Netzneutralität ist Sozialismus-Internet?

Am vergangenen Freitag gab es im Bundestag eine Debatte über Netzneutralität. Diese konnte ich leider nicht live verfolgen, weil parallel die Arbeitsgruppe Urheberrecht der Enquete-Kommission tagte. Heise berichtet aber über die Debatte und ich gehe hier nur mal auf die dort zitierten Beiträge und Argumente ein. Besonders eingeschlagen hat das plakative Statement der FDP „Netzneutralität ist Internet-Sozialismus“.

Es dürfe nicht zu einer „sozialistischen Gleichmacherei“ im Netz kommen. „Das ‚Sozialismus-Internet‘ haben wir schon in China“, ergänzte der Liberale Jimmy Schulz. „Das wollen wir alle nicht.“

Das ist natürlich mehreren Gründen falsch, die ich hier mal kurz ausführen will. Erstmal, welche Definition von Netzneutralität liegt dem zu Grunde?

Eine Herangehensweise ist, Netzneutralität als diskriminierungsfreien Zugang zu sehen. Das ist (Meinungs-)Freiheit, wie sie der Liberalismus eigentlich vertreten sollte (Kurzer Exkurs, Liberalismus / Freiheit war mal der Grundgedanke der FDP). Alle Services und Inhalte haben dieselben Zugangsmöglichkeiten. Telekommunikationsunternehmen und/oder Internet-Service-Provider dürfen nicht entscheiden können, welche Dienste, Protokolle oder Inhalte zugelassen werden. Das hat das Internet so groß und toll gemacht.

Eine andere Herangehensweise sind Mautgebühren / Schnellstraßen. Telekommunikationsunternehmen wie die Deutsche Telekom wollen zukünftig entscheiden, welche Inhalte zu einem Extrapreis besonders schnell zu Nutzern ausgeliefert werden sollen. Damit bekommen sie zuviel Macht, den Zugang zu regulieren. Anbieter mit besonders viel Geld bekommen eine bessere Zugangsmöglichkeit als Andere Marktteilnehmer. Wo ist da der freie Markt, der allen dieselben Zugangschancen ermöglicht? Warum soll mein Blog oder das nächste Google zukünftig auf Trampelpfaden ausgeliefert werden, nur weil die Großen aktuellen Platzhirsche sich die Schnellstraßen leisten können? Das ist innovationsfeindlich, neue Player auf dem Markt (oder in FDP Sprache „der Mittelstand“) werden gegenüber bestehenden großen Playern benachteiligt. Und auch das ist ein Angriff auf die Meinungsfreiheit, weil gerade das offene Netz auf einmal allen ermöglicht hat, gleichberechtigt auf einmal Senden zu können, die dann zukünftig nicht mehr so stark senden können.

Dann gibt es ein weiteres Argument, was gerne die CDU/CSU verwendet: Wer sich für Internetfreiheit einsetzt, kann doch keine weiteren Regularien wünschen:

Schöns Parteikollege Peter Tauber witterte eine „Phantomdebatte“, die teils „schizophrene Züge“ aufweise. Auch Netzpolitiker müssten aufpassen, dass sie nicht immer vom freiem Raum Internet redeten und bei nächster Gelegenheit nach dem Staat riefen.

Dem entgegne ich gerne: Gerade weil wir uns für ein offenes Netz einsetzen ist es uns wichtig, dass das Kernprinzip eines offenen Internets erhalten bleibt. Und wenn Telekommunikationsunternehmen jetzt gerne den unregulierten Zustand ausnutzen wollen, um ihre Macht auszubauen und vollendete Tatsachen zu schaffen, brauchen wir eine gesetzliche Festschrebung der Netzneutralität, um ein offenes Internet zu erhalten. Sonst finden wir uns bald in einem BTX-, wahlweise Kabelfernsehen 2.0 – System wieder, wo die Zugangsprovider die Macht haben, zu entscheiden, was genutzt werden darf und wie, was genau das Gegenteil davon ist, wie wir uns ein freies Internet vorstellen.

Ganz toll ist auch das Argument, man wolle erstmal abwarten, was die Arbeitsgruppe Netzneutralität der Enquete-Kommission zum Thema beschließen wird. Da sind die Mehrheitsverhältnisse ganz klar: CDU/CSU und FDP haben mit ihren Industrievertretern die Mehrheit und dann gibt es noch den ver.di-Vertreter, der gerne seinen ver.di-Vorstandsposten und die Interessen seiner Mitglieder zugunsten seines Deutsche Telekom – Postens vergisst und alleine die Interessen der Deutschen Telekom vertritt. Ihr könnt Euch also ausmalen, was dabei als Mehrheitsmeinung dieser Arbeitsgruppe herauskommt.

Im übrigen hab ich bisher noch keine bessere Definition von Netzneutralität gesehen, als die, die wir vorgeschlagen haben. Der geneigte Leser / die geneigte Leserin darf gerne entscheiden, ob diese Kernprinzipien einem sozialistischen Internet wie in China entsprechen, wovon die FDP fabuliert:

Netzneutralität kann man aus zwei Blickwinkeln betrachten, was Teil der Definition sein muss. Da sind zum einen die Nutzer, darunter fallen aber auch Inhalte-/ und Diensteanbieter.

Nutzer eines neutralen Netzes

  • bekommen einen Internetzugang, der frei von Diskriminierung ist, unabhängig von den verwendeten Anwendungen, Diensten, Inhalten, und ungeachtet des Absenders oder Empfängers
  • erhalten einen Internetzugang
  • * der sie jeden Inhalt ihrer Wahl senden und empfangen lässt
  • * Dienste und Anwendungen ihrer Wahl nutzen lässt
  • * Hardware und Software ihrer Wahl nutzen lässt
  • müssen darüber informiert sein, welche Formen von Netzwerkmanagement durch ihre Provider ausgeübt werden
  • bekommen den Internetzugang mit der Verfügbarkeit und Geschwindigkeit, die ihnen in der Werbung versprochen wurde
  • Wie man beim lesen ohne viel Hintergrundwissen trotzdem verstehen wird: Das sind Selbstverständlichkeiten. Auf der anderen Seite stehen die Telekommunikationsanbieter / Internetprovider. Diese haben auch eine Verantwortung.

    Internetprovider müssen

  • Vor jedem Eingriff in ihr Netzwerk dokumentieren, dass es nachprüfbare Beweise für Datenstau gibt oder dass es eine unabwendbare Notwendigkeit für das Funktionieren des Netzwerkes gibt
  • Beweisen können, dass solche jede Priorisierung der Qualitätssicherung dient, unabhängig davon, ob für Endverbraucher oder Firmenkunden.
  • Ihre Netzwerkeingriffe und ihre Eingriffskriterien detailliert dem Regulierer und der Öffentlichkeit zugänglich machen
  • Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

    Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

    46 Ergänzungen

    1. Tja die FDP ist wohl einfach nicht mehr das was sie früher einmal war (leider).

      Heute ist diese ehemalige Bürgerrechtspartei nichts weiter als ein sinloser Luftblasenproduzierender Lobbyistenverein.

    2. Der FDP-Spruch kommt aus der untersten „Soundbite“-Schublade nach Manier der US-Amerikanischen Politik.

      Sich an derart falschen Analogien inhaltlich abzuarbeiten ist leider nicht unbedingt zielführend. Es ist ja schließlich nicht alles was hinkt automatisch ein Vergleich:

      „Verkehrsregeln sind sozialistische Gleichmacherei im Straßenverkehr.“

      „Der Euro ist sozialistische Gleichmacherei im Währungssystem.“

      Oder auch: „Wechselstrom ist sozialistische Gleichmacherei im Stromnetz.“

    3. Es dürfe nicht zu einer “sozialistischen Gleichmacherei” bei der Wasserversorgung kommen. “Den ‘Wasser-Sozialismus’ haben wir schon in China”, ergänzte der Liberale J. S. “Das wollen wir alle nicht.”

      Ei, da hat er doch recht. Wo kämen wir denn dahin, wenn wir alle das gleiche Wasser haben würden? Und dann auch noch für das gleiche Geld???

    4. JImmy Schulz ist ein Troll, nichts weiter. Das \sozialistische\ Internet implementiert exakt das genaue Gegenteil von Netzneutralität. Ernsthaft, warum geht ihr auf so etwas überhaupt noch ein? Hat bei euch keiner einen funktionsfähigen strafenden Blick drauf? Son, I am disappoint.

    5. Wie ich schon vor einigen Monaten geschrieben habe: Netzpolitik ist erst dann wirklich Teil der Politik, wenn die Parteien aus sich selbst heraus eigene Positionen erarbeitet haben.

      Es scheint so zu sein, dass sich die FDP gegen (!) Netzneutralität aufstellt – mit welch abstrusen Argumenten auch immer.

    6. Bis die Generation, welche eine halbwegs konkrete Vorstellung vom Internet hat, in relevanter Quote die Parlamente bevölkert, ist das Internet längst durch etwas für die amtierenden Politiker noch Bizarreres und Unbegreiflicheres ersetzt worden.

    7. Ich befürchte wenn jemand (Regierungs-)Macht hat, dann möchte er die auch behalten. ‚..Netzneutralität als diskriminierungsfreien Zugang zu sehen‘ – also haben die meißten von denen wohl eher ein Problem mit diskriminierungsfreiem Zugang, das hat selbst eine kranke Gestalt wie al-Gaddafi verstanden. In einer Diktatur macht man einfach klack-Aus! Hier muss man versuchen alle möglichen ‚Netze‘ zu spannen über welche ‚Zugang‘ schon mal gefiltert werden kann.

    8. Mir fehlen immer wieder die Worte, wenn Politiker über das Internet bzw. über Computertechnik allgemein, reden oder schreiben.

      „So“, und wann wird versucht Open Source und die Lizensen wie GPL etc.. mit dem Argument „das ist Sozialismus“ zu verbieten?

    9. Die Sozialismuskeule war und ist lächerlich. So wie diejenigen die sie verwenden. Denn sie haben nicht verstanden oder wollen nicht verstehen, dass ihr präferiertes System ebenso wenig funktioniert wie die gescheiterten sogenannten sozialistischen Modelle.

    10. Wie man von gesetzlich gesicherter Neutralität des Netzes nur eine Parallele zu China ziehen kann, wo doch dort das Netz alles andere als frei und neutral ist, ist mir unbegreiflich.

      Kommentare 1 und 2 sind einfach köstlich! :D

    11. „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“

      Somit dürfen die Menschen mit einem weltumspannenden Medium auch so kommunizieren.

      Was gibt’s da zu diskutieren?

      Das ist ein Menschenrecht und hat mit Sozialismus gar nichts zu schaffen. Wir bezahlen alle für den Zugang zu diesem Medium, dass muss reichen!

    12. Nicht dabeigewesen? Macht nix! Hörensagen von Heise (!) und ne Handvoll kurzer Zitate reichen natürlich für ein mehrseitiges FDP-Bashing locker aus.
      Und dann jammern, wenn man Bloggern die Qualität abspricht.

    13. Wartet erst mal ab, was Blumenthal, Schulz und Co selber dazu sagen … dass weder Heise noch dieser Blog der FDP sonderlich wohlgesonnen sind, weiss man ja mittlerweile.

    14. @Daniel

      Ich weiß ja nicht welchen Artikel du gelesen hast,
      aber „FDP-Bashing“ ist imho im obigen Artikel nicht zu finden.

      Markus nimmt ein durch Heise gelieftertes Zitat eines FDP-Politikers auf und nimmt beschreibt warum die Behauptung Netzneutralität und „Sozialistische Gleichschaltung“ in seinen Augen nichts gemeinsam haben.

      Solange niemand von der FDP die Berichterstattung der Debatte durch Heise kritisiert bzw. eine Gegendarstellung formuliert muss man davon ausgehen, dass Herr Schulz richtig zitiert wurde.

      Man muss ja wohl ein durch andere Presse-Organe weitergereichtes Zitat analysieren dürfen ohne gleich des „Bashings“ bezichtigt zu werden.

    15. Es ist ja auch kein FDP-Bashing sondern eine Kritik an Aussagen. Ob die nun von jemandem aus der FDP kommen oder woanders her, ist erst mal egal. Zumindest habe ich netzpolitik.org bisher so wahrgenommen. Sollte jemand von der FDP mal was sinnvolles Sagen, wird dies bestimmt auch hier wohlwollend publiziert.

    16. Willkommen beim zweiten Element der hohlen Rhetorik, wie sie seit Jahren in der US-Politik genutzt wird: Zurückweisen des politischen Gegners mit der inhaltslosen Behauptung, das eigene Zitat wäre „aus dem Zusammenhang gerissen“ und es fehle „der Kontext“.

      Ich bin es jetzt schon leid @13 und @16.

      Der nächste Schritt ist übrigens zu behaupten, man habe ja tatsächlich etwas ganz anderes gemeint als das was man wörtlich gesagt hat.

      1. NETZPOLITIK.ORG MACHT SICH GEDANKEN UM NETZNEUTRALITÄT
        27.Januar 2011. Der Blog „Netzpolitik“ macht sich Gedanken über die Netzneutralität. „20. Name (pflicht)“ äußerte dazu: „Willkommen beim Element der hohlen Rhetorik“ und „Ich bin es jetzt schon leid“.

        Und jetzt komm keiner der inhaltslosen Behauptung, das eigene Zitat wäre aus dem Zusammenhang gerissen worden.

    17. Wann habe ich „Sozialismus“ zum letzten Mal von einem FDP-Mann gehört ? Ach ja, irgendwas mit „spätrömischer Dekadenz“, die es bei den Ärmsten im Land gäbe. Der Kontext war damals höchst fragwürdig und der arme Kerl wurde u.a. wegen mangelhaftem geschichtlichen Kenntnissen ausgelacht. Entsprechend habe ich keine Bedenken, dass da irgendwas falsch zitiert worden wäre. „Sozialismus“ ist halt nach FDP-Verständnis alles, was deren Klientel nicht zu Geld machen kann/soll.

    18. Jaja, die FDP mit der Kommunismus- (Sozialismus-) Keule…
      Die „Bürgerrechtspartei“ bla bla…
      Die lassen sich auch die langweiligsten Ideen einfallen, um für ihre Lobby einen neuen Markt zu schaffen.
      Ein weiterer Grund für direkte Demokratie: die Bürger lassen sich von so einem Unfug nicht überzeugen.

    19. Was ist eigentlich Sozialismus ? Doch nicht Stalinismus und dessen Weiterführung in den gesamten R G W -Staaten bzw. Warschauer Paktstaaten. Oder der Maoismus und dessen Nachfolge Pseudokommunismus für die Volksmassen und Kapitalismus für die Reichen und die es werden wollen.Sozialismus gab es evtl. bei Naturvölkern. Das Wort wird immer fälschlicher weise verwendet. Auch mit Absicht, denn die Diktaturen die sich sozialistisch nannten, sind ja nicht erstrebenswert. In einer Demokratie kann kein Status quo existieren, denn die Demokratie wird beim Aufbau von anderen kapitalistischen Staaten unterhöhlt.Es werden Diktatoren installiert. Es werden „heimlich“ Waffen geliefert.Bestes Beispiel Nordafrikanische Völker derzeit live. Da viele Bürger in dieser Region einen Umbruch gleichzeitig (Dominoeffekt) revolutionieren, ist erstmalig eine Demokratie von den Bürgern ausgehend möglich. Dieser Umbruch muß weltweit fortschreiten.Das Netz ist dafür ein technisches Wundermittel.Man steht an der Wand und will diese erstmalige Kommunikationsfreiheit zerstören, viele die, die Zerstörung befürworten und veranlassen sägen ihren eigenen Ast ab. Aber auch die Linken Führer in der Linkspartei sind nicht für eine echt Demokratie, denn sie sind der Steigbügelhalter von diesen anderen nicht föderalen Parteien.Alle 5 Parteien in D. spielen mit dem Volk Schach. Das Spiel wird immer aggressiver. Daran ist der Egoismus, durch das Geldsystem gesteuert, schuld.Man übertreibt und dann kommt es zur Revolution.
      Ich bin in der DDR aufgewachsen und habe diese
      überdimensionale Gefängnis nicht gerade geliebt. Ich will es auch nicht wieder haben. Aber was sich hier entwickelt wird schlimmer.
      Wer einen Münchhausen zu Gutteberg noch immer unterstützt ist ein verkommener charakterloser Bürger. Aber dieser Mensch und seine Unterstützer „übersehen?“ etwas viel schlimmeres an ihm. Er ist Kriegsminister und deshalb ist meine Meinung,daß er kein Fünkchen für die Menschen auf dieser Welt übrig hat.Ihm geht es nur um Geld und Macht.Die Raffgier ist sein Charakter.
      Wenn die Menschen nicht aufwachen. Auch die Menschen, welche das korrupte System mit aufbauen, natürlich aus Geldgier und aus „Unwissenheit?“
      Die DDR – Revolution war bilderbuchmäßig und ging vom Volk aus. Es war ein leichtes die Demokratiebewegung zu unterfahren.Die „Unwissenheit“ wiedermal durch das Fernsehen und den Sozialismushaß der Bürger hat den Grundstock gebildet.

      George Orwell „1984“ 1949 erschienen ist bereits überholt.

    20. Mit Polemik kommen wir hier nicht weiter. Ich denke, Jimmy Schulz hat darauf angespielt, daß der Staat nicht immer für alles zuständig sein sollte. Bevor also neue bürokratische Monsterhürden unter der Flagge der Regulierung aufgebaut werden, solltet Ihr alle Euch überlegen, daß es draußen durchaus private, meist kleinere Internetprovider gibt, die das Netz neutral verwalten. Die keine Stoppschilder aufstellen würden. Die würden unter Regulierung am meisten leiden. Wenn die echt privaten Anbieter zumachen und nur noch eine Handvoll Großkonzerne da sind und nur noch einheitliche Angebote (gleiche Bandbreite für alle, wie man oft liest, egal wo sie wohnen), die alle dem Staat andauernd Rechenschaft ablegen müssen und daher dessen willfährige Handlanger werden, dann sehe ich durchaus Parallelen zu China – und ich werde wohl sicher nicht verdächtigt, FDP-Wähler zu sein.

    21. @SvB: Du beginnst direkt mit einer falschen Dichotomie. Nur weil das Kaufverhalten des Einzelnen auch Einfluss hat, wird dadurch der Wert verbaler Gegenwehr — und sei es Polemik — nicht geschmälert.

    22. So weit ich das da rauslese bezogen sich die Zitate nicht auf Netzneutralität allgemein sondern auf den Gegenstand der Diskussion, nämlich die gesetzliche Verankerung von Netzneutralität auf eine bestimmte Art und Weise.
      Insofern ist die Darstellung, die FDP spreche sich gegen Netzneutralität aus bzw setze Netzneutralität mit Sozialismus gleich, weit von Berichterstattung oder Aussagenkritik entfernt: Es ist einfach gelogen. Bashing eben.

      @19: „Sollte jemand von der FDP mal was sinnvolles Sagen, wird dies bestimmt auch hier wohlwollend publiziert.“
      Ja, publiziert und als „too little, too late“ kommentiert.
      Beispiel Adhocracy: Jegliche Verzögerungen, Prüfungen und Kompromisse wurden hier Seitenweise als „umfallen“ breitgetreten.
      Nun kommt Adhocracy doch und es waren u.a. FDP-Politiker, die die rechtlichen Barrieren beiseitegeräumt haben.
      Ergebnis: Ein Mürrischer und mäkeliger Achtzeiler bei Netzpolitik.org. Kann man nachlesen.

      Versteht mich nicht falsch: Beim Thema Netzpolitik müssen Kräfte unterschiedlichster Couleur an einem Strang ziehen und da ist es klar, dass sich nicht alle lieb haben können. Aber dieser Blog hier sollte sich vielleicht eher „parteipolitik.org“ als „netzpolitik.org“ nennen, wenn es so oft weniger um die gemeinsame Sache geht als viel mehr um die Darstellung der FDP-Netzpolitiker als unfähige Umfaller.

      Wie in allen im Bundestag vertretenen Parteien sind die kompetenten Netzpolitiker auch bei der FDP eine Minderheit. Das kann und muss man kritisieren (wie überhaupt alles in der Politik). Aber dass es die FDP in der Netzpolitik niemals irgend jemandem recht machen kann, das ist einfach ein ganz schlechtes Signal. Da werden sich diverse Leute ganz schnell fragen, wozu man sich überhaupt mit der Union anlegt, wenn einem das nur Ärger von allen Seiten einbringt.

      Leute wie Schulz und Blumenthal sollte man kritisch begleiten, herausfordern, aber auch ermutigen, anstatt sie bei jeder Gelegenheit schlechtzumachen, nur weil sie nicht der eigenen Lieblingspartei angehören.
      Es sei denn, die Netzpolitik ist einem gar nicht so wichtig.

    23. Welche Rolle spielen bei der Betrachtung der Netzneutralität eigentlich die kabellosen Internetanbindungen der nächsten Generation?

      Die bieten ja dem einzelnen soviel ich gehört habe einen mehr als DSL schnellen Anschluss.

      Sind die Gesamtbandbreiten da SO begrenzt?

      Wenn nicht bzw. das vernachlässigbar ist würd ich sagen dass klarer wird worums bei der sukzessiven Aufweichung der Netzneutralität wirklich geht.

    24. Damit ist, Verschwörungstheorie hin oder her, die Gesamtgemengenlage gemeint.

      Überwachung der Kommunikation, „Priorisierung“ wichtiger Internetanbieter, in Kombination mit IPv6.

      D.h. zweifelsfreie Identifizierung von Inhabern mobiler Endgeräte (mit Ortansangabe), kombiniert mit möglichen „Anbindungsschwierigkeiten“ an Internetdienste aufgrund technischer Probleme bei der Priorisierung. Oder fehlender bezahlter Rechnung.

      Wenn Bürger hier auf ähnliche Ideen wie dieser Pleb-Pöbel in Arabistan kommt, ist man vorbereitet. Auch wenns jetzt noch nich so aussieht.

    25. Also wenn man fordert, dass die Internetleitungen dem Staat gehören sollten, ist das ein Stück Sozialismus. Genauso wie die Straßen dem Staat gehören und alle drauf fahren können. Aber alle dürfen auf der Straße gleich schnell fahren. Trotzdem stellt der Staat keine Autos her, damit alle gleich schnell fahren können.

      So sehr ich auch die Marktwirtschaft schätze und verteidige und mit Sozialismus so gar nichts anfangen kann, so denke ich, dass die Versorgungs-, Mobilitäts-, und Kommunikationsinfrastruktur dem Staat gehören sollte um allen die gleichen Möglichkeiten zu ermöglichen.

      1. Es geht nicht darum, dass Autos verschiedener Hersteller unterschiedlich schnell fahren können. Es geht auch nicht darum, dass es Autobahnen unterschiedlicher Kapazitäten geben darf.

        Man will lediglich verhindern, dass Betreiber von Autobahnen diese so einrichten dürfen, dass die linke Spur den Fahrzeugen einer bestimmten Marke vorbehalten bleibt. Die Möglichkeit der Einrichtung langsamer Spuren für LKW (aller Marken) wird von den meisten wohl eher nicht kritisiert.

        Die Eigentumsverhältnisse der Autobahnen sind für diese Fragen erstmal nicht relevant.

    26. @ein mensch

      die eigentumsverhältnisse der autobahnen sind nur dann unrelevant, wenn alle über den tatsächlichen und geplanten ausbaustand informiert sind (und dessen nachgeprüften kosten)

      sollten die autobahnbesitzer anfangen mit einer überfüllung der autobahn zu begründen, dass es eine regulierung zum zugang bedarf, gewinnt die frage nach dem besitz natürlich noch mehr relevanz.

      es ist zu konstatieren, dass die wirtschaft hier trickreich die argumentation umdreht. „weil es zu engpässen kommen wird, müssen regulierungen des transportes gefunden werden“ – dieser argumentation gibt es nur eine frage gegenüber zu stellen: “ können die provider ihrer aufgabe der sicherstellung einer gemeinschaftsrelevanten infrastruktur gerecht werden oder nicht?“

      falls nicht, müssen staatliche unterstützungsmassnahmen getroffen werden, die natürlich nur mit einer absoluten transparenz des marktgeschehens verantwortlich durchgezogen werden können. transparenz wollen die herren wirtschaftsbosse aber auch nicht, aber in einen der sauren äpfel werden sie beissen müssen, denn wir werden uns das systemrelevante web nicht durch diese aufteilen lassen.

    27. Das zeigt doch wie wenig weit oft die Überlegung geht, und es zeigt wie wenig diese Leute überhaupt verstanden haben. Nun ist aber Jimmy Schulz nicht so eine Person.

      Wer entlang der großen Narrative argumentiert, der macht es sich leicht. Der kann zu allem was sagen, zu dem es bereits eine Meinung und Verortung gibt. Medien haben auch schon ihre fertigen Schablonen bereit.

      Frame zum Beispiel NN als Innenpolitik-Klassiker: „Freiheit vs. Sicherheit“. Absurd, nun ja, einfach mal probieren, und dann erklären, warum Infrastruktur-Sicherheit durch Netzneutralität vorgeht.

    28. Ergänzung: Wenn einem einfach nichts gescheites einfällt, warum Netzneutralität was mit Sicherheit zu tun hat, dann studiere doch einfach 20 Jahre Reden mit dem Freiheit vs. Sicherheit Narrativ und plappere allgemein wie man Freiheit und Sicherheit balancieren soll.

      Z.B.

      Wir wissen ja, dass die FDP mit ihrem Bürgerrechtsprofil sich manchmal sich nicht entscheiden kann, oftmals einen diffusen Freiheitsbegriff vor die Interessen der Bürger an Frieden und Sicherheit in Europa stellt. Ich meine, Sicherheit durch Netzneutralität hat klaren Vorrang vor den Freiheitswarnungen, der Herr Schulz malt da ja sogar das Bild vom drohenden Sozialismus an die Wand. Wir sind ein Land, in dem Menschen in Freiheit und Würde leben können, und das gilt natürlich auch – und insbesondere – im Internet. Was diese Stasivergleiche betrifft, da müssen Freiheit und Sicherheit durchaus kein Widerspruch sein. Mit einer überlegten aber forcierten Förderung der Netzneutralität lassen sich die Sicherheitsinteressen Deutschlands, die Wünsche unserer Bürger im Internet wahren, aber die Freiheit der Nutzer, da gebe ich Herrn Schulz Recht, ist ein kostbares Gut, die wir wehrhaft verteidigen sollten. Klar, bei Kinderporno, da sagt auch der Herr Schulz, das geht nicht, das ist der Freiheit zu viel, da brauchen wir schon ein bisschen Netzneutralität. Oder China fällt mir da ein… Teheran, Ägypten. Bei den vielen arabischen Staaten, in denen gerade die Umbrüche stattfinden, durch Twitter, da höre ich Netzneutralität schadet nicht dem Freiheitswillen dieser Völker, sondern – und das sagen die „Blogger“ – das mit der Netzneutralität hat sogar geholfen gegen den Zugriff der Stasi-artigen Praktiken, gegen die Gewalt dieser Regime. Ich sage nur: Twitter und Facebook, vielleicht haben Sie davon schon mal gehört? Der große Held der ägyptischen Demokratiebewegung, das ist sogar ein Mitarbeiter von Google. Google sagt, wir stehen fest zur Netzneutralität, da sagt ich zum Herrn Schulz, na, da staunen Sie nicht schlecht, nicht wahr?!

    29. @pacificus (24.)
      Das ist so ein Problem mit den Worten „Kommunismus“ und „Sozialismus“. Deswegen würde ich diese Worte nie alleine nutzen, sondern immer dazu sagen „der sogenannte Kommunismus/Sozialismus als Regierungsform in der ehemaligen UdSSR“ oder „der Kommunismus/Sozialismus/Marxismus nach den Entwürfen der Vordenker (Marx, Engels, …)“
      Das selbe gilt für Demokratie: Wenn man bei uns in Deutschland von Demokratie spricht, sollte man pezifizieren, ob man die Regierungsform in Deutschland meint, oder das was sich schlaue Menschen mal darunter gedacht haben (direkte Demokratie).
      Oder auch „Sozialstaat“: laut Grundgesetz ist die Bundesrepublik ein Sozialstaat – die Realität ist da nicht so eindeutig…

    30. 1. war die FDP schon seit den 70ern keine Bürgerrechtspartei mehr
      2. Sozialismus-Internet? Was soll daran schlecht sein? Also ich finde das gut, wenn vom Internet niemand mangels Kapitalbesitz ausgeschlossen wird oder wäre das wirklich so schrecklich?

      Vielleicht sollte man mal über das Schimpfwort „Sozialismus“ das von Westerwelle dauernd kommt ernsthaft nachdenken und sich überlegen, was es bedeutet und ob es sich böse bärtige Russen aus reiner Menschenfeindlichkeit ausgedacht haben.

    31. Liebe Leute,

      die Reden kann man ja auch noch mal in Ruhe nachlesen und -sehen. Als jemand, der beruflich für die Grünen live auf der Zuschauertribüne saß, kann ich nur sagen: Die Koalition wirkte bei allen Reden seltsam indisponiert und konnte nur ordnungspolitische Gegenargumente bringen — keine im engeren Sinne sachlichen Begründungen. Robin Meyer-Lucht hat an anderer Stelle über diesen Unterschied geschrieben, wobei die Differenz da für meinen Geschmack etwas zu sehr auf zwei Seiten reduziert wird. [http://carta.info/38161/der-ordnungspolitische-graben-hinter-der-netzneutralitaetsdebatte/]

      Das Festschreiben der Netzneutralität ist ein positiver regulatorischer Eingriff. Im Rahmen der Novelle des Telekommunikationsgesetzes ist das ohne Staatsdirigismus gut machbar. Eine große Chance!

      Und: Bei negativen Gesetzen ist die Union ja immer ganz vorn dabei. Hier geht es aber um die Ermöglichung von Netzfreiheiten, die kein naturgegebenes Gut sind — sondern gerade anhand der immer stärkeren Einschränkungen weltweit gestaltet werden müssen. Eine Abwartehaltung nach dem Prinzip „Wir haben genügend Rechtsinstrumente zur Wahrung der Netzneutralität“ reicht leider nicht aus.

      Just my 2 cents,
      Sebastian

    32. Es ging doch gar nicht in der Debatte um die im Artikel genannten Rechte, sondern ob jeder den gleichen Internet-Anschluss bekommt. Die oben genannten Rechte sind doch schon garantiert. Ich hab doch lieber die die Wahl zwischen einer teureren Standleitung und einen einfachen DSL-Anschluss, als das ich nur den Einheitsbrei aus der DDR bekommen kann. Die FDP hat doch dort Volkommen recht. Das ist nur wieder eine Scheindebatte, die die Unternhemen/Kunden wieder verunsichern soll.

    33. @Mensch
      Du hast mich falsch verstanden. Ich war mir schon bewusst, dass die Geschwindigkeit des Autos nicht der Netzneutralität entspricht.

      Ich wollte nur zeigen, dass der Sozialismus der Straße sich durchaus mit der Marktwirtschaft der Autos und dem Konkurrenzkampf der Schnellfahrer kombinieren lässt. Deswegen ist der Sozialismus der Straße kein Totschlagargument. Die FDP nutzt Sozialismus immer um Diskussion abzuwürgen.

      Wenn du das Beispiel auf die Netzneutralität ausdehnen möchtest, kannst du auch so daran gehen, dass das Auto ähnlich wie die eigenen vier Wände geschützt sind. Niemand darf drin rumstöbern und genau das will ich auch für das Internet.

      Jens Best hat das argumentativ sehr schön weiterentwickelt.

    Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.