Stellungnahmen zum Referentenentwurf des Netzsperren-Aufhebungsgesetz

MOGIS, der AK-Zensur und der Verein „Digitale Gesellschaft“ haben auf Einladung der Bundesministerium für Justiz heute fristgerecht jeweils eine eigene Stellungnahme zum Referentenentwurf des Netzsperren-Aufhebungsgesetz eingereicht und veröffentlicht.

MOGiS schreibt u.a.:

Zu den Regelungen des Aufhebungsgesetzes: im Zuge des Verabschiedung des Zugangserschwerungsgesetzes wurde das Telekommunikationsgesetz geändert. Insbesondere wurde in §96 TKG folgender Satz eingefügt „Diese Verkehrsdaten dürfen nur verwendet werden, soweit dies für die in Satz 1 genannten oder durch andere gesetzliche Vorschriften begründeten Zwecke oder zum Aufbau weiterer Verbindungen erforderlich ist. Im Übrigen sind Verkehrsdaten vom Diensteanbieter nach Beendigung der Verbindung unverzüglich zu löschen.“ Mit der Außerkraftsetzung des Zugangserschwerungsgesetzes wäre dies eine unklare Bestimmung, bei der nicht klar wäre auf welche Gesetze es überhaupt noch Bezug nimmt. Wir schlagen deswegen in §96 TKG die Entferung der Wortgruppe „oder durch andere gesetzliche Vorschriften begründeten“ vor. Die vorgesehene Beibehaltung des mit dem EGZugErschwG in den §96 TKG eingefügten Absatzes: „(2) Eine über Absatz 1 hinausgehende Erhebung oder Verwendung der Verkehrsdaten ist unzulässig.“ ist dagegen zu begrüßen.

Der AK-Zensur fordert u.a.:

d) Nach Auffassung des AK Zensur ist es angezeigt, dass die Errichtung von Netzsperren gesetzlich ausgeschlossen wird. Auch aus Gründen der Rechtsklarheit und aus praktischen Erwägungen heraus rät der AK Zensur hierfür zu einer Grundgesetzänderung. Damit einhergehend sind eine Internetdienstefreiheit und die grundrechtliche Absicherung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme in der Verfassung zu kodifizieren.
e) Der AK Zensur hält eine unabhängige und ausführliche wissenschaftliche Evaluierung der Anwendung des Zugangserschwerungsgesetzes bzw. der Löschbemühungen für zwingend erforderlich.

Der Verein „Digitale Gesellschaft“ fordert u.a.:

Nach unserer Auffassung müssen Netz-Sperren – ob staatlich oder privat motiviert – für die Zukunft ausgeschlossen werden. Daher schlagen wir vor, das Telekommunikationsgesetz um einen §88a “Nichtanalyse / Nichtunterdrückung” zu ergänzen, in dem jede willkürliche Analyse, sowie jede Sperrung von Inhalten, Ziel- und Anfrage-adressen auf Providerebene für grundsätzlich unzulässig erklärt wird. Es handelt sich also um eine Konkretisierung und Ergänzung zum §88 TKG (Fernmeldegeheimnis). Diese Änderung würde auch der Klarstellung dienen, dass die geschilderten Eingriffe in den Internet-Verkehr zugleich Eingriffe in das Telekommunikationsgeheimnis aus Art. 10 Abs. 1 GG darstellen und als solche grundsätzlich unzulässig sind.

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15 Ergänzungen

  1. Ihr immer mit dem Netzsperren und dem Käse.

    Ich kämpfe an der Front alleine erstmal mit dem Schaar und der Telekom herum. Bei der IP-Speicherung fängt es nämlich an. Ich möchte hier mal auf das GRUNDSÄTZLICHE kommen. Und die Telekom hat mit Schaar vereinbart, daß es sieben Tage sein sollen. Egal, welcher Tarif.

    Das ist doch erstmal schon eine Ohrfeige und gesetzeswidrig!
    (Eben nicht lt. Schaar, weil der Schwachmat es zugesagt hat, sagt die Telekom)

    Fangt doch mal im Kleinen an, bevor Ihr Euch über Netzsperren und ähnliches unterhaltet. Ich möchte hier jetzt erstmal was über IP-Nummern lesen!

    Peer

    1. Ich halte die Kommunikationsgrundrechte durchaus für das Grundsätzliche und Wesentliche im Bereich der Netzpolitik. Und es ist ja nicht so, dass sich niemand um Privatsphäre und Datenschutz kümmert.

      Extremfall: Bei einem China-Net braucht man erst gar nicht über die Speicherung von irgendwas zu reden.

      Abgesehen davon kann man davon ausgehen, dass Schaar keine rechtswidrige Speicherung duldet, auch er ist an Recht und Gesetz gebunden.

      1. Frage an den Experten:

        Auf Basis welcher gültigen Rechtsnorm speichert die Telekom die Zuordnung der IP-Adressen ihrer DSL-Kunden, die einen Pauschaltarif (Call & Surf-Paket) ohne Zeit- und Volumenbeschränkung nutzen?

      2. Diese Frage wird sicherlich die Telekom im Detail beantworten können.

        Ich gehe davon aus, dass sie sich auf § 96 Abs. 1 und § 100 Abs. 1 TKG berufen werden.

        Abgesehen davon ginge auch ohne die sieben Tage Speicherung eine Echtzeitabfrage mit „Quick-Freeze“. Bei Filesharing wäre eine Nicht-Speicherung also egal, da die Daten da sowieso in Echtzeit anfallen.

  2. @Alvar

    Telekom sagt: Wir haben die Zusage des Schaar, IPs für sieben Tage zu speichern.

    Schaar sagt: Stimmt, ich habe mit der Telekom die Absprache getroffen.

    So what??

    Verfassungswidrig lt. Bundesverfassungsgericht. Telekom beruft sich auf den Totalverager, Totalversager beruft sich auf seine Kompetenz.

    Es sind sieben Tage. Es sind sogar lt. Miesepeter sieben WERKtage.

    Ich werde mir jetzt eine Klagemöglichkeit schaffen, aber zögere noch angesichts der jüngsten Diskussionen auf Bundes- und EU-Ebene. Wenn ich klage, dann soll es sich lohnen.

    Peer (geht für heute off)

    1. Das Bundesverfassungsgericht hat nicht gesagt, dass das verfassungswidrig ist. Es hat gesagt, dass die Vorratsdatenspeicherung verfassungswidrig ist.

      Und selbst das nur in der konkreten Ausformulierung, so wie sie im Gesetz stand.

      Insbesondere bei den IP-Adressen hat das BVerfG (m.E. zu Recht) gesagt, dass hier ein anderer, weniger strenger Maßstab anzulegen ist als bei der Speicherung von den bei E-Mails und Telefonie anfallenden Verkehrsdaten, weil von der Speicherung der IP-Adressen eben keine große Gefahr ausgehe.

      Aber auch wenn man diese Ansicht nicht vertritt: die Aussage des BVerfG geht insbesondere bei IP-Adressen eindeutig nicht in Richtung Verbot des Speicherns für eine begrenzte kurze Zeit.

      1. Bleibt aber die Frage wie bzw. ob der oberste Datanschützer irgendeine Zusage / Anweisung an die Telekom geben kann. Wenn es kein Gesetz dazu gibt…

        Beiden kann man da evtl. ein Fehlverhalten vorwerfen. Herr Schaar darf der Telekom keine solche Zusage geben und die Telekom sollte diese einfach nicht beachten.
        Dass sich Unternehmen heute ihren Kunden nicht mehr verpflichtet fühlen.

      2. @Alvar

        Das ist sicher richtig, aber ich bin trotzdem unzufrieden. Gerne habe ich gestern zur Kenntnis genommen, daß auf EU-Ebene die Geodaten jetzt unter strenge Schutzgesetze gestellt werden sollen. In diesem Zusammenhang kommt ebenfalls das IP-Problem auf den Tisch, welches ja so heiß umstritten ist. Denn auch die IP-Nummer ist ein höchst privates Gut, welches ebenfalls im Rahmen der Geodaten genannt werden muß.

        Werde die weitere Schaffenskraft der Euros beobachten. Und Herr Schaar geht hoffentlich irgendwann „in Rente“.

        Peer

  3. Saugeil, der erste Lobby-Brief vom Digitale Gesellschaft e.V. und sie blamieren sich gleich bis auf die Knochen. Wie kann man Sperr-Verbot fordern und dabei die Bundesländer vergessen? Die haben halt keine Ahnung von der Sache, aber poltern laut herum. Ist halt ein Eigen-PR-Verein.
    Vergleicht das mal mit dem Brief vom AK Zensur! Der hat immerhin Substanz und die wissen wovon sie reden.

    1. Sperr-Verbot fordern und dabei die Bundesländer vergessen

      Siehst du, und die Hoffnung ist, dass die Adressaten das genau wie du nicht checken, und dem Vorschlag zustimmen, Sperren per Bundesgesetz zu verbieten.

    2. Tim, noch eine kurze Erläuterung zu dem Ansatz:
      – das TKG bindet private Akteure, auch untereinander
      – staatliche Akteure sind durch 10 GG bereits gebunden

      Vielleicht ergibt es so ja in Deinen Augen doch etwas mehr Sinn.

  4. @Tim
    Dann ist es doch gut, dass es beide gibt. Die DG sollte ja auch die anderen Vereinigungen weder verdrängen noch ersetzen – sondern ergänzen. Wenn der AK Zensur hier mehr Expertise hat, ist doch gut. Die DG wird sie vielleicht an anderer Stelle schaffen, wenn das Projekt mehr Fahrt aufgenommen hat.

    1. Das ist so in diesem Falle nicht richtig. Beim AK Zensur hatten wir das auch angedacht, die Juristen hatten aber Bedenken. Insgesamt ist das also leider komplizierter:

      Eine bundesrechtliche Regelung allein wäre hier nicht zielführend und wegen fehlender Gesetzgebungskompetenzen des Bundes in diesem Bereich (Artt. 70 Abs. 1, 73, 74 GG) für die Länder auch nicht bindend.

      Mehr und weiteres hier.

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