Taz: Offenbar ganz Dresden überwacht

Die Taz berichtet weiter über den Dresdner Abhörskandal im Rahmen der Anti-Nazi-Demonstrationen im Februar. Dabei kommt immer mehr heraus, fast eine Million Verbindungsdaten wurden an den zwei Tagen gespeichert: Offenbar ganz Dresden überwacht.

Die massenhafte Handyüberwachung in Dresden hat weit größere Dimensionen als bislang zugegeben. In dem am Freitag veröffentlichen Bericht des Sächsischen Innen- und Justizministeriums an Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) wird die Erfassung von weiteren 896.072 Mobilfunk-Verbindungsdaten eingeräumt. Damit steigt die Zahl der insgesamt erfassten Daten auf über eine Million. In dem sechsseitigen Papier bleibt zu diesem zweiten Fall von flächendeckender Handyüberwachung vieles wolkig. Etwa auf welchen Bereich und welchen Zeitraum sich diese Abfrage erstreckt hat. Lediglich vom 18. und 19. Februar ist die Rede. Der Erhebung liege der Verdacht der Bildung einer kriminellen Vereinigung zugrunde, sagte Justizminister Jürgen Martens (FDP).[…] Innenminister Markus Ulbig (CDU) ist die Ermittlung und Speicherung von über einer Millionen Daten dennoch „verhältnismäßig“.

Hier ist der Bericht. (PDF)

Einen passenden Kommentar hat Constanze Kurz in der FAZ geschrieben: Polizeiliche Datengier: Teheran, Damaskus, Minsk – Dresden.

Der Ort dieser Geschichte ist aber nicht Teheran, Damaskus oder Minsk, die Hauptstadt der weißrussischen Diktatur. Es ist Dresden, die Hauptstadt des Freistaates Sachsen, mit einem demokratisch gewählten Innenminister. Und es ging nicht um Revolten, es ging vielmehr um eine von dutzenden Initiativen, Vereinen und Parteien getragene, geradezu zivilgesellschaftlich vorbildliche Demonstration gegen Rechtsradikale, die durch die Stadt ziehen wollten.

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59 Ergänzungen

  1. „Innenminister Markus Ulbig (CDU) ist die Ermittlung und Speicherung von über einer Millionen Daten dennoch “verhältnismäßig”.“

    den sollte man sofort zum teufel jagen………

    1. Ich gratuliere der Politik recht herzlich, sie hat es mittlerweile geschafft, mich endgültig zu radikalisieren. Das wird sie noch bitter bereuen!

  2. Eigentlich sollte gerade diese Geschichte den meisten klar machen, dass das Demo-Motto „Freiheit statt Angst“ noch längst nicht überholt ist.

    1. Naja, wenn man das Motto als Forderung an den Staat sieht, ist es jetzt aktueller denn je.

  3. Die Aktion ist schlimm genug. Die Aussagen des Innenministers hingegen machen mich fassungslos. Verhältnismäßig war das vielleicht in der DDR, aber nicht in der BRD. Schade, dass es abgeordnetenwatch.de für den Landtag Sachsen (noch) nicht gibt.

    Wer ein paar Euro übrig hat kann hier vielleicht aushelfen:
    https://www.abgeordnetenwatch.de/sachsen-146-0.html

    1. Markus Ulbig, 2009 ausgezeichnet mit dem Theodor-Heuss-Preis „Demokratie lokal gestalten“

      *kopfschüttel*

      1. Oh, mir würden da paar einfallen, aber die hätten was mit Freiheit zu tun. Und welche mit personellen Veränderungen natürlich auch.

      2. Wenn das Gedächtnis der Wähler nur einmal lang genug halten würde, könnte es für die personellen Veränderungen schon reichen. Das Problem ist nur, dass bei ausreichendem Gedächtnis die Auswahl in der Wahlkabine immer geringer wird…

    1. äh…die hast du doch in dresden. ich glaube, das was da abgeht hätte sich nicht mal „ich liebe euch doch alle“ mielke getraut

      1. Oh glaube mir, dass hätte sich Mielke getraut (nur konnte er es noch nicht).

        Er hat sich sogar noch viel mehr getraut als sich der depperte Sächsische Innenminister jemals auch nur träumen würde.

        Mielke wird er nicht überbieten können, was Überwachungsstaat anbetrifft

      2. @james dödel: Bevor Du jetzt weiter mit Deinen offensichtlich lückenhaftem Geschichtswissen protzt, solltest Du Dich vielleicht mal mit der Stasi-Geschichte und ihren Methoden auseinandersetzen und erst anschließend weiterkommentieren.

  4. @sebastian

    ja, er er ist fleissig am üben. wenn noch einer das maul aufreisst von der schwarzen pest wegen netzsperren, überwachung und vorratsdatenpeicherung vergess ich mich…

  5. Die Sachsen sind helle!

    Aber Demokraten? Fehlanzeige: Rechtsradikale, Menschen, die politischen Gegnern das Demonstrationsrecht absprechen, Ordnungshüter welche die Teilnehmer totalitär überwachen.

    Wer den gottlosen Geist der Stadt erkennen will, der schaue sich den Advantariegel und die Gedenkstätte für die Sophienkirche an.

    1. Was soll man erwarten! Da sind eben noch einige totalitär sozialisiert, das schüttelt man nicht eben so ab.

  6. Okay, mal alles in Kürze:

    Polizeidirektion Dresden (PD Dresden), Sonderkommission „19. Februar“ (Soko19/2) -> (Justizaktenzeichen 203 UJs 5185/11) bei der Staatsanwaltschaft Dresden -> richterlichen Beschluss gemäß § 100g Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO) i. V. m. § 96 Abs. 1 Telekommunikationsgesetz (TKG) zur rückwirkenden Erhebung der
    Verkehrsdaten aus einer Funkzellenabfrage (> 1 Milo. über 2 Tage?)

    Innenminister Markus Ulbig (CDU) ‚“verhältnismäßig“, Justizminister Jürgen Martens (FDP), Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich (CDU), Datenschutzbeauftragter ist Andreas Schurig.

    Mal sehen ob da bald mal jemand zurücktritt und was die Opposition noch so an Fragen stellen wird …

    1. Dann hättest du bald aber nichts mehr zu wählen, außer Parteien wie der NPD, den Violetten oder der Rentnerpartei.
      Mal abgesehen davon: Du glaubst wirklich, dass CDSUFDP und SPDS (J.B.O. ftw) sich selbst verbieten würden?
      Und sollte es jemand anders tun, hätten die ganz schnell eine neue Partei gegründet und würden so weitermachen wie bisher.

      1. Dann hättest du bald aber nichts mehr zu wählen, außer Parteien wie der NPD, den Violetten oder der Rentnerpartei.

        Das ist doch nicht Dein Ernst?! Nazis Raus aus den Kommentaren!!

      2. @p1ng0ut: Ich habe nicht gesagt, dass ich die NPD gut finde.
        Aber wie uns die letzten Versuche gezeigt haben, wird die Partei vermutlich ewig leben, weil ansonsten der Verfassungsschutz arbeitslos ist.
        Und in den USA hat man z.B. das Problem, dass nach dem Verbot solcher Gruppierungen nur noch der ganz harte Kern im Untergrund vorhanden ist, was es so gut wie unmöglich macht, sie zu überwachen oder gar zu infiltrieren. Dadurch sind sie aber noch gefährlicher geworden.

  7. man bin ich froh, dass ich nicht in dresden zu wohne. wie viel jahre wird es wohl brauchen, bis die daten nebst grafischer aufbereitung bei wikileaks landen?
    mit ein wenig glück hat die polizei nur eine papierversion! ;)

  8. @markus

    du brauchst mich nicht zu beleidigen. ich bin 57 jahre alt und sass 19 monate in bautzen. ein wenig zurückhaltung bei deinen anschuldigungen bzgl geschichtswissen wäre nicht schlecht.

    1. Ich finde die (scharf formulierte) Kritik von markus gerechtfertigt. Es steht außer Frage, dass die Stasi so eine Überwachung auch gemacht hätte. Aber ich würde mal behaupten wollen, dass zu Stasi Zeiten ein paar Leute, ohne Gerichtsverfahren, weniger in Freiheit rumlaufen würden…

      Und wenn du, zumindest erweckt dein Posting diesen Eindruck, diese Sachen aus erster Hand miterlebt hast, ist es umso „interessanter“ das du dich so äußerst

    2. @james dödel: Hey, Du hast angefangen, mit schlechten geschichtlichen Vergleichen und Relativierungen der Stasi-Zeit. Aber da Du ja gerne hier unter wechselnden Pseudonymen schreibst, ich mich an keinerlei konstruktiven Diskussionsbeitrag erinnern kann, sondern in der Regel nur destruktives Rumgemotze zu lesen bekomme, können wir zukünftige Diskussionen einfach lassen.

  9. lustig wie die meisten an demokratie glauben hier in der brd. määääh määääh…. all die ganzen petitionen und demonstrationen (was nicht mehr als verbundenheit und stärke demonstriert, aber niemanden weiter interessiert in der heutigen politik) sind zweckfrei… die EU ist eine Firma…. wen interessiert schon ein spähangriff auf das volk? richtig, keine sau. — würde sich dresden soetwas erlauben, wenns irgendwen juckt der darüber entscheiden kann? 2 spielkarten: EU-Vertrag und Grundgesetz. je nachdem welche man zieht, und ich wette dass das alles schön mit der EU-Karte klar geht.

    1. Genau deswegen brauchen wir auch eine Revolution, um echte Demokratie zu schaffen. Mit Reformen lässt sich da nichts ändern, wir leben in der Diktatur des Kapitals.

      1. nö…nix da. ich geb mein blut nicht für so einen dreck. meine revolution besteht aus dem absoluten boykott großer firmen. je mehr das system in sich kollabiert, je mehr sich menschen diesem boykott anschliessen, desto friedlicher wird dieser wandel ablaufen. wenn die menschen das übel bei der wurzel packen, haben wir es fast geschafft. und ich glaube fest daran.

      2. @beamthis
        Findest du in deinem weiteren Umfeld genug Leute die auf sowas aufspringen? Auf die ganze Beqemlichkeit verzichten sich über sowas keine Gedanken zu machen?

        Ich unglücklicherweise nicht.

  10. Wenn man es genau betrachtet, bin ich gerade ohnmächtig.. Fassungslos, was da in meiner Heimat -Sachsen- gerade abgeht..

    Als einer, der die Wende erlebt hat, fühle ich mich, wie im übrigen schon länger… immer mehr in diese Zeit zurück versetzt..

    Traurig.. einfach nur traurig das Allles!

  11. Handypflicht bezeichnet die in manchen Ländern bestehende Verpflichtung der Staatsbürger, ein gültiges Handy zu besitzen und mitzuführen.
    Wer kein Handy mit sich führt, handelt im höchsten Maße subversiv und verdächtig. Wer nichts zu verbergen hat muß seine Daten vor dem Staat nicht verstecken. Der Staat hat euch lieb. Der Staat ist gut. Der Staat steckt niemanden in ein Lager.

  12. Das allseits bekannte Problem … der Polizei wird ein Mittel gegeben und es wird bis zum letzten missbraucht. Für jedes absurde Vorhaben findet sich wohl ein Richter.
    Das mindeste, was man aus dieser Geschichte lernen sollte ist, gar nicht erst solche Mittel zur Verfügung zu stellen.
    Zudem sollte noch einmal gründlich darüber nachgedacht werden, ob der Richter, der das ganze genehmigt hat, wirklich weiterhin als Richter tätig sein dürfte, da er anscheinend noch nichts von einem Rechtsstaat gehört hat.

  13. Es würde mich momentan echt nicht wundern, wenn genau für solche Aktionen die Einnahmen aus dem Soli-Zuschlag verwendet werden…

  14. Eine interessante Frage ist natuerlich, warum die Daten ueber einen wesentlich laengeren Zeitraum und in einem wesentlich groesseren Bereich erhoben wurden, als zur Ermittlung der als Begruendung fuer die Massnahme herangezogenen Straftaten offensichtlich erforderlich.

    Zunaechst einmal ging es vermutlich nicht nur darum zu ermitteln, wer zu einer bestimmten Zeit an einem Ort war, denn dafuer duerften die bei den Netzbetreibern vorgehaltenen Daten in einer Grossstadt viel zu ungenau sein. Vielmehr duerfte die Frage gewesen sein, wer zu verschiedenen Zeiten jeweils an bestimmten Orten war, wessen Bewegungprofil also mit bestimmten Entwickungen am Tage der Demonstration korreliert.

    Die Tatsache, dass der Abfragezeitraum und das Abfragegebiet wesentlich ueber die eigentliche Veranstaltung hinausgehen, laesst vermuten, dass die angestrebten Ermittlungen wesentlich ueber die Identifizierung solcher Bewegungsprofile hinausgingen. Denn wenn man Mobilfunkdaten ueber einen längeren Zeitpunkt zur Verfuegung hat, lassen sich – ausgehend von einzelnen Personen – ganze Gruppen identifizieren. Entweder, weil sie untereinander telefonisch Kontakt halten. Oder auch nur, weil sie sich gemeinsam bewegen und die Bewegungsprofile der Mitglieder so korrelieren. Wenn die Ermittlingsbehörden so weit schon sein sollten (und wundern wuerde mich das nicht), dann stellt Insbesondere letztgenannte Moeglichkeit ein sehr maechtiges Instrument dar, weil sich auf diese Art und Weise sogar Gruppen aufdecken lassen, deren Mitglieder sich untereinander nicht kennen…

  15. Mit der Überwachung in Sachsen wird klar, das gegen den Souverän, das Volk, vorgegangen wird unter dem Deckmäntelchen der Sicherheit. Anstatt sich mit den wirklich verfssungsfeindlichen, braunen Objekten zu befassen. Hier scheint eine stilschwiegende Duldung dieser, Seitens der sächsischen Regierung und Exekutiven zu bestehen und die gegen sie sind, werden als Gefahr ( Demonstrationsrecht!) bestempelt.
    Ja es ist eine Gefahr für die politische Kaste, weil immer mehr begreifen, das sich eine Diskrepanz zwischen Politk und Bürger auftut und es immer klarer wird, das sie es nicht können. Die Bürger, siehe Griechenland und Spanien nehmen es langsam, aber sicher selber in die Hand Probleme zu diskutieren und diese zu lösen. Und das ist ist die eigentliche Gefahr aus Sicht der Politker, deren Machtverhätlisse und -gefüge sich verschieben Es ist die wachsenede Wut ständig mit Unfähigkeit und halb garen Lösungen und Lügen ( Guttenberg, Koch-Mehrin) abgespeist zu werden und nicht länger zuschauen wollen, wie Bürgerrechte aushöhlt werder und ein Generalverdacht überalles liegt.
    Ja ich habe etwas zu verbergen, denn ich habe Privatsphäre und der Statt darf nicht alles wissen.

  16. Als ich las, dass da wegen „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ ermittelt wird, war mein aller erster Gedanke: Wow die sind aber einsichtig und ermitteln gleich gegen Rechtsbrecher(wg der illegalen Überwachung) in den eigenen Reihen… — ging das andern auch so?

    Ach ja, liebe sächsische SPD: Halte bitte dein verlogene, schei** Fresse!!! – schliesslich schreist du wie die Union nach genau der Handydatenaufzeichnung, die du hier kritisierst….

  17. „Einen Staat, der mit der Erklärung, er wolle Straftaten verhindern, seine Bürger ständig überwacht, kann man als Polizeistaat bezeichnen. Den Polizei- oder Überwachungsstaat wollen wir nicht.“

    – Ernst Benda († 2. März 2009)
    1971 bis 1983 Präsident des Bundesverfassungsgerichts.
    zur Vorratsdatenspeicherung im Interview mit tagesschau.de, 5. Juni 2007

  18. „mit einem demokratisch gewählten Innenminister“

    Der Innenminister ist nicht demokratisch gewählt. Er wurde von einer demokratisch gewählten Partei bestimmt. Vielleicht würde es helfen, wenn wir unsere Minister wählen könnten, vielleicht auch nicht.

    1. @Ein Mensch: Wenn eine gewählte Koalition einen Innenminister beruft, ist das durchaus demokratisch. Demokratisch ist nicht gleich Basisdemokratisch.

      1. Das ist nicht demokratisch (vgl Duden).

        Dass eine solche Wahl demokratische Legitimation schafft ist klar.

        Demokratie jedoch hat per Definition ein Unmittelbarkeitselement. Dieses fehlt beim Innenmenister.
        Abhilfe geschaffen wird dadurch, dass die Wahl des Innenministers legitimiert wird, indem sie sich an einer UNMITTELBAR demokratischen Wahl orientiert.
        Das Konzept nennt sich Legitimation und hat mit Demokratie im engeren Sinn wenig zu.

        It’s not a feature it’s a bug!

        Können wir das Wort Basisdemokratie streichen? Das versteckt nur, dass wir momentan keine Demokratie (vgl Duden!) haben, sondern eine repräsentative Demokratie (die mit dem Konzept Legitimation die fehlende Unmittelbarkeit auszugleichen versucht).

  19. Abraham Lincoln: „Demokratie hat einen Vorteil: jedes Volk bekommt die Regierung, die es verdient.“
    Willkommen im Polizei- und Überwachungsstaat.

  20. Erschütternd, das hätte ich wirklich nicht gedacht! Und das ganze dann ironischerweise noch im „Freistaat“ Sachsen…

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