Netzpolitik im Parteiprogramm von Die Linke

Die Linke hat heute auf ihrem Erfurter Parteitag ein Parteiprogramm beschlossen, wo es auch einen Abschnitt zu Netzpolitik gibt. In diesem bekennt sich Die Linke zu einer gesetzlichen Festschreibung der Netzneutralität, gegen Netzsperren, für mehr Datenschutz, Open-Government, E-Demokratie und irgendwie weniger Massenmedien in Besitz des Kapitals.

Hier ist der komplette Text:

Demokratisch kontrollierte Medien

Medienmacht und Medienmanipulation sind eine Gefahr für die Demokratie. Um so wichtiger ist die Bewahrung eines freien Internets ohne Zensur und mit festgeschriebener Netzneutralität. Das Internet ist für DIE LINKE ein öffentliches Gut, die Netzinfrastruktur gehört unter gesellschaftliche Kontrolle und muss demokratisiert werden. Demokratische Medien erfordern demokratische Redaktionsstatuten, die Stärkung einer breiten Gegenöffentlichkeit sowie die Anwendung des Kartellrechts auf den Mediensektor.

Medienbildung muss im digitalen Zeitalter als gesamtgesellschaftliche Aufgabe begriffen werden. DIE LINKE fordert Medienbildungsangebote, die für alle Bevölkerungsgruppen unabhängig von Alter, sozialer Lage und Region zur Verfügung stehen und Kompetenz im Umgang mit dem Internet und digitalen Medien zu vermitteln.

Bürgerinnen und Bürger müssen analytische Fähigkeiten entwickeln, um digitale Medien und Inhalte zu verstehen, kritisch zu bewerten sowie selbst in vielfältigen Kontexten zu kommunizieren. Eine patriarchal gedachte Verbots- und Bewahrpädagogik, die auf Basis eines repressiv verstandenen Jugendschutzes kompetenten Medienumgang zu beschränken versucht, ist nicht im Sinne eines emanzipatorischen Menschenbildes – dies lehnt DIE LINKE ab.

Viele Menschen haben keinen Zugang zu modernen Medien und können somit nicht die Möglichkeiten nutzen, die mit moderner Informationstechnologie verbunden sind. Die Massenmedien befinden sich überwiegend im Besitz weniger Konzerne und Finanzinvestoren. Sie bestimmen mit, was wir lernen und wissen, worüber wir reden und was wir meinen sollten. Mediennutzung und Kontrolle durch Medien überlappen sich immer mehr. DIE LINKE kämpft gegen diese Spaltung, gegen Überwachung und Kontrolle, für Informations- und Meinungsäußerungsfreiheit und für die Stärkung öffentlich-rechtlicher Medien.

Demokratie in der digitalen Gesellschaft

Das Netz bietet für Partizipation, Offenheit und Transparenz neue Möglichkeiten. Dort findet mehr und mehr öffentliche Meinungsbildung statt. Die Möglichkeiten für mehr gesellschaftliche Teilhabe an politischen Entscheidungen im digitalen Zeitalter muss DIE LINKE aufgreifen – im Sinne auch von Bürgerinnen und Bürgern, die sich von der Politik abgewandt haben. DIE LINKE öffnet sich für das demokratische Potenzial des Netzes, die gesellschaftliche Teilhabe durch Open Government und E-Demokratie (bspw. Online-Petitionen, Bürgerhaushalte) zu verteidigen und auszubauen. Wir setzen uns ein für ein verstärktes Angebot und die Nutzung von Open Data, also nicht genuin schützenswerten Daten wie Archiven und Haushaltsdaten oder Rechtstexten.

Auch Soziale Netzwerke im Internet, Suchmaschinen, Geodatendienste, Online-Shops und andere Inhalte-Anbieter sammeln weltweit persönliche Daten von Millionen Menschen, auch gegen deren Willen, und verknüpfen diese. Immer vielfältigere Datenprofile von Nutzerinnen und Nutzern entstehen und werden privatwirtschaftlich verwertet. Der Vorteil frei zugänglicher Information und sozialer Interaktion wird durch die

Ausbeutung privater Daten aufgehoben. Die Welt als ein mediales Dorf benötigt Schutzmechanismen, damit der Mensch im digitalen Zeitalter nicht unter den Datenmengen und ihrer Verwertung begraben wird.

Gleichheit und Freiheit im Netz

Information ist zu einer noch entscheidenderen Ressource und Produktivkraft geworden. In den Netzwerken der digitalen Informationsproduktion und Kommunikation haben Nutzerinnen und Nutzer weltweit dezentrale Wissensbestände abrufbar gemacht, Zugangsmöglichkeiten zum kulturellen Gedächtnis demokratisiert und neue Formen von Öffentlichkeit geschaffen. Der Zugang zur Wissensproduktion, die Entscheidungsmacht über Auswahl und Einsatz von Informationen bestimmen darüber, von wem und wie die Netzwerke digitaler Kommunikation künftig beherrscht werden. Der Zugang zu Kommunikation und Information, als die Eigentumsfrage, und die Möglichkeiten zum Erwerb digitaler Kulturtechniken bilden die Grundlage für Demokratie, Pluralismus und Meinungsbildung im Internet. DIE LINKE fordert, die Infrastruktur für ein schnelles Internet als Grundversorgung für alle bereitzustellen. Wir wollen die Freiheit des Wissens in der digitalen Welt verteidigen und ausbauen. Das System der offenen Informationsbereitstellung stößt zunehmend auf den Widerstand von Kontroll-­ und Geschäftsinteressen. Es soll weitreichenden Beschränkungen unterworfen werden. Privatwirtschaftliche Oligopole und staatliche Überwachungsinteressen bedrohen die dezentrale Struktur des Internets und damit die Gleichheit und Freiheit im Netz.

Wir treten für die Vielfalt der Netze ein. Wir lehnen Netzsperren sowie das Durchleuchten und Filtern von Inhalten ab. Informationen müssen frei sein. Mit der digitalen Technologie wurde der Zugang zu Wissens-­ und Kulturgütern geöffnet und erweitert. Ihr Verständnis als öffentliche Güter ist inzwischen alltäglich. Statt Nutzerinnen und Nutzer zu kriminalisieren, sind politische Lösungen für neue Vergütungsmodelle der Kreativ-­ und Kulturschaffenden zu entwickeln.

Das Internet kann als Plattform zur freien Selbstorganisation, zur Umgehung von Konzernzwängen und Meinungsmacht genutzt werden. Es ermöglicht allen, selbst kreativ zu werden und Gegenöffentlichkeiten zu schaffen. Wir unterstützen Nutzerinnen und Nutzer, denen es um die Freiheit geht, sich zu informieren und zu äußern.

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22 Ergänzungen

  1. Was heißt der Satz?

    „Der Zugang zu Kommunikation und Information, als die Eigentumsfrage, und die Möglichkeiten zum Erwerb digitaler Kulturtechniken bilden die Grundlage für Demokratie, Pluralismus und Meinungsbildung im Internet.“

    1. Es bedeutet dass man erstmal einen Internetzugang und einen Computer haben muss bevor man mitmachen kann.

  2. Nichts erkennbar schädliches drin, immerhin. Die gesellschaftliche Bedeutung des Internets scheint man dort allerdings allenfalls am Rande zu erahnen.

  3. Was bedeutet denn „Demokratische Kontrolle“? Doch nichts anderes als das die Kontrolle von der Mehrheit ausgeübt wird. Wenn also die „Mehrheit“ (wie auch immer diese zustande gekommen ist) beschließt das gewisse Nachrichten nicht gesendet werden dann haben wir den selben Zustand wie er heute schon im größten Teil der Medienlandschaft vorherrscht. Hinzu kommt dass das Internet mit zu dieser Medienlandschaft gerechnet wird und „Die Linke“ dieses dann auch der „demokratischen Kontrolle“ unterzieht.
    Ein Schelm der Böses dabei denkt……

    1. Na Du willst offensichtlich eine nicht-demokratische Kontrolle über die Netzinfrastruktur. Das haben wir ja schon, und das bedeutet den Abschied von der Netzneutralität durch die Netzbetreiber.

  4. Eine weitere durchaus interessante Feststellung der Situation. Ich kann aus den Pseudovorschlägen zunehmend weniger konkrete Lösungsansätze lesen, als viel mehr einen Fahnenschwenk erkennen, dass der Zug schon rollt auf den es aufzuspringen heißt. Schön, dass das Internet jetzt (?) endlich da ist und dass es eine breite Basis gibt, die bestehenden Defizite auszubessern und an ihnen zu arbeiten. Aber bedarf es um mit der Arbeit zu beginnen nicht auch eine Zielsetzung? Also als grundlegende Voraussetzung einen Ansatz zu entwickeln, WIE man dieses Ziel erreichen will? Und stehen die Probleme nicht auch schon seit Jahren fest? Wenn ich den Auszug von oben so lesen, frage ich mich, ob ich das wirklich brauche, also eine weitere Feststellung WAS schlecht ist und wo Ansatzpunkte sind. Viel lieber wären mir konkrete Vorschläge.

    1. @cleev: Man sollte hier beachten, dass es sich um ein Grundsatzprogramm handelt, was in der Regel offener formuliert ist und Leitlinien beschreibt. Konkrete Umsetzungsszenarien gibt es bei Parteien in der Regel in anderen Papieren,

    2. @cleev Ins Programm kommen Grundsätze. In unserem Absatz zu netzpolitischen Themen beschreiben wir, dass wir – wie in anderen Feldern auch – individuelle Freiheitsrechte und soziale Teilhabe als unteilbar ansehen und anhand dieser Grundsätze unsere konkreten Linien entwickeln. Was dabei über den Rahmen der in der Partei aktiven Netzpolitiker anerkannt ist, steht dabei schon drin, z.B. OpenData und Netzneutralität oder die Ablehnung von Sperrinfrastrukturen.

      Wie viele andere Fachthematiker werden auch wir Netzpolitiker basierend auf dem neuen Programm konkretere Leitlinien aufschreiben, die vor allem weniger langfristig angelegt sind und auch auf tagespolitische Entwicklungen berücksichtigen werden.

      Darüber hinaus gibt es in der Partei Festlegungen, die aktuelle Themen bzgl. des Internets direkt tangieren, aber nicht originär netzpolitisch sind, wie z.B. die ansatzlose Ablehnung von Telekommunikationsüberwachung, daher in anderen Teilen, wie Innen- oder Rechtspolitik zu finden sind. Ergo bleibt nichts anderes übrig, das ganze Programm zu lesen. ;)

      Die netzpolitischen Leitlinien der LINKEN bezogen auf das neue Programm werden von der BAG Netzpolitik verfasst werden.

  5. Kann man das Programm jetzt als beschlossen ansehen oder schieben sie vielleicht später nochmal einen relativierenden Satz hintendran? :o

    1. Das Programm ist vom Parteitag abschließend beschlossen worden, aber muss laut einem früheren Beschluss noch von einem Mitgliederentscheid bestätigt werden.

  6. Viel geblubber, wie immer. Das allerwichtigste steht ziemlich zum Schluss: „Informationen müssen frei sein“. Was die Linke bisher darunter verstand, war jedenfalls nicht das frei, das ich darunter verstehe. Immerhin: „Wir treten für die Vielfalt der Netze ein. Wir lehnen Netzsperren sowie das Durchleuchten und Filtern von Inhalten ab.“ Nun denn, dann haltet euch dran…

  7. Schön wäre es, wenn auch die Möglichkeiten des Netzes für direkte Mitbestimmung („Permanentes Plebiszit“ bzw. „Liquid Democracy“) hervorgehoben würden…

  8. Gesagt: „Das Internet ist für DIE LINKE ein öffentliches Gut, die Netzinfrastruktur gehört unter gesellschaftliche Kontrolle und muss demokratisiert werden.“

    Auf gut Deutsch: „Das Internet ist für DIE LINKE ein öffentliches Gut, die Netzinfrastruktur gehört unter behördliche Kontrolle und muss bürokratisiert werden.“

    Deutsche Bundespost 2.0, danke!

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.