Bücher für Blinde: Deutschland zählt zu Blockierer-Ländern

Bereits seit 2008 (vgl. „EU verhindert Urheberrechtsschranken für Blinde“) gibt es Versuche im Rahmen der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) einen Vertrag abzuschließen, der Sehbehinderten und Blinden besseren Zugang zu urheberrechtlich geschützten Werken und hier vor allem Büchern ermöglichen würde. Denn obwohl es gerade bei E-Books prinzipiell leichter wäre, Bücher auch sehbehinderten Menschen zugänglich zu machen, sorgen rechtliche und technologische Vorgaben für künstliche Beschränkungen dieser Funktionalität. So musste beispielsweise Amazon seine Text-to-Speech-Funktion, mit der Texte von einer Computerstimme vorgelesen werden konnten, für die Mehrzahl urheberrechtlich geschützter Werke wieder deaktivieren (vgl. „The Kindle Controversy“).

Dem Bundeskompetenzzentrum für Barrierefreiheit zu Folge sind wegen solcher und ähnlicher Einschränkungen immer noch über 95 Prozent aller veröffentlichten Werke in Europa nicht barrierefrei verfügbar. Der WIPO-Vertrag würde dem BKB zu Folge 

Ausnahmeregelungen im internationalen Urheberrecht schaffen und den grenzüberschreitenden Austausch von Büchern ermöglichen, die für blinde und sehbehinderte Menschen speziell aufbereitet wurden.

Während das EU-Parlamant kürzlich einstimmig einer Resolution des Europäischen Blindenverbands (EBU) zugestimmt hat, den entsprechenden WIPO-Vertrag zu unterstützen, gibt es auf Ebene der EU-Mitgliedsländer immer noch starke Widerstände. Der EBU hat deshalb eine interaktive Karte mit der Position der einzelnen Staaten veröffentlicht und bittet darum, in Blockierer-Ländern den jeweiligen WIPO-Vertreter zu kontaktieren. Für Deutschland wäre das laut WIPO-Homepage Dr. Irene Pakuscher, Leiterin des Referats Urheber- und Verlagsrecht im Bundesministerium der Justiz.

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11 Ergänzungen

    1. Nur weil es erwähnt wurde: Die Sprachausgabe in Kindle ist gerade für Blinde und Sehbehinderte nicht benutzbar. Überhaupt ist das Amazon-Produkt alles andere als zugänglich. Mit Rob Duffy von Amazon habe ich persönlich darüber gesprochen, aber er sieht geringe Chancen, dass Kindle in der nächsten Zeit nur ansatzweise barrierefrei wird. Der bessere Weg für Blinde und Sehbehinderte ist mit DAISY-Büchern (vgl. medibus.info).

      1. Hallo, das ist nicht ganz richtig. Kindle mit Sprachausgabe wäre für Sehbehinderte mit mehr als 10 v.H. Sehvermögen eine gute Lösung, die ich auch länger mit der englischen Sprachausgabe genutzt habe.
        Amazon könnte sein Produkt relativ eicht zugänglich machen. ich kaufe jetzt meine Bücher bei IBook Apple, da diese dort VoiceOver fâhig sind. .

  1. Hallo, richtig müsste die Überschrift auch Sehbehinderte beinhalten. Weltweit gibt es den Begriff printdisabled oder print-disability, also Gedrucktee kann nicht mehr gelesen werden, aus welchem Grund auchh immer.
    Sehbehinderte wollen Texte vergrößert und/ oder in einem neuen Fenster wie bei Safari Reader oder reflow bei Adobe Reader lesen und zur Entlastung auch mal gleichzeitig hören.
    Die Fixierung auf Hören und Braille ist unverständlich, da es wesentlich mehr Sehbehinderte Als Erblindete gibt. Es müssen Lösungen für alle her.
    Deutschland hängt bei e-accessibility noch aus den Bäumen!

  2. Richtig so, die Kernkompetenz der EU ist Ausbeuten und Abzocken für Industrie und Rechteinhaber. Und da geht noch was!

    mfg

    Ralf

  3. Passt eigentlich prima zu einem Land wo man einst Euthanasie als Zuchtmethode entdeckt hat und die perverseste Form des ohnehin fragwürdigen Komplexes „Eugenik“ propagiert hat.
    Bravo!

  4. Wie erbärmlich ist das denn?
    Ist der Zacken, den man sich aus der Krone bräche denn wirklich -wieder einmal- absolut branchen-lebensgefährdend große, dass es völlig untragbar ist, da etwas zu tun?
    Die Industrie scheint ohnehin kein wahrnehmbares Interesse daran zu haben, diese Nische selbst mit Lösungen zu füllen. Aber -um Gottes Willen- muss der Daumen auf allem draufgehalten werden. Koste es was es wolle!

    Und die meisten Politiker – offenbar ja allen voran die deutsche Regierung – spielt mal wieder artig mit. Warum verwundert mich das nicht?
    Wenn die Entrüstung medial zunimmt, will’s am Ende wohl auch wieder keiner gewesen sein, was?

  5. Es wäre an dieser Stelle interessant zu wissen, welche (haarsträubenden?) Argumente aufgebracht werden, um ein „No“ zu rechtfertigen. Entgangener Gewinn? Unvereinbarkeit mit geltendem UrhG? Weiß das jemand oder hat Quellen?

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.