EU: Verlängerung der Schutzfrist für Tonaufnahmen verhindern!

Seit 2005 wird auf Betreiben der Rechteinhaber in Europa die Debatte über die Verlängerung der Leistungschutzrechte an Musikaufnahmen vorangetrieben. Ein Werk soll nicht mehr nur 50, sondern 70 Jahre kommerziell verwertet werden können, bevor es gemeinfrei wird.

Experten aller bedeutenden Forschungsinstitute in Europa sprechen sich einhellig gegen die geplante Verlängerung aus – insbesondere, weil sie eine juristisch kaum umkehrbare Entscheidung ist. Trotzdem stimmte das Europaparlament der Verlängerung bereits 2009 zu. Wegen einer fehlenden Mehrheit im Ministerrat konnte die Verlängerung bisher aber nicht durchgebracht werden. Nun haben sich die Mehrheitsverhältnisse im Rat durch ein Umkippen Dänemarks und Portugals geändert, und die polnische Ratspräsidentschaft hat die Gelegenheit genutzt, das Thema im Eilverfahren auf die Tagesordnung zu setzen.

irights.info warnt:

Die Zeit drängt. Bereits am 07. September 2011 wird der ständige Ausschuss der nationalen Vertretungen und Botschaften in Brüssel COREPER das Thema behandeln. COREPER bereitet die Arbeitssitzung der Ratsarbeitsgruppe Urheberrecht vor. Aller Voraussicht nach wird die Verlängerung dann dort formal bereits am 12. September 2011 beschlossen werden, da ein positives COREPER-Votum die Beschlusslage im Europäischen Rat in der Regel vorwegnimmt.

Ebenfalls für irights.info haben John Hendrik Weitzmann & Philipp Otto ein Dossier zur geplanten Verlängerung verfasst, mit finanzieller Unterstützung durch den Wikimedia e.V. Das Dossier ist auch auf Englisch verfügbar. Es umfasst 12 Seiten, ist gut geschrieben, gut gestaltet und steht unter CC-Lizenz, wie man es von den immer lesenswerten irights-Dossiers gewohnt ist.

Schön werden darin die hahnebüchenen Hauptgründe für die Verlängerung zusammengefasst und widerlegt:

  1. Gleichziehen mit anderen Ländern (und deren Fehler)
  2. Fairness (gegenüber anderen Kreativen)
  3. Unterstützung der ausübenden Künstler (gemeint sind natürlich die Rechtverwerter)
  4. Anreize zur Investition in neue Musik (Beispiel: Die Twist&Shout-Aufnahme der Beatles genießt noch ein Schutzrecht bis 2015)
  5. Erhöhung der Zahl verfügbarer Werke (statt frei verfügbarer Werke)
  6. Aufrechterhaltung einer positiven Aussenhandelsbilanz (was empirisch in Großbrittannien als widerlegt gilt)

Hier entlang.

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14 Ergänzungen

  1. Naja, gerade für Popmusik hat die Verlängerung der Leistungsschutzrechte ja kaum Auswirkungen, da ja das Urheberrecht bis 70 Jahre nach dem Tod gilt. Das heißt die meisten über 50 Jahre alten Popsongs wären keineswegs frei verfügbar, da die Komponisten in der Regel noch nicht 70 Jahre tot sind. Oder seh ich da was falsch?

    Viele Grüße von Zippo!

    1. nicht frei von urheberrechten, aber das braucht man gar nicht unbedingt. da die meisten großen künstler GEMA-mitglieder sind und die GEMA dank kontrahierungszwang automatisch, jedem der dafür bereit ist zu bezahlen, aufführungs- und vervielfältigungsrechte einräumen muss, könntest du zB ab 2013 anfangen selbst beatles-platten zu veröffentlichen, solange du an die GEMA zahlst. das label, der inhaber der leistungsschutzrechte kann da nix gegen machen. die sehen nämlich so langsam ihre felle davonschwimmen, wenn wir langsam in bereich kommen, in der rechte von aufnahmen populärer künstler verfallen.

      zusätzlich wird das sampling viel viel einfacher. auf rhythmus-sequenzen und kleine tonfetzen, etc besteht in aller regel kein urheberrechte, wohl aber ein leistungsschutzrechte, das sampling bisher verhindert hat (siehe kraftwerk vs. moses p.). werden die aufnahmen frei, kann man damit anstellen was man will, solange man keine ganzen melodien, sonzeilen usw. verwendet.

  2. Man sollte hier nochmal eindringlich auf Schnarri einwirken. Sie vertritt die Auffassung der üblichen Rechteverwerter-Propaganda….. — Sie wird nämlich bei dieser Frage im Rat abstimmen.

    1. ja, richtig!
      Was genau soll man denn als Bürger tun? Das Dossier an die EU-Parlamentarier schicken?
      Selber was formulieren, um mit weniger geschliffenen Worten dasselbe zu sagen?

  3. Zu dieser Zusammenfassung ließe sich noch Ergänzen: Musik ist (auch) ein Kulturgut. Bei allem zweifelhaften Kram, der auf YouTube herumschwirrt, ist es mittlerweile vergleichbar mit einer öffentlichen Bibliothek, in der sich jeder selbst bilden kann, wenn er denn möchte. Wer war dieser Charlie Parker, und wie hat sich der angehört? YouTube weiß es.

    Es muss also einen Punkt geben, an dem diese Kultur der Allgemeinheit zur Verfügung steht. Und damit nicht nur die Beatles, die eh niemand vergisst, sondern auch die kleinen Künstler, die am Ende für eine Epoche doch wichtig waren.

    Die Schutzfrist auf 70 Jahre zu verlängern ist aus dieser Perspektive natürlich ein Schritt in die falsche Richtung. Eher sollte sie verkürzt werden.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.