Netzpolitikbier

Vor etwas mehr als einem Jahr fand – als spontane Idee auf Twitter und irgendwie aus Versehen – das erste Netzpolitikbier in Berlin statt. Weil dann jemand einen Twitter-Hashtag hatte (#npbb) und das Ganze offenbar für eine gute Idee gehalten wurde, hat es sich dann quasi institutionalisiert. Seitdem gibt es in diversen Städten mehr oder weniger regelmäßig ein gemeinsames Biertrinken von Leuten, die an Netzpolitik interessiert sind und drüber reden wollen, die aber nicht unbedingt zu einem AK-Vorrat- , CCC- oder gar Parteien-Treffen gehen wollen.

Ich weiss bisher neben Berlin von Brüssel, Wien, Mainz, München, Kiel, Braunschweig, Rostock und Freiburg. Als ich im Mai auf einer Konferenz in Luxemburg war, ergab sich auch dort eins, das seitdem bereits mindestens ein weiteres Mal stattgefunden hat. In Washington während der „Computers, Freedom and Privacy“-Konferenz im Juni hatte ich fest vor, eins zu organisieren, aber es stellte sich heraus, dass das dort anders heisst, nämlich „Reception sponsored by $NGO“.  Nicht alle scheinen sich regelmäßig zu treffen, jedenfalls benutzen nicht alle den Meta-Hashtag „#npbx“ dafür.

Als Übersicht bietet sich die Seite npbx.wordpress.com an, die versucht, international den aktuellen Überblick zu behalten. Die Tweets dazu werden auf der neuen deutschsprachigen Seite netzpolitisches-bier.de aggregiert.

Wie auch immer, es gibt offenbar einen Bedarf. Und es ist ja auch ganz einfach: Man reserviert in einer Kneipe einen größeren Tisch, kündigt das ganze an (gut zu funktionieren scheint per @-mention auf Twitter von Leuten, die man schon kennt, plus meta-Hashtag #npbx)

Ingo Jürgensmann, der das in Rostock organisiert, hat jetzt mal gebloggt, dass es dort etwas anders aufgezogen wird als in Berlin oder Brüssel (wo ich er aus eigener Erfahrung kenne und wo es sehr informell zugeht):

[E]s kristiallisierte sich durchaus heraus, daß es unterschiedliche Ansätze von netzpolitischen Bieren gibt:

  • Treffen von interessierten Netzaktivisten untereinander
  • Treffen von Politikern mit Netzaktivisten

Das soll nicht heißen, daß es sich nicht auch durchmischen kann, aber wir verfolgen in Rostock den zweiten Ansatz und versuche eben, beide Lager miteinander ins Gespräch zu bringen. Zum einen, damit Politiker die Meinungen der Netzaktivisten kennenlernen, zum anderen aber auch, damit die Netzaktivisten auch von den Politikern lernen können, wie Politik gemacht wird und daß es eben meistens nicht so einfach ist, wie wir Netzaktivisten uns das landläufig vielleicht so vorstellen.

Ich bin weiterhin ein Freund des gepflegten informellen Biertrinkens und Quatschens und Pläne-Ausheckens unter Homies, aber ich habe seit seinem Blogpost das Gefühl, dass in dem Format noch mehr Potenzial steckt. In Berlin hat man es ja mittlerweile sogar zum netzpolitischen Katerfrühstück geschafft, das ein anderes Format hatte und auch extra Politiker eingeladen hatte. Die usual Suspects treffen sich in diesen Städten mit großer Polit-Szene wie Berlin oder Brüssel ja eh ständig.  In anderen Städten ist das sicher anders, da müssen sich die interessierten Leute vielleicht erstmal ohne Politiker informell treffen, oder es gibt gar keine Politiker, die dafür in Frage kämen.  Oder es gibt Potenzial für beides. Vielleicht auch mal für ein Netzpolitik-Speeddating. Oder oder oder.

Was sind eure Erfahrungen? Welche Formate wäre noch interessant? Welche ähnlichen Veranstaltungen gibt es noch so?

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11 Ergänzungen

  1. Den Plan mit Netzpolitik-Speeddating find ich gut. Wer will nicht mal an nem Tisch sitzen, an dem völlig unbekannte Männer euphorisch in der Schlange stehen? Nur darauf wartend, endlich mit mir ins Gespräch über Netzpolitik zu kommen.

  2. Falls es in Erfurt Interessenten gäbe.. netzpolitisch müsste man da mal was aufziehen, tote Hose bisher :(

    1. Einfach anfangen und machen! Das ist das, was ich beim #npbhro gelernt habe. Such dir auf Twitter oder auf Blogs andere interessierte Leute, schreib einfach mal den einen oder anderen Kommunalpolitiker an und fragt diesen dann, ob sie Interesse haetten, in lockerer Runde mal ein bisschen ueber Open Data, Netzsperren, den Erfolg der Piraten oder sonstige netzpolitische Themen zu sprechen.
      Auch wenn sich nur drei interessierte Buerger finden, dann seid ihr schonmal zu dritt und koennt auch schon etwas bewegen. Moeglichkeiten gibt es viele und irgendwie macht es dann nicht nur Spass, sondern ist auch erfuellender, wenn man etwas tut, als immer nur im Netz ueber die boesen Politiker zu schimpfen. :-)

  3. In Köln hat es bisher 2 netzpolitische Biere gegeben. Köln ist diesbezüglich aber eher schwach aufgestellt, wobei sich die Aktivitäten so langsam steigern. Cdu und spd sind so einigermaßen aufgestellt während die grünen auf dem Gebiet zu wünschen übrig lassen. Und dann sind da noch die Piraten, die in Köln lange Zeit nicht den gleichen sauberen Job gemacht haben wie in Berlin.
    Bleibt abzuwarten wie sich das in Köln entwickelt.


    1. In Köln hat es bisher 2 netzpolitische Biere gegeben. Köln ist diesbezüglich aber eher schwach aufgestellt

      in Bezug auf das Bier, oder die Netzpolitik?

  4. In Darmstadt gibt es demnächst etwas ähnliches. wir nennen es aber Blogger und Twitterer Treffen. Außerhalb Berlins ist netzpolitik etwas dünner besiedelt deshalb wollen wir zunächst einmal überhaupt am Netz begeisterte an einen (Stamm)tisch bringen. Online-Journalisten, Informatiker, Blogger, ISEler. Und dann mal sehen was daraus entsteht

  5. Meine teilweise auf Erfahrungen basierende Befürchtung: Tolle netzpolitische oder -kulturelle Projekte driften mit zunehmendem Institutionalisierungsgrad zunehmend in Richtung Markt oder in Richtung Parteien/Staat.

    Das Trinken von Alkohol trägt teilweise zur Institutionalisierung bei (man trifft sich zu bestimmten Zeiten und Orten, wird auf bestimmte Art und Weise „mal locker“) unterwandert diese andererseits auch wieder (Trunkenheit führt ab einem bestimmten Grad zu Unberechenbarkeit).

    Um den Institutionalisierungsgrad etwas zu brechen und auch um mehr Schnaps-Ideen zu stimulieren, wäre ich dafür, dass die Teilnehmer_Innen solcher Veranstaltungen dort nur Wodka statt Bier trinken dürfen. Und zwar verpflichtend.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.