Podiumsdiskussion zum Schultrojaner

Gestern fand im Gebäude der Heinrich-Boell-Stiftung eine Podiumsdiskussion zum Schultrojaner statt.

Der Generalsekretär der Kultusministerkonferenz, Udo Michallik, stellte sich dabei der Kritik von Claudia Dalbert (Fraktionsvorsitzende der Grünen in Sachsen-Anhalt), „Bildungshacker“ Guido Brombach und André J. Spang, Lehrer aus Köln und e-Learning-Spezialist. Vertreter der Schulbuchverlage waren angefragt worden, hatten allerdings laut Moderator und Pisa-Versteher Christian Füller keine Lust, „auf die Fresse zu bekommen“.

Die Rollenverteilung in der Diskussion war eindeutig: Brombach ordnete das Lobbying der Schulbuchverlage in eine Reihe mit den Bemühungen der Lexikonverlage, trotz Wikipedia noch ein bißchen Geld zu verdienen ein und zeichnete das Zukunftsbild von obsoleten Schulbüchern, an deren Stelle ein Markt kleiner Wissensbausteine trete. Spann beschrieb die Aufregung im Kollegium um das Thema Schultrojaner, die dazu führte, dass Kollegen, die mühsam vom Internet und den Möglichkeiten des e-Learning überzeugt werden mussten wieder Abstand davon nähmen. Dalbert merkte an, dass bereits während der Verhandlungen zwischen KMK und Verlagen Datenschutzbeauftragte einbezogen hätten werden müssen.

Michallik hatte die undankbare Aufgabe, zu erklären, was sich die Kultusministerkonferenz beim Unterzeichnen der Verträge gedacht hatte. Die Distanzierung vom Thema – die Software sei Wunsch der Verlage gewesen und er könne hier nicht für diese sprechen – geriet dabei ein wenig unglücklich. Er nannte das Ganze eine Phantomdebatte, die frühestens geführt werden könne, wenn die Software tatsächlich existiere. Nachverhandlungen könne es dementsprechend nicht geben, denn der Anlass für diese existiere ja noch nicht. Es müsse im übrigen sichergestellt werden, dass die Software auch wirklich nur für die Verlage Relevantes überprüfe.

Aus dem Publikum kam noch ein interessanter Beitrag zur Problematik der Barrierefreiheit von Schulbüchern, bei der die Verlage bisher wohl einen ziemlich miesen Job machen und integratives Lernen mit Sehbehinderten durch lange Lieferfristen erschweren. Die Publikumsfrage, warum Schulbücher nicht als von Beamten verfasste Werke amtliche Werke sein könnten, wurde leider vom selbsterklärten Nicht-Urheberrechts-Spezialisten Michallik mit dem Hinweis beantwortet, dass Lehrer, die an Schulbüchern arbeiten, doch oftmals bereits Beamte seien.

Dank Einwürfen von Malte Spitz und Jan Engelmann wurde dann noch ein wenig über Open Educational Resources (OER) diskutiert. Engelmann berichtete von den Problemen von Wikimedia, einen Kooperationspartner unter den Schulbuchverlagen zu finden.

Das Video der Veranstaltung wird demnächst in der Mediathek der Boell-Stiftung verfügbar sein.

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10 Ergänzungen

  1. Ich fand die Weigerung von Michallik, sich auf dei Frage von mir zu äussern, warum man Schulbücher nicht als Amtliche Werke heraus gibt, äußerst befremdlich. Amtliche Werke (§5 Urhebergesetz) sind urheberrechtsfrei und Michallik hat den Schultrojaner nur mit dem Urheberrecht begründet.

    Der Einwand von ihm, dass schon jetzt Beamte an der Erstellung der Bücher mitwirken, war völlig sachfremd, da es um Amtliche Werke ging.

    Wenn Schulbücher amtliche Werke sind, können Verlage diese ohne Lizenzkosten drucken und in Schulen verkaufen, haben aber kein Urheberrecht daran, das man zur Legitimation der stasiartigen Beschnüffelung von Lehrern und Schülern heranzieht.

    Herr Michallik steht also nicht auf der Seite der Lehrer und Schüler, sondern betätigt sich einseitig als Lobbyist der Buchindustrie. Die Aussagen, dass die vereinbarte Beschnüffelung ja noch nicht realisiert worden sei, ist eine unverschämte Dreistigkeit. Die KMK verschwört sich mit Privaten gegen Lehrer und Schüler auf Kosten des Steuerzahlers und wir sollen den Mund halten, bis die Verbrecher uns ausplündern? Welches Staatsverständnis hat denn der CDU-Mann Michallik? Will er das Bimbessyndrom fortsetzen, das mit Hilfe der CDU der Staat nur zum Plündern der Bürger da sei?

    Dieser Mann ist eine völlige Fehlbesetzung auf diesem Amt. Er kann sich nicht konzentrieren, beantwortet Fragen nicht, kommt nicht zum Thema Schultrojaner.

      1. Wenn Michallik den Begriff „Amtliches Werk“ nach §5 Urhebergesetz (http://www.gesetze-im-internet.de/urhg/) nicht kennt, sich aber bei der Beschnüffelung von Lehrern und Schülern zum wirtschaftlichen Vorteil privater Verlage aber auf eben dieses Recht beruft, dann ist der Mann in dieser Funktion untragbar. Dann ist purer Lobbyismus zugunsten privater und eine andere Form von Landesverrat. Der CDU-Mann und der Vertrag zur Beschnüffelung von Lehrern und Schülern müssen weg. Das ist ja sowas von verfehlter Staatskunst. Das dürfen wir Bürger uns nicht bieten lassen.

      2. Ohne hier zu der Podiumsdiskussion etwas sagen zu können, an der ich nicht teilgenommen habe, einige Gedanken zum Vorschlag, Schulbücher zu amtlichen Werken zu machen:
        Für die Lehrer, die Schulbücher als Autoren amtlicher Werke schreiben sollen, würde dies bedeuten, dass ein monetärer Anreiz, sich zusätzlich zu ihren Lehrverpflichtungen an das Verfassen von Lehrwerken zu setzen, entfiele. Schulbücher werden derzeit überwiegend in den Ferien, an Wochenenden oder Abenden unter Entbehrung von Familien- bzw. Freizeit geschrieben. Bislang ist es so, dass demjenigen, der das beste bzw. im Markt erfolgreichste Schulbuch schreibt, zumindest bei gängigen Schulfächer als Kompensation nennenswerte Tantiemen zufließen. Fällt diese Aussicht weg, würde vermutlich ein nicht geringer Teil der Autoren ihr Engagement reduzieren oder einstellen. Um das Entstehen neuer Bücher mit neuen Impulsen zu stimulieren, müssten die Schulen bzw. die Kultusministerien als geeignet vermutete Lehrkräfte für das Schreiben von Büchern freistellen, d.h. letztlich die Zahlung ihres Autorenhonorars übernehmen. Dann würde aber die Evaluation der Qualität eines Autors nicht mehr, wie bisher, durch das Lektorat anhand eines angebotenen konkreten Projekts erfolgen, sondern durch die Kultusbürokratie anhand „marktferner“ Kriterien. Werden die Schulbücher dadurch besser werden? Und was ist mit Lehrern an Privatschulen – sollen die zur Strafe für die Idee, ein neues, besseres Schulbuch zu verfassen, gleich ganz enteignet werden?

        Selbst wenn aber in einem solchen System einmal ein innovatives, besseres Schulbuch entstünde: Wer bringt dann das Geld auf, es zu lektorieren, inhaltlich zu veredeln, zu vermarkten und bekannt zu machen und ihm zur Durchsetzung zu verhelfen? Von den Schulbuchverlagen kann man das dann nicht mehr erwarten, weil Aufwendungen ja nur den Markt für einen Wettbewerber bereiten würden, der den erfolgreich eingeführten und als amtliches Werk gemeinfreien Inhalt billiger anbieten würde.

        Letztlich führte uns eine Umsetzung der Idee also wohl mitten hinein in ein Staatsschulbuchwesen, in dem von der Schulbürokratie auserkorene Verfasser Schulbücher schreiben würden, die von einem Staatsschulbuchverlag redigiert und hergestellt würden. Glaubt hier jemand, dass dadurch die Schulbücher besser würden als sie heute sind? Wer weiß, dass bei Schulbüchern der Anteil des Verlags an der Entstehung eines Buches unvergleichbar viel höher als z.B. bei belletristischen Titeln ist, wird an die Heilskraft des Gedankens, Schulbücher zu amtlichen Werken im Sinne von § 5 UrhG zu machen, nicht recht glauben können.

      3. „Selbst wenn aber in einem solchen System einmal ein innovatives, besseres Schulbuch entstünde: Wer bringt dann das Geld auf, es zu lektorieren, inhaltlich zu veredeln, zu vermarkten und bekannt zu machen und ihm zur Durchsetzung zu verhelfen?“

        Mit Verlaub: das ist eine der unsinnigsten Argumentationen, die ich je gehört habe. Das hört sich so an, als wenn die Schulbuchverlage karikative Unternehmen wie die katholische Kirche wären. Wem nützt solche Weltfremdheit?

        Natürlich werden doch auch heute schon die Aufwendungen von den Nutzern und Steuerzahlern gezahlt. Wie denn auch sonst? So viel marktwirtschaftliche Grundkenntnisse sollte man haben, wenn man sich auf den Markt beruft.

        Was Sie hier vorschlagen ist zynisch: Wir haben über 600.000 Lehrer. Und Sie sagen: Bücher gibt es nur, wenn ein paar davon, sich nebenbei einen Nebenverdienst aus den Kenntnissen aus ihrem Unterricht und ihrer kostenlosen staatlichen Ausbildung dazuverdienen, zu dem Preis, dass alle Lehrer und alle Schüler auf ihren Rechnern ausspioniert werden dürfen? Wenn wir es nur schaffen, Schulbücher zu produzieren, wenn Kinder und Lehrer beschnüffelt und ausspioniert werden, dann sollten wir auf Bücher ganz verzichten.

        Ich wette, für eine ordentliche Freistellung gewinnen wir tausende von den 600.000 Lehrern dafür,ordentliche Schulbücher zu produzieren ohne Schnüfflei für die Privatwirtschaft.

        Die gleichen unsinnigen Argumente von den früher von der Encyclopædia Britannica vorgetrage, Heute kommt keiner mehr an wikipedia vorbei und wissenschaftliche Untersuchung haben die Behauptung von geldgierigen Einzelnen widerlegt, dass die Qualität schlechter sei.

        Sie werden sehen, dass die Bürger es nicht zulassen werden, dass für die Geldgier einiger weniger Millionen Schüler und Lehrer mit Trojanern beschnüffelt werden sollen. Wer nicht das Urheberrecht der Amtlichen Werke will, wird das Ausscheiden aus dem Markt der Schulbuchverlage beschleunigen. Lieber Verstaatlichen wir die Schulbuchproduktion als unsere Kinder an Stasi-Methoden erneut heranzuführen.

        Mir ist vollkommen unverständlich, wie freie Bürger dem Schnüffelstaat immer noch das Wort reden können nach Gestapo, Stasi und Verfassungschutz (der das Nazi-Verbot verhindert) bei uns im Land.

  2. „Es müsse im übrigen sichergestellt werden, dass die Software auch wirklich nur für die Verlage Relevantes überprüfe.“

    Woher will die Software VORHER wissen, welche doc-, jpeg, bmp, pdf, …-Datei in den jeweiligen Nutzeraccounts tatsächlich gescannte Lehrbuch-Seiten enthält?

  3. Was an der Disskussion interessant ist, dass sie eigentlich völlig vernachlässigt, warum Schulen/Lehrer eigentlich Unterrichtsmaterial kopieren und einscannen.
    Es ist ja nicht so, dass man als Lehrer in der Klasse steht und sagt: „Liebe Schüler ich habe da mal während meiner Vorbereitungszeit, diese wunderschönen Grafiken erstellt und mir dann auf die schnelle 2 Seiten wissenschaftlichen und euerm Lern-Niveau angemessenen Text aus den Rippen geleiert.“
    Und in Wahrheit hat der böse Lehrer alles nur aus einem Lehrbuch gescannt und gibt vor der Uhrheber zu sein.
    Nein der Grund, warum er dass tut ist, dass die Schüler das Buch nicht haben und es auch im Buget nicht vorgesehen ist.
    Jede Schule würde mit Sicherheit lieber allen ihren Schülern aktuellen guten Bücher geben, damit sie daraus Lernen, statt ihnen Kopien in die Hand zu drücken, die dann verloren gehen.
    Aber dafür ist keine Geld da.
    Der Lehrer wird also vom Land gezwungen mit schlechtem Schulmaterial zu arbeiten, da er sich sonst straffbar macht, weil dass Land nicht bereit ist, für Bildung Geld auszugeben.

    Im Westen also nichts Neues.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.