Clean IT: Auch der Verfassungsschutz sitzt am Tisch, deutsche Behörden wollen aber nicht verantwortlich gemacht werden

Am umstrittenen Clean IT Projekt haben neben den Innenministerium auch das Bundeskriminalamt und der Verfassungsschutz teilgenommen. Das antwortete uns das Innenministerium auf eine Informationsfreiheitsanfrage. Inzwischen ist ein neuer Entwurf veröffentlicht worden, der als Input für die Abschlusskonferenz nächste Woche dienen soll.

Das Clean IT Projekt hat vor einem Monat ganz schön Welle gemacht. Terror-Bekämpfer und Internet-Firmen aus ein paar EU-Staaten diskutierten Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus im Internet und heraus kam die „dümmste Sammlung an Vorschlägen für Internet-Regeln in der gesamten Geschichte der Menschheit“. Zwar ist Clean IT keineswegs ein Masterplan der EU, dennoch sollte es weiterhin kritisch begleitet werden.

Deshalb haben wir noch im September nachgefragt, welche Bundesbehörden für Deutschland an den Arbeitstreffen von Clean IT teilgenommen haben. Jetzt ist die Antwort eingetroffen.

Polizei und Geheimdienste am Tisch

An allen sechs Treffen war das Bundesministerium des Innern beteiligt, genauer ein Referent im Referat Öffentliche Sicherheit II 1 (Rechts- und Grundsatzangelegenheiten der Terrorismusbekämpfung; Personen-/Objektschutz). Das Bundesamt für Verfassungsschutz war ebenfalls involviert und schickte zu zwei Treffen einen Referent der Abteilung 6 (Islamismus und islamistischer Terrorismus). Ebenfalls zwei mal war das Bundeskriminalamt beteiligt, in Person einer Referentin der Abteilung ST (Polizeilicher Staatsschutz), Referat ST 38 (Standortreferat GIZ/Internetzentralstelle, Analysen, Ermittlungsunterstützung).

Bisher war nur bekannt, dass das Innenministerium an Clean IT beteiligt war. Die gemeinsame Beteiligung von Bundeskriminalamt und dem Bundesamt für Verfassungsschutz ist vor Hintergrund des Trennungsgebots zwischen Nachrichtendiensten und Polizei fragwürdig. Andrej Hunko, Bundestagsabgeordneter der Linkspartei hat eine kleine Anfrage zum Thema gestellt und kommt in der Pressemitteilung zu dem Schluss:

Im umstrittenen Projekt „Clean IT“ engagiert sich der Inlandsgeheimdienst zusammen mit dem Bundeskriminalamt zum Ausspähen der Telekommunikation. Wie im internationalen Überwachungsgremium ETSI umgehen beide Behörden das Trennungsgebot.

Diese Ansicht wird von einem weiteren Detail gestützt. Die bei den Clean IT Treffen anwesende Referentin des Bundeskriminalamts arbeitet im Referat „GIZ/Internetzentralstelle“. GIZ steht für Gemeinsames Internetzentrum und ist eine Kooperation des Bundeskriminalamts mit den drei Geheimdiensten des Bundes (Bundesamt für Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst, Amt für den Militärischen Abschirmdienst) sowie der Generalbundesanwaltschaft, die dort „eng zusammen [arbeiten]“. Mit Sitz in Berlin werten Polizei und Geheimdienste zusammen „das Internet systematisch aus“.

Eine genauere Auskunft der beteiligten Personen wollte uns das Innenministerium nicht geben:

In diesem Zusammenhang weise ich darauf hin, dass die betroffenen Personen im sicherheitsempfindlichen Bereich tätig sind und die Nennung der Namen in Auskünften schon aus Schutzgründen und operativen Gründen nicht opportun ist.

Dem Bundestagsabgeordneten Hunko schreibt das Innenministerium:

Die erbetenen Angaben sind VS-VERTRAULICH eingestuft und werden gesondert als nicht zur Veröffentlichung bestimmte Anlage an Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages übermittelt. Die Veröffentlichung von Angaben zu den Teilnehmern kann den Interessen der Bundesrepublik Deutschland schädlich sein. Sie würde die Vertraulichkeit internationaler Beratungen gefährden, da sie eine im Projekt auf Veranlassung der federführenden Niederlande getroffene Verabredung brechen würde, wonach Teilnehmer sich als Experten im Interesse eines ungehinderten Meinungsaustauschs am Projekt beteiligen und sich äußern können, ohne dass zunächst ihre Beteiligung offengelegt wird. Denn sie sollen nicht befürchten müssen, dass sie vor dem Vorliegen eines Ergebnisses für die eventuell noch nicht umfassend konsentierten Zwischenstande des Projekts – die wegen des dynamischen Projektverlaufs auch nicht notwendig innerhalb der eigenen Organisation der Teilnehmer umfassend rückgekoppelt worden sind – verantwortlich gemacht werden.

Genauere Auskunft verweigert

Eine Angabe über beteiligte Firmen wird ebenfalls abgelehnt, das würde dem „ungehinderten Meinungsaustausch“ entgegenstehen. Auch Verhandlungsdokumente, die über die auf der Webseite des Projekts hinaus gehen, will man uns nicht geben:

Bei den hier vorhandenen Unterlagen handelt es sich teilweise um reine Arbeitspapiere, die von den federführenden Niederlanden als „Confidential / Limited Distribution“ gekennzeichnet sind. Hierzu besteht, da hier keine offiziellen oder auch nur konsensfähigen Inhalte wiedergegeben werden, die von den federführenden Niederlanden erwünschte Vereinbarung, dass diese Dokumente nicht offengelegt werden. Eine Offenlegung würde die Beziehungen zu den Niederlanden, anderen teilnehmenden Partnerstaaten sowie den Teilnehmern aus privaten Organisationen erheblich gefährden.

Neuer Entwurf geleakt

Unterdessen ist ein weiterer Entwurf für das Abschlussdokument von Clean IT bekannt geworden. Gestern stellten die Piratenparteien aus Luxemburg und der Schweiz den Entwurf vom 24. Oktober ins Netz, der als Input für die Abschlusskonferenz in Wien Anfang nächster Woche dienen soll.

Auffällig ist, das man nach der vehementen Kritik am letzten Dokument, einigen Kritikpunkten entgegen kommen möchte. So versucht man sich an einer Definition von „Terrorismus“, aber schon die Liste an „Internet-Firmen“ bleibt unseriös lang. Einige Sachen sind explizit kein Terrorismus, darunter „politische Rede, Berichterstattung über Terrorismus in den Medien, nicht-gewalttätiger Extremismus, Hacktivismus und akademische Studien über Terrorismus.“

Dennoch sollen neben dem besseren Erklären existierender Gesetze auch weiterhin AGBs angepasst werden, um vermeintlichen „Terrorismus“ zu untersagen. Ebenfalls setzt man immer noch auf automatische Filtersysteme wie Deep-Packet-Inspection, die sich aber an nationale Gesetze halten sollen. Auch der „Alarmknopf im Internet“ steht weiterhin auf der Agenda.

Andrej Hunko kommentiert treffend:

„Clean IT“ unterfüttert eine Politik, die von Bürgerrechtsgruppen als „Policy Laundering“ bezeichnet wird: Vorhaben, die im eigenen Land nicht durchsetzbar wären, werden auf eine supranationale Ebene verschoben.

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4 Ergänzungen

  1. Ist doch gut, wenn der Verfassungsschutz mitzureden hat. Nur das ist eine Garantie für den Bürger, dass das Projekt die Ziele nicht erreicht.

    1. Ich befuerchte, die politischen Ziele werden erreicht … nur halt nicht die eigentlichen Ziele des Verfassungschutzes.

  2. Der Name „CleanIT“ sagt doch eigentlich schon Alles , man möchte ein Überwachtes , „Sauberes“ kindgerechtes Internet mit Rauch, Alkohol und Grillverbot.
    Da ergeben sich doch neben den Abmahnungen und Anzeigen bei Facebook oder YouTube noch ganz andere Möglichkeiten für die virtuellen Polizeistreifen. Wie wäre es mit „echten“ Srafzetteln auf virtuellen Blitzer-Marathon in „Need for Speed: Most Wanted“ ….. ;-)

  3. Wie so schön auf dem „Logo“ zu sehen ist lautet das Motto ganz unverblümt: Kampf dem Internet – ohne gesetzliche Grundlagen.

    Das hört sich für mich nach vorsätzlicher und organisierter Kriminalität an – so clean it ;-P

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.