EuGH: Dienstleistungsfreiheit overruled lokale Lizenzen

Der Europäische Gerichtshof hat heute eine kleine Bombe platzen lassen. In einem Rechtsstreit, in dem es nur vordergründig um die Übertragung von Fußballspielen und deren Zeigen in einem britischen Pub ging, hat es eine Grundsatzentscheidung zu der Frage gefällt, ob es erlaubt ist, bei Dienstleistungen ein Absatzgebiet innerhalb der Europäischen Union zu definieren und vertraglich festzulegen, dass diese Dienstleistung dann nur in diesem Land erbracht werden darf.

Es verstößt „ein System exklusiver Lizenzen auch gegen das Wettbewerbsrecht der Union, wenn die Lizenzverträge es untersagen, ausländische Decoderkarten Fernsehzuschauern zur Verfügung zu stellen, die die Sendungen außerhalb des Mitgliedsstaats sehen wollen, für den die Lizenz erteilt wurde.“ Das könnte nicht nur Fernsehausstrahlungen und Decoderkarten betreffen, sondern jegliche vergleichbare Dienstleistung. Beispielsweise im Bereich digitaler Filme, Musik und anderer urheberrechtlich geschützten Werken ist es bislang gängige Praxis, dass es Gebietslizenzen gibt: Du darfst meinen Inhalt nur in deinem Land verbreiten. Das hat zum Beispiel dazu geführt, dass deutsche Nutzer nicht im französischen oder dem britischen iTunes einkaufen konnten. Das Urteil selbst ist noch nicht öffentlich abrufbar – aber wenn dieses System gekippt würde, stehen wir vor gewaltigen Veränderungen im europäischen Markt für digitale Güter. Eher nebenbei stellte der EuGH übrigens auch noch fest, dass ein Fußballspiel als solches nicht urheberrechtlich geschützt sei.

Update: Hier ist das Urteil.

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47 Ergänzungen

  1. „Eher nebenbei stellte der EuGH übrigens auch noch fest, dass ein Fußballspiel als solches nicht urheberrechtlich geschützt sei.“

    Heißt das, private Livestreams von Spielen im Internet sind legal?

      1. Kann ich mir nicht vorstellen, schließlich gibt es ja noch das Leistungsschutzrecht, was sich auf die spezifische technische Lösung der Übertragung bezieht. Also vom Spiel selber mal abgesehen solche Aspekte wie der Schnitt, die Vertonung etc.

    1. Meine Laienmeinung: Grundsätzlich ja, aber der Veranstalter kann von seinem Hausrecht Gebrauch machen und Aufzeichnungen verbieten.

    2. Nein, das kann es nicht heißen. Das ist (mindestens) genauso illegal, wie wenn man die Bundesligakonferenz in einer öffentlichen Kneipe überträgt, ohne dafür Sky die Lizenzgebühr für öffentliche Vorführung zu zahlen.

      Aber es gibt eine andere Möglichkeit: Theoretisch dürfte ein polnischer, französischer, griechischer (…) Sender, der für Polen (…) die Übertragungsrechte hat, jetzt weltweit die Spiele streamen (gegen minimale Gebühr oder nur werbefinanziert).

      Daran hängen aber noch viele weitere Fragen, die dies möglicherweise praktisch unmöglich machen. Denn die Rechtevermarkter von der Premierleague werden sicherlich die Verträge so gebaut haben, dass der Lizenznehmer nicht ins Netz streamen darf.

      1. Es geht um das Fußballspiel selbst. Nicht um die Übertragung. Wenn du mit einer Kamera im Stadion sitzt und filmst, darfst du das Spiel live ins Web übertragen. Die Frage ist eher, ob der Inhaber des Hausrechts eventuell das Mitbringen und Einsetzen von Aufzeichnungsgeräten verbieten kann.

  2. Ich hätte dazu eine Frage: Hat dieses Urteil Auswirkungen auf den Youtube- Gema Streit oder verwechsle ich dabei etwas?

    1. Das Urteil spricht ja nur von europäischen Ländern. Youtube/Google ist ja ein US Unternehmen. Ich denke mal eher nein, oder?

      Anderseits haben die natürlich Niederlasssungen in Europa…

      1. Entscheidend ist das Urheberrecht. Fußballspiel ist nicht geschützt, Musik/Video jedoch. Fußballspiel ist keine künstlerische Leistung, Musik/Video schon.

        Daher Gema/Youtube nicht mit dem Fußballurteil von heute vergleichbar … (BIAMNAL)

    1. „Insoweit ist festzustellen, dass FAPL an den Spielen der „Premier League“ selbst kein Urheberrecht geltend machen kann, da diese nicht als „Werk“ einzuordnen sind […] Für eine solche Einordnung muss es sich bei dem betreffenden Objekt nämlich um ein Original in dem Sinne handeln, dass es eine eigene geistige Schöpfung seines Urhebers darstellt […] Sportereignisse können jedoch nicht als geistige Schöpfungen angesehen werden, […] Das gilt insbesondere für Fußballspiele, die Spielregeln unterliegen, die für eine künstlerische Freiheit im Sinne des Urheberrechts keinen Raum lassen.

      http://curia.europa.eu/jurisp/cgi-bin/gettext.pl?where=&lang=de&num=79888995C19080429&doc=T&ouvert=T&seance=ARRET

      Danke an wackelzahn.

  3. Ich frage mich trotzdem, ob man die verschiedenen Anbieter zwingend kann ihre Decoder ins Ausland zu verkaufen/vermieten.
    Dann wird ihnen das vielleicht per Lizenz erlaubt.. allerdings unter der Hand abgemacht, dass sie weiterhin nicht (zumindest nicht) offiziell ins Ausland verkaufen.
    Und falls doch.. gibt’s im nächsten Jahr die Lizenz halt nur für den „lokalen“ Preis.
    Ich glaube das Urteil wird etwas überbwertet, aber ich lasse mich natürlich gern eines besseren belehren.

  4. Auf tagesschau.de stellen sie die Übertragbarkeit auf Musik und Film in Frage. Grundlage des Urteils ist auch, dass Fussballspiele nicht urheberrechtlich geschützt sind.

    1. Direkt nicht. Der EuGH hat mal wieder die faule Variante gemacht und gesagt: wir urteilen heute mal über Fußballübertragung und den Rest könnt Ihr dann selbst versuchen aus unserem Urteil herauszulesen…

    2. Naja vieleicht nicht direkt übertragbar. Aber einige Punkte sind interessant und könnten nach meiner Laien Meinung auch „Probleme“ für andere Dinge haben.
      So wird in Punkt 89 des Urteils durchaus zu lesen, dass Gebietsbeschränkungen eine Verbotene Beschränkung des Freien Dienstleistungsverkehrs darstellt
      Punkt 144 Geht ebenfalls auf Wettbewerbsbeschränkung ein.
      Und Punkt 110 und 113 verrät mehr oder weniger die Lösung. Die Anzahl der Decoder Karten ist bekannt, also kann man die Zuschauerzahlen ermitteln und anhand der (potentiellen) Zuschauerzahlen Vergüten. Das könnte man durchaus so interpretieren, dass in Zukunft die Sportveranstalter einfach keine Feste Summe mehr vom Sender bekommen sonder eine Summe x pro Abonnent.

  5. Overruled? Really? Hab ja nix gegen das Einstreuen von englischen Wörtern, aber das hört sich dann doch etwas strange an ;)

    1. Ich glaube nicht. Denn es geht in dem Urteil ja nur darum, dass Rechteinhaber die mit diesen Rechten produzierten Medien frei in der EU handeln können. Beim BBC-Player geht es ja nicht um veräußerliche Übertragungs bzw. Vorführrechte, wie das bei Fußball und Kinofilmen der Fall ist.

  6. Sehr gut recherchiert in Bezug auf die Fußballübertragungsrechte ist übrigens dieser BBC-Artikel: http://www.bbc.co.uk/news/business-15162241

    Er räumt nämlich mit dem Kappes auf, den SPON & Co verbreiten, dass Fußball via PayTV deutlich billiger werden wird. Denn es geht ja nur um die EU – und bspw. der nicht-britische EU-Raum ist als Absatzmarkt für die Rechteinhaber der Premier League relativ uninteressant.

    Es gibt aber andere Produkte, die eher auf eine EU-weite Kursion angewiesen sind – wie z.B. Tonträger. Da stelle ich mir aber die Frage, ob man diese Rechte nicht einfach aus einem nicht-EU-Land handeln kann. Denn bspw. ein norwegisches, schweizer oder US-amerikanisches Plattenlabel würde diese Regelung ja nicht treffen, oder?

  7. Ey, is voll krass! Leider aber nur als völlige Fehlinterpretation. Bitte zuerst das Urteil lesen oder auch die EuGH-Pressemitteilung dazu, bevor solche Behauptungen aufgestellt werden.

      1. Eine völlige Fehlinterpretation, da der Artikel von Kontrapunkt das Urteil in sein Gegenteil verkehrt. Der EuGH hat Gebietslizenzen gerade nicht untersagt, weder mittelbar noch unmittelbar. Das ergibt sich sowohl aus der Bezugnahme auf die EU-Zugangskontrollrichtlinie als auch auf das europäische Wettbewerbsrecht. In letzterer ist die Aussage mit einem entscheidenden Konditionalsatz verbunden: Nationale Exklusivlizenzen sind rechtswidrig, sofern (!) Fernsehzuschauern aus anderen EU-Staaten per Lizenzvertrag untersagt wird, Decodierkarten zur Nutzung ausländischer Angebote zu erwerben. Das System der Gebietslizenzen bleibt damit erhalten. Einzige Veränderung ist, dass nun Ausgleichsbewegungen über die jeweilige Höhe der erworbenen Lizenzrechte stattfinden können. Das heißt: Fließen Zuschauer aus Land A mit höheren Pay-TV-Abokosten ab in Land B mit niedrigeren Pay-TV-Abokosten, so sinkt in A der Zuschaueranteil und in B steigt er. Da sich die Lizenzkosten nach der Anzahl der Zuschauer bemisst, fällt der Preis für Pay-TV in A und steigt er in B.

      2. Eine berechtigte Frage: Ich denke, der PL ist klar und wohl bewußt, dass der EuGH-Entscheidung eine Modellwelt von Preisbildung unter Bedingungen des freien Wettbewerbs zugrunde liegt, die Wirklichkeit aber anders aussieht. Bislang vermarktete sie ein Monopolprodukt, das den Bedingungen freier Preisbildung gerade nicht unterworfen ist. Zudem müssen Verträge über höhere Lizenzkosten erst einmal durchgesetzt werden. Die Summe der Einnahmen könnte also sehr wohl fallen.

      3. Ich kann mir vorstellen warum. In erster Linie deshalb, weil die Pro-Kopf-Preise wohl an die Verhältnisse des Landes angepasst sind. D.h. ein Zuschauer eines griechischen Senders bringt weniger Geld ein, als der eines englischen. Damit würde die Summe schon kleiner, wenn 100 000 Engländer plötzlich in den griechischen Topf kommen.

        Zweitens bedeutet dies freilich Transaktionskosten und drittens kann die PL schlecht überprüfen, wie viele Abnehmer ein griechischer oder belgischer Sender wohl hat. Die werden einen Teufel tun, der PL ihre Zuschauerzahlen offen zu legen (bzw. an allen Ecken bescheißen), weil damit ihre Lizenzgebühren steigen würden.

  8. „Dienstleistungsfreiheit overruled lokale Lizenzen“
    Wo, bitteschön, steht das im Urteil? Wenn ich Unsinn lesen will, könnte ich zu SPON surfen. Von Netzpolitik erwarte ich viel mehr.

    Im Urteil heißt es lediglich, dass die private Nutzung ausländischer Fußballübertragungen nicht verboten werden darf.

    Da das Gericht gleichzeitig ausdrücklich zwischen
    a) copyrightgeschützten Werken und Fußballspielen, die nicht durch das Urheberrecht / das Copyright geschützt sind,
    und
    b) der privaten und der kommerziellen Nutzung
    unterscheidet, gibt es für Spekulationen über „gewaltige Veränderungen im europäischen Markt für digitale Güter“ keine Grundlage.

    1. Richtig. Aber so funktioniert NP halt. Und für die Griechen wird es jetzt auch nochmal wieder teurer … Letztendlich wird PayTV wieder mal gewinnen. Aber wer guckt noch Fußball?

      Danke für die Klarstellung, die auch so gelesen habe.

  9. wie schauts dann mit dem Glücksspiel aus? das ist doch auch mit Lizenzen usw, müßte dann doch ebenfalls frei für alle sein?

  10. Mit overruled habt Ihr den Vogel abgeschossen. Sorry, aber das hier soll doch bitte kein Jugendmagazin sein, oder?

      1. Früher haben wir „sticht“ oder „schlägt“ gesagt. Ist genau die deutsche Entsprechung, aber halt lesbarer.

        PS: Muss ich jetzt eigentlich für jeden Kommentar einen extra Browser aufmachen, nur weil WordPress meint, ich hätte keinen Kommentar eingegeben?

  11. Darf ich jetzt eigentlich meine Videos die ich selbst im Stadion gemacht habe bei youtube und co hochladen? oder sind die Spiele in Deutschland durch irgend etwas geschützt?
    Urheberrecht fällt jetzt ja weg.

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