FBI: Psychologische Profile der Anonymous-„Führung“ (Update)

Update: Cryptome hat die Dokumente widerrufen und als „gut gemachte, aber bei genauem Blick nicht überzeugende Fälschung“ bezeichnet. Es ist nicht alles echt, was leakt…

Auf Cryptome.org tauchten heute vom FBI verfasste psychologische Profile der „Führung“ von Anonymous auf.

Beim Profiling (dt. Fallanalyse) versucht man, aus dem vorhandenen Wissen über einen unbekannten Täter Informationen über dessen Persönlichkeit abzuleiten und zum Beispiel den Personenkreis einzugrenzen, aus dem der Gesuchte stammt. Die wohl bekanntesten (und unrealistischsten) fiktiven Beispiele für Fallanalytiker sind wohl Hannibal Lecter und Clarice Starling.

Die Wirklichkeit sieht ein bisschen anders aus, wird aber ganz gut im Nebel gehalten, weil man den „Bösen“ keine Einsichten in die eigene Arbeitsweise geben möchte. Im Fall von Anonymous haben sich die FBI-Profiler hauptsächlich auf Äußerungen im Anonymous-IRC-Chat gestützt. Der Bericht beginnt mit einem Wikipedia-Ausschnitt über Anonymous, um dann ganze 6 Anonymous-„Führer“ auf 3 Seiten abzuhandeln.

Über das Mitglied Sabu gibt es dann so tiefgreifende Erkenntnisse wie „schreibt gut Englisch, scheint also englisch zu sein“ und „ist bei LulzSec, hat also Ahnung von Computersicherheit. Es ist wahrscheinlich, dass er in diesem Feld arbeitet.“ und – sehr überraschend – er glaubt nicht an moralische Grundsätze und zeigt nihilistische Tendenzen.

Bei Kayla, einem Mitglied, das sich als weiblich ausgibt, legen die Analytiker dann einen drauf: Die Person betreibt ein Botnetz, also ist sie ein Mann. Dass sie sich als Frau ausgibt, ist nicht etwa ein harmloser Fnord, nein, sie hat Probleme mit ihrem Geschlecht, ist womöglich bisexuell und wahrscheinlich als Kind misshandelt worden. Und Drogen nimmt sie wohl auch.

Weil Kayla recht schnell wütend wird, empfehlen die Profiler, sie möglichst oft zu reizen – in der Hoffnung, dass sie ausrastet und Fehler macht. Generell wird empfohlen, dass sich verdeckte Ermittler in die Anonymous-IRCs begeben, und versuchen sollen, die Menschen gegeneinander aufzubringen und Misstrauen zu säen. Die Beziehungen untereinander werden als der größte Schwachpunkt Anonymous‘ angesehen. Dass man dort jetzt ansetzen muss steht für die Profiler außer Frage: „Ihre zunehmenden Angriffe auf Infrastruktur werden schlussendlich ernsthafte Folgen haben, die sogar zu Todesfällen führen können.“

Wie ich schon andeutete wird die operative Fallanalyse nicht so öffentlich diskutiert, wie andere psychologische und forensische Disziplinen. Ihr mutet deshalb ein bisschen die Aura des Geheimnisvollen an. Was lehrt und lernt das FBI in Quantico? Können sie wirklich aus winzigen Details des Tathergangs sicher auf den Täter schließen? Kennen sie Geheimnisse der Psychologie, von denen wir gar nichts wissen?

Nach der Lektüre dieses insgesamt 8-seitigen Berichts bin ich in der Hinsicht größtenteils beruhigt. Es ist Küchenpsychologie par excellence.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

24 Ergänzungen

  1. „Die Person betreibt ein Botnetz, also ist sie ein Mann.“ Äh, nö: Intelligence gathered heißt hier nicht, dass Kayla so intelligent ist, dass es sich um einen Mann handeln muss, sondern es geht um die vom FBI zusammengetragenen Informationen. Übersetzt heißt das also etwa: „Kayla behauptet, ein Mädchen zu sein, aber nach den gesammelten Erkenntnissen ist der UNSUB männlichen Geschlechts.“

    1. Dass ich „intelligence gathered“ als „die Person ist intelligent“ übersetzt hätte, nehme ich persönlich verweise auf die Tatsache, dass ich es offenkundig nicht getan habe.
      Wenn du den Bericht zu Ende liest, wirst du den Hinweis sehen, dass die einzige Quelle die Chatprotokolle sind, und der Betrieb eines Botnetzes wiederum die einzige in dem Bericht erwähnte daraus gewonnene Information.
      „the intelligence gathered places…“ ist eine Phrase für „Unser Gesamteindruck, für den wir keinerlei Beleg haben“

      Ich muss schon sehr schmunzeln, dass du hier diesen Kram jetzt auch noch verteidigst.

    2. ähm mal ne frage könnte mir einer sagen wie lange in der regen psychologie studium dauert und was mann für vorraussetzungen mit brinegen muss

  2. Weil Kayla recht schnell wütend wird, empfehlen die Profiler, sie möglichst oft zu reizen – in der Hoffnung, dass sie ausrastet und Fehler macht.
    Kann man sich dafür bewerben? Ich wollte schon immer ein professioneller Troll werden.

  3. Nur weil ich mir nicht ganz sicher bin, aber der Link auf den Stern in der BILD äh ich meine Panorama Sektion, ist als weiteres komödiantes Gimmick gemeint?

  4. „Die Person betreibt ein Botnetz, also ist sie ein Mann.“
    Das ist natürlich nur eine Scheinbegründung für die Vorgesetzten. In Wahrheit hat man sich hier an einen der wichtigsten Grundsätze des Internets gehalten:

    „Männer sind Männer,
    Frauen sind Männer
    und Kinder sind FBI-Agenten.“

  5. Zum ersten Absatz:

    „Beim Profiling (dt. Fallanalyse) versucht man, aus dem vorhandenen Wissen über einen unbekannten Täter Informationen über dessen Persönlichkeit abzuleiten […]“

    Dank des mitgelieferten Wikipedia-Artikels kann ich aus eben diesem zitieren:
    „Ein Fallanalytiker erstellt keine „psychologischen Täterprofile“, wie fälschlich angenommen wird.“

    Korrektur?

    1. Äh, Inwiefern widersprechen sich denn die beiden Sätze?
      Aber witzig, dass du einen Psychologen mit Wikipedia-Zitaten trollst ;-)

  6. Ehem, hab ich da was falsch verstanden? Ich dachte immer, der tatsächliche Witz bei Anon wäre, dass die keine Führung haben?

  7. Das PDF hat sich geändert: „FBI Psychological Profiles of Anonymous Leadership is a joke. Pretty well done but not convincing if read carefully.“

  8. Nicht ohne Grund werden psychologische Täterprofile von vielen Ermittlungsbehörden immer wieder als Quelle der Heiterkeit betrachtet.

  9. Ich weiß gerade nicht, was mir mehr Sorgen macht. Die sinnfreie Verbreitung von so einem Schwachsinn, selbst auf dieser Plattform oder die Frage zur Herkunft desselben.

    Eines glaube ich: Man braucht scheinbar keine Angst mehr haben, Dokumente zu fälschen, merkt in aller Regel eh kein Schwanz.

  10. „Es ist nicht alles echt, was leakt…“

    Es ist vielleicht auch nichts alles gefälscht, was als solches bezeichnet wird. Es wäre jedenfalls hilfreich, eine lokale Kopie anzubieten, damit der geneigte Leser sich ein eigenes Bild machen kann.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.