Gibt es eine Filter-Blase?

Das Buch „The Filter Bubble: What the Internet is Hiding from You“ (Amazon-Link) liegt seit einigen Wochen auf meinem Schreibtisch und ich komme leider immer nur sporadisch zum überfliegen. Eli Pariser beschreibt darin die mögliche Gefahr einer „Filter-Blase“.

Im Hyperland-Blog kommentiert Peter Glaser das Buch und zweifelt, ob die Kernthese neu ist und die Gefahr überhaupt besteht: Von wegen Filterblase.

Aber ist es nicht seit jeher so, dass Menschen in einer Sphäre aus Sichtweisen befangen sind, die von den eigenen Interessen und von Vorurteilen bestimmt ist? – wobei „Vorurteil“ auch erst einmal einfach nur bedeuten kann, dass man zu einer Sache zu wenig Informationen hat und es, statt mit gar keiner, mit einer provisorischen Meinungs- oder Gesprächsgrundlage versucht.[….] Aber dass wir nun alle durch das Internet in den Echokammern unserer eigenen, beschränkten Ansichten und Neigungen isoliert würden, ist eine geradezu klassisch kulturpessimistische Sicht. Wobei mich an dem Konzept der Filterblase am meisten stört, dass es ein längst abgelegtes Menschenbild, nämlich das des wehrlosen, manipulierbaren Medienopfers, aus der Mottenkiste holt.

Dirk von Gehlen antwortet auf Peter Glaser in seinem Blog und kommt zu einer ganz anderen Meinung: Filterblase – die hinteren Kapitel.

Ich habe das Buch eher als Hinweis auf die Frage verstanden: Taugen unsere überkommenen Vorstellungen von Relevanz eigentlich noch, wenn im Netz sich neue Interpretationen dessen entwickeln? Denn wenn sich die Zuckerbergsche Variante durchsetzt, heißt das, dass relevant nur noch das ist, worauf ich reagiere. Das bedeutet aber eben, dass womöglich gerade keine unterschiedlichen Zugänge und Auffassungen angezeigt werden. Und das verändert die Wahrnehmung. Selbst wenn man die anderen Zugänge und Auffassungen finden könnte, sie sind nicht mehr präsent. Die Frage nach den Folgen einer solchen Entwicklung zu stellen, halte ich für sehr wegweisend. Denn sie ist nicht von Kulturpessimismus getrieben, sondern von der Sorge, die Gestaltung von gesellschaftlicher Relevanz und Öffentlichkeit nicht allein den Geschäftsinteressen von Google und Facebook zu überlassen.

Nach dem, was ich bisher gelesen habe, tendiere ich eher zu Dirk von Gehlen, muss mir aber für eine abschließende Meinung nochmal Zeit nehmen und den Rest durchlesen.

Hier beschreibt Eli Pariser in einem Ted-Talk seine Grundthese:

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11 Ergänzungen

  1. Das wird überschätzt. Zum Einen sind die Filter i.d.R. keine Filter, oder persönliche Zensoren, sondern nur persönliche Vorsortierer mit den persönlichen Präferenzen. Investiert man mehr als 10 Sekunden für eine Suche, kommt man auch auf Ergebnisse, außerhalb der eigenen angeblichen „Blase“. Zum anderen dringen Informationen auch durch Kontakte an einen heran. Jeder dieser Kontakte, selbst die mir thematisch eher als nah zugeordneten, haben doch eine eigene „andere Blase“. Allein schon durch mehrere Kontakte, erreichen mich so auch mir eher fremde Inhalte.
    Weiterhin sind in unserer vernetzten Welt nicht nur die Menschen vernetzt, sondern es liegen auch die Zusammenhänge offener denn je: Recherchiert man Thema A stößt man unweigerlich auf Thema B und C, auch wenn man es vorher nicht kannte …

    Die Personalisierung scheint mir eher ein Konzentrationshelfer, gegen das der Vernetzung innewohnende ständige abzuschweifen zu sein. So lange eine Vorsortierung die persönlichen Interessen mit dem allgemeinen Rang eines Themas verrechnet, halte ich sie für Vorteilhaft und Unproblematisch.

  2. Genau diese Diskussion gab es schon damals zu Hoch-Zeiten des Usenets.

    Denn im Usenet hat jeder Nutzer eine eigene Scoring- und Ignore-Liste in seinem Newsreader. Diese dienen vorallem dazu, Trolle zu ignorieren, und sie sorgen dafür, dass man gute Schreiber bzw. Beiträge mit bestimmten Schlagworten gleich als erstes angezeigt bekommt.

    Schon damals wurde kritisiert, dass diese Filter dazu führen, dass die Leute irgendwann nur noch Beiträge lesen, die die eigene Meinung bestätigen. Anders gesagt wurden schon damals „Filterblasen“ prognostiziert, man nannte sie nur nicht so.

    Wenn es diesen Effekt also wirklich gibt, müsste er sich schon längst im Usenet gezeigt haben. Soweit ich mich erinnere ist das aber nicht der Fall.

  3. Ich schenke mir mal die sachliche Antwort auf die m.E. tatsächlich kulturpessimstische – und damit wohlfeile – Haltung von Pariser (wen sie interessiert: http://notizen.steingrau.de/2011/05/17/die-personliche-zeitung-die-zeit-ist-reif/ ). Stattdessen möchte ich einen alternativen Vorschlag dazu unterbreiten, warum dem einen oder anderen – in Summe scheinbar wenigen – seine Thesen missfallen:

    vielleicht sind wir es einfach müde, jedes Viertel Jahr mit einer neuen Finsteren Bedrohung aus dem All (ersatzweise Internet) konfrontiert zu werden?

    Mir jedenfalls geht es enorm auf die Nüsse, dass sich in den letzten Monaten und Jahren jeder Hinz und Kunz in der Rolle als Mahner und Warner vor dem baldigen Untergang des Abendlands gefällt. Wenn das untergeht – was ich nicht ausschließen will – dann bestimmt nicht, weil Facebook mir die Posts von Leuten nicht mehr gezeigt hat, deren Posts mich auch in der Vergangenheit noch nie interessiert haben.

    1. Im Gegentum: Das Abendland geht unter, weil die anderen, nicht Sie, nur noch die Posts sehen, die deren eigene Meinung bestätigen, und weil sie *Ihre* eben nicht mehr sehen.

  4. Ich sollte endlich mein Vorhaben in die Tat umsetzen und mich in Blogs und Foren herumtreiben, in denen vorwiegend schwarz-gelbe Jünger ihr Unwesen treiben. Ein Blog eines bekennenden FDP-Anhängers hatte ich vor Monaten aus meinem RSS-Reader gelöscht, weil die Inhalte einfach unerträglich oberflächlich und unausgegoren waren.

    Das beste Blog, dass man eher in die rechts-konservative Ecke einsortieren könnte, ist, finde ich, sprengsatz.de

    Dass Dumme an sprengsatz.de ist allerdings, dass da oft vernünftige Dinge stehen und man annehmen muss, dass es sich bei Michael Spreng nicht um einen Konservativen handelt, sondern einen Intelligentkonservativen, was sich bislang meiner Auffassung nach eher ausschloss. Also Intelligenz und Konservativismus meine ich.

    Hat jemand Tipps, wo man sich, abgesehen von theeuropean.de, an neoliberale / neokonservative Positionen erfreuen kann, die wenigstens oberflächlich betrachtet intelligent wirken? Und komme mir jetzt bitte niemand mit der BILD-Resterampe welt.de oder den „Journalisten“ mit selektiver Wahrnehmung – haha! – bei handelsblatt.de

    Es ist aber auch nicht leicht.

  5. Auf der einen Seite das des „mündigen Bürgers“ der sich stets ergebnisoffen auf allen Kanälen multiperspektivisch informiert um zu einer fundierten Realitätseinschätzung zu gelangen. Auf der anderen Seite das des „willenlosen Konsumenten“ der sich aus mangelnder Intelligenz oder Faulheit von Medien bevormunden und fernsteuern lässt.
    Ich dachte über so einfache Menschenbilder wären wir inzwischen hinaus.

    (Die gleiche Diskussion könnte man über das Fernsehen, Zeitungen, Schule, Freundeskreise, Familie und sogar Sprache führen)

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.