks.html] 01. 02. 2012, http://theintelligence.de/index.php/politik/international-int/3946-letzter-akt-im-sex-skandal-um-wikileaks.html

    Support Bradley Manning: Bericht aus der Vorverhandlung (arraignment) Februar 2010
    http://www.bradleymanning.org/news/notes-from-bradley-mannings-arraignment
    Wikileaks.org zum Film:
    Guardian’s “WikiLeaks: Secrets and Lies” Documentary: Guardian hacks continue PR war against WikiLeaks
    http://wikileaks.org/Guardian-s-WikiLeaks-Secrets-and.html

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