Französische Internetsperren ohne Richterbeschluss auf der Zielgeraden

Während in Tunesien die Zensur abgeschafft wird, ist Frankreich jetzt auf der letzten Zielgeraden der Verabschiedung von Loppsi2 („Gesetz über die Orientierung und Programmierung für die Durchsetzung der inneren Sicherheit“). Gestern hat dort nämlich der Senat die Nationalversammlung bestätigt und den Artikel 4 des Gesetzespakets verabschiedet. Dieser Artikel sieht vor, kinderpornographische Inhalte im Internet zu blockieren – und das ohne Richterbeschluss. Jetzt könnte nur noch der Verfassungsrat eine Umsetzung des Artikels verhindern.

Am 15. Januar hatte das Kollektiv Anti-Loppsi2 in mehreren Städten Frankreichs zu Demonstrationen gegen das Gesetz aufgerufen. Das Kollektiv befürchtet, wie auch die Bürgerrechtsorganisation Quadrature du Net und der Verein zur Verhinderung von Kindesmissbrauch L‘Ange-Bleu, dass die Einführung der Netzsperren einen Einstieg in die Zensur und die schnelle Verbannung weiterer unliebsamer Seiten, wie z.B. WikiLeaks, bedeuten. Der Berichterstatter der Nationalversammlung, Eric Ciotti (Regierungspartei UMP), stritt im Dezember nicht ab, dass das Modell zukünftig auch auf andere Bereiche ausgeweitet werden könnte.

Der bekannteste bloggende Anwalt Frankreichs kommentierte hierzu:

…Tunesien öffnet das Web, Frankreich macht seins dicht.

Frankreich ist also dem europaweiten Vorhaben ein wenig voraus. Das Europäische Parlament wird in den kommenden Wochen über den Berichtsentwurf der Abgeordneten Angelilli abstimmen und entscheiden, ob verpflichtende Internetsperren von kinderpornographischen Inhalten europaweit eingeführt werden sollen. Mehr Infos gibt es dazu hier.

(Crossposting von vasistas?)

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7 Ergänzungen

  1. Ein weiterer Schritt in Richtung Ungarn.

    Danke liebe Franzosen, dass ihr es solchen Regimes und Diktaturen einfacher macht ihre Zensur zu rechtfertigen.
    Und den Boden für eines bei Euch bereitet.

    Ich wünsche euch einen AK Zensur und eine Piratenpartei (die aktuellen französischen existieren quasi nur auf dem Papier), damit ihr eine Stimme für Freiheit habt, wenn die Medien schon versagen.

  2. Das die Franzosen dabei mitmachen wundert mich. Wahrscheinlich ist der Einfluss der Contentindustrie auf die Gewerkschaften in Frankreich größer als bei uns.

  3. gabs nicht unter den Wikileaks-Depeschen ein paar die belegen daß US-Regierung und -lobbiles eifrig an Zensurgesetzen mitgeschrieben haben auf der jeweiligen nationalen Ebene der EU-Mitgliedsstaaten? Das war doch im Fall von Spanien und England so, wenn ich mich recht entsinne… und auch das Vorgehen in Frankreich trägt ja ähnliche Züge.

  4. keine sorge, wenn le Pen dran kommt, kann europa einpacken. oder die flaggen von opas dachboden holen….

  5. @Andreas Ja, aber ich glaube, es ging im Falle Frankreichs nicht um Loppsi2, sondern um das Three-Strikes-Gesetz „Hadopi“, dessen Entwicklung von der US-Regierung sehr genau beobachtet wurde. Außerdem haben MPAA und RIA ordentlich gelobbyt. Siehe: http://wikileaks.ch/cable/2009/04/09PARIS559.html

    @jonny redest Du vom alten Le Pen? Der ist weg vom Fenster und hat seine Tochter Marine beerbt…

  6. Das ist halt die Globalisierung.

    Wir gleichen unsere Standarts global an – auf dem Level des Landes mit den geringsten Standarts.

    Eben nicht nur in Sachen Einkommen, sondern auch bei Umwelt-, Sozial- und Freiheitsstandarts.

  7. Schockierende Nachrichten aus Frankreich. Na ja, die Franzosen ereilt diese Hiobsbotschaft wahrscheinlich nur etwas früher als uns.
    Auf nach Tunesien!

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.