Hollywood vs Freies Internet – SOPA vor der Abstimmung

Die schmutzige Seite der Politik kann man derzeit in den USA beobachten, wo der Stop Online Piracy Act (kurz SOPA) vor dem House Judiciary Committee verhandelt wird. Das Gesetz, mit dem die Wirtschaftsinteressen von amerikanischen Copyright-Inhabern verteidigt werden sollen (mit dem Nebeneffekt, dass Internetprovider gezwungen sind, proaktiv zu überwachen, Inhalte gesperrt werden, Suchmaschinen die Treffer nicht mehr anzeigen dürfen und Verlinken strafbar sein kann), hat in Amerika für einen Aufschrei gesorgt, wie man ihn aus deutschen Zensursula-Zeiten kennt. Unter anderem opponiert fast das ganze Internet von Google über Facebook bis Wikimedia.

Den intensiven Einfluss von Lobbygruppen, das Beschimpfen des politischen Gegners, die Ablenkungsmanöver – all das bekommt der interessierte Beobachter mit, wenn er sich die Übertragung der Debatte anschaut und die Medien verfolgt. Anders als in Europa übrigens, wo der Rat der Europäischen Union bei der Verabschiedung von ACTA zeigt, wie man Politik hinter verschlossenen Türen, ohne auch nur den Ansatz einer Rechtfertigung vor der Öffentlichkeit, macht.


Während Tag 1 der Debatte, die von den Befürwortern des Gesetzes dominiert wurde, gab es wenig Zweifel an der Verabschiedung. Was den Prozess dann aufhielt war auch kein inhaltlicher Streitpunkt, sondern ein Tweet eines republikanischen Abgeordneten, der eine demokratische Kollegin „langweilig“ fand. Diese äußerte sich dazu und nannte die Nachricht „offensive“. Anschließend wollten einige Republikaner sie dazu bewegen, das Wort „offensive“ aus dem Protokoll entfernen zu lassen. Dieser Vorfall wirft zusammen mit der Naivität, mit der die Debatte zum Großteil geführt wurde, ein bezeichnendes Licht.

Die interessanteste Frage stellt in diesem Zusammenhang Felix Salmon, der feststellt, dass er – obwohl im Content-produzierenden Gewerbe tätig – niemanden persönlich kennt, der SOPA unterstützt. Sein kompletter Bekanntenkreis besteht ausschließlich aus Menschen, die das Gesetz strikt ablehnen und Menschen, die noch nie davon gehört haben. Seine Schlussfolgerung:

[…] does SOPA actually have any popular support? Are there any real outside-the-beltway people who think it’s a good idea? If so, where are they? And if not, how did Congress become so bad at reflecting popular opinion?

I guess what I’m asking here is whether the strength of support for SOPA in Washington is an example of the failure of democracy, or whether it’s just another case of a bitterly divided country. I suspect it’s the former, but I really would be interested in finding out about anybody who doesn’t share my views on this subject.

Nicht die Bevölkerung wird repräsentiert, sondern Lobbygruppen – wobei Hollywood und die Musikindustrie im Moment stärker sind als Provider und Suchmaschinen, weil sie mehr Geld in Lobbyarbeit und Wahlkämpfe von Politikern investiert haben.

Heute wird die Debatte wieder aufgenommen. Das einzige überzeugende Argument für SOPA, das ich bisher gehört habe: Rickrolling wird endlich strafbar.

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30 Ergänzungen

  1. (mit dem Nebeneffekt, dass Internetprovider gezwungen sind, proaktiv zu überwachen, Inhalte gesperrt werden, Suchmaschinen die Treffer nicht mehr anzeigen dürfen und Verlinken strafbar sein kann)

    -> oder um es kurz zu sagen: Die Amerikaner würden ein dem deutschen Recht ähnliches Gesetz bekommen. Mit allen negativen Folgen.

      1. Möglich, dass er das Zugangserschwerungsgesetz meint, was aber mittlerweile komplett aufgehoben ist und m.E.n. auch nicht so weitreichend war.

  2. scheiß auf die politik. scheiß einfach drauf.. was tun die für uns?? gar nix!!! wählen gehen? scheiß drauf! kommen eh nur solche ultra a***** dran..

    1. Wählen solltest du trotzdem gehen. Denn tust du das nicht, scheißt du auf die dir durch das Grundgesetz zugesicherten Rechte, die du mit deinem Nichtwählerdasein zu verteidigen versuchst. Ein Widerspruch in sich und absolut kontraproduktiv. Denn eines hat uns die Vergangenheit doch gelehrt: wenn es etwas gibt, was unseren etablierten Parteien am Arsch vorbei geht, dann ist das die Wahlbeteiligung.

      Etwas ändern können wir also nur mit hohem Interesse an Demokratie, Wahlen und vor allem Durchblick bezüglich der verfügbaren Parteien. Darüber hinaus müssen wir uns mal von dem Irrglaube lösen, dass eine an eine potenzielle U5%-Partei gegebene Stimme eine verlorene Stimme ist. Denn DAS ist das abgrundtief dämlichste Argument für’s Nichtwählen, das ich je gehört habe.

      Bevor man also von seinem Recht auf politische Gestaltung Gebrauch macht und Protest wählt, obwohl die Chancen dergewählten Partei vermeintlich gering sind, geht man lieber gar nicht wählen? Man nimmt damit überhaupt allen Parteien, die irgendeine Änderung bewirken könnten, die Chance, überhaupt zu wirken. Nach dem Motto: „ach bremsen bringt eh nix, geb ich lieber noch etwas Gas!“?

      „Scheiß auf die Politik“ ist der falsche Ansatz, Kollege. „Scheiß auf die alteingesessenen Politiker“ sollte es heißen.

    2. Nicht wählen heißt soviel wie „Ihr dürft tuen was ihr wollt ich bin einverstanden“. Und wenn man nur wählen geht und alles ankreuzt um seine Stimme ungültig zu machen… Immerhin bekommen die Parteien dann kein Geld mehr um mich als Wähler zu werben(Ja sie bekommen Steuergelder um die Wahlbereitschaft zu verbessern).

  3. @dude
    klarmachen zum ändern :P
    piraten wählen, sonst lässt du noch mehr von solchem dünnpfiff ab wie jetzt.

  4. Man sollte auch die Kinokassen abschaffen, mit denen seit Jahrzehnten die Wirtschaftsinteressen von (meistens amerikanischen) Copyright-Inhabern verteidigt werden.

    1. Man sollte auch die Kommentarfelder abschaffen, mit denen seit Jahrzehnt(en) so dämliche Sprüche veröffentlicht werden.

      1. Es gibt kein Menschenrecht, kostenlos Filme anzusehen. Weder „online“ noch „offline“. Oder habe ich etwas übersehen?

      2. Immer eine Frage der Auslegung natürlich, aber Artikel 27 Satz 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte lautet:

        Jeder hat das Recht, am kulturellen Leben der Gemeinschaft frei teilzunehmen, sich an den Künsten zu erfreuen und am wissenschaftlichen Fortschritt und dessen Errungenschaften teilzuhaben.

      1. Ach ja, den Witz hatten wir schonmal. Artikel 27 Satz 2 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte:

        Jeder hat das Recht auf Schutz der geistigen und materiellen Interessen, die ihm als Urheber von Werken der Wissenschaft, Literatur oder Kunst erwachsen.

  5. Es gibt wohl eine erste Entspannung. Hier der Text aus heutigen demandprogress email:

    Holy moly. We did it — at least for now. The House Judiciary Committee looked certain to vote for the Stop Online Piracy Act today.

    Instead, because of the work of so many rank-and-file Internet users, the bill’s lead sponsor acknowledged that our concerns are legitimate, and adjourned the committee without holding a vote!

    Of course, there’s always more to be done. Will you shoot a quick email to Harry Reid to tell him to stop pushing the Senate version of the bill? He’s threatening to call a vote in January.

    Here’s Wired’s take on what went down:

    The House Judiciary Committee considering whether to send the Stop Online Piracy Act to the House floor abruptly adjourned Friday with no new vote date set – a surprise given that the bill looked certain to pass out of committee today.

    It’s amazing work: Politicians are, for the first time, having to contend with the Internet as a political force — and we might actually win.

    But now we need to focus attention back on the Senate, where Marjority Leader Harry Reid says the PROTECT IP Act will be the first bill he calls for a vote next year.

    Will you let him and your Senators know that they need to stop pushing this legislation? It’s an election year, and they don’t want to do any heavy lifting. Pushing hard now could get them to back down altogether.

    Keep up the great work.

    -Demand Progress

  6. Man sollte sich immer folgende vergegenwärtigen: Das Internet ist ein Medium, genau wie ein leeres Blatt. Sobald Content, egal welcher, gepostet, upgeloded, gebloggt usw. ist, haben wir es mit dem Äquivalent eines beschriebenen Blattes, eines Heftchens oder eines Buches zu tun! Will man dies nun regullieren, geht es hier also um nicht weniger und nicht mehr als um Presse- und Meinungsfreiheit!! Jeder, der einen Unterschied zwischen dem beschriebenen Blatt und dem Internet konstruieren will ist ein Feind der Aufklärung, der Revolutionen des arabischen Frühlings, unserer europäischen Verfassungen! Es geht hier um die verdammten Errungenschaften der letzten 200-300 Jahre!

    Ein Trost bleibt: Sollte das Internet vermient, kontrolliert, überwacht werden, was mit Sicherheit passiert, weil keiner die Tragweite erkennt, es bleibt das Wort und das leere Blatt, dass sie uns niemals nehmen werden!

    1. Um mal im Bild zu bleiben: Das Internet ist ein leerer Raum. Es liefert nur eine Logistik. Solange niemand dort geistige Werke (die ja nur noch „Content“ sind) einstellt ist das Internet zwar eine großartige technische Leistung aber absolut uninspirierend.

      Was es inspirierend macht, sind geistige Werke und der Austausch von Menschen. Diese geistigen Werke müssen von jemanden produziert werden. Dazu benötigt er Geist, Zeit und in der Regel auch Geld.

      Stell Dir vor, man könnte Autos kopieren. So richtig, per copy and past hättest Du plötzlich einen neuen, glänzenden, 100 PS Renner vor der Tür. Wärst Du dann auch der Auffassung, dass die Rechte des Herstellers nichts gelten?

  7. Kapitalismus eben, die Herrschaft des Kapitals. Hat mit Demokratie rein gar nichts zu tun.

    Aber so konsequent den Kapitalismus in frage zu stellen sind leider nur wenige !

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.