EU-Kommission zerflückt GlüStV-Entwurf

Wie erwartet, hat die EU-Kommission heute gestern offenbar fristgerecht eine dedizierte Stellungnahme zum Entwurf des Glückspielstaatsvertrags (GlüStV) abgegeben, der ihr vor 3 Monaten zur Notifizierung (Kenntnisnahme) vorgelegt wurde. Glaubt man dem Glückspielanbieter Betfair und seiner Pressemitteilung, fiel das Urteil der EU-Kommission vergleichsweise vernichtend aus. Eigentlich war aber auch das zu erwarten.

Einige Punkte, wie die Beschränkung auf lediglich 7 Konzessionen für Anbieter von Sportwetten, das Limit für den monatlichen Höchsteinsatz i.H.v. 750 Euro/Monat und die Konzessionsabgabe in Höhe von 16,67 % auf alle Einsätze, hatte ich in den letzten Monaten ja schon mehrfach angesprochen.

Darüber hinaus kritisierte die EU-Kommission laut Betfair:

  • die Voraussetzung für die Erteilung einer Konzession sowie die Auswahlkriterien für die Auswahl zwischen mehreren geeigneten Bewerbern um Sportwettkonzessionen;
  • die Beschränkungen von Form und Vertrieb von Sportwetten;
  • die begrenzte zeitliche Gültigkeit der Experimentierklausel und die Übergangsbestimmungen;
  • sowie das Verbot für private Anbieter, Poker- und Kasinospiele über das Internet anzubieten.

Zwar ist die Kritik der Kommission nicht bindend, allerdings sind die Länder natürlicht gut beraten, die Bedenken der EU-Kommission aufzugreifen. Sonst liefe man schließlich Gefahr, dass der neue Staatsvertrag gleich wieder vom Europäischen Gerichtshof kassiert würde.

Einige der Kritikpunkte wurden von der CdS-Arbeitsgruppe “Glücksspielstaatvertrag” auf Länderebene bereits adressiert, bei anderen dürfte es in den nächsten Wochen noch spannend werden.

PS: Dadurch, dass sowohl die EU-Kommission, wie auch das Glückspielanbieterparadies Malta einen Einspruch (Detailed Opinion) eingereicht haben, wird die Notifizierungsphase automatisch um einen Monat verlängert. Prof. Dr. Thomas Hoeren hat das Verfahren 2009 im Beck-Blog anschaulich erklärt:

Nach einer Notifizierung besteht abgesehen von hier nicht einschlägigen Ausnahmen eine Stillhaltepflicht von drei Monaten, sodass die Vorschrift auf nationaler Ebene während dieser Frist nicht endgültig verabschiedet werden kann. Gibt die Kommission oder ein Mitgliedstaat innerhalb der Frist eine ausführliche Stellungnahme ab, weil die geplante Maßnahme ihrer Ansicht nach Hindernisse für die Niederlassungsfreiheit oder den freien Dienstleistungsverkehr im Binnenmarkt schaffen kann, wird die Stillhaltefrist um einen weiteren Monat verlängert.

Für den GlüStV ist diese Stillhaltepflicht zunächst von untergeordneter Bedeutung. In Kraft treten soll Vertrag schließlich ja erst zum 01.12.2012. Den Ländern läuft die Zeit trotzdem weg. Zum einen braucht es Einigkeit über einen noch in zentralen Punkten zu überarbeitenden Entwurf, zum anderen muss der Enwurf auch noch durch die Parlamente. Ein Grund mehr, auf politisch nicht mehr durchsetzbare Forderungen wie Netzsperren zu verzichten.

Wie auch immer: offiziell geht es im August weiter.

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13 Ergänzungen

  1. Meiner Meinung nach sollten Glückspiele oder ähnliches über das Internet grundsätzlich rechtswidrig sein. Unabhängig davon halte ich jedoch nichts von Sperren, oder ähnlich sinnlosen Maßnahmen. Es muss jedoch ein nationales Klagerecht geben. Gründe:

    Vor nicht allzu langer Zeit machte eine Firma Namens Sw__po offenbar prächtige Umsätze mit einer sogenannten Auktionsplatform. Lange wurde darüber gestritten, ob die Platform nun ein verbotenes Glückspiel, Gewinnspiel, oder was auch immer ist.
    Meines erachtens sollte man all diese Portale mit dem real statt findenden Hütchenspiel vergleichen. Der Spielführer, das wissen auch die Gerichte, kann die Gewinnkugel jederzeit unMERKBAR aus dem Spiel nehmen und sie auch wieder platzieren. Das führte in der Vergangenheit zu dem Schluss, das alle Hütchenspieler aufgrund des immensen Interessenkonflikt falsch spielen und somit anfechtbar sind.
    Zurück zu Gewinnspielen im Internet. Auch hier ist es völlig intransparent ob der Gewinn aufgrund der zugesicherten Spielmechanik zustande kommt, oder durch Manipulation. Da hier die gleichen Interessenkonflikte bestehen, könnte dies nur durch eine scharfe Prüfung, oder Anwendung, Webserver und allem zugehörigen teilweise „geheilt“ werden. Dies wird in der Praxis unmöglich sein. Allein schon weil die Tatsache des Interessenkonfliktes und des Preises einer Zertifizierung zu hoch sind.
    Zurück zu Sw__po. Die Kritik konnte nie ausgeräumt werden. Inzwischen ist die Firma insolvent. Vermutlich wurde in der Anfangszeit (mehrere Monate-Jahre) sehr viel Geld verdient, dies ist besinders bei verbotenen Pyramidenspielen-, systemen und Empfehlungsmarketing üblich. Wenn dann von den „Kunden“ – besser Opfer bemerkt wird, wie unrentabel, unseriös, oder unsinnig das Produkt ist, fällt das Interesse schnell ab und die Firma, bzw. das „Produkt“ wird abgewickelt.
    Die nächsten Penny-Auktions“Platformen“ laufen schon wieder…

    1. Bei Sportwetten z.B. kann sehr leicht nachgeprüft werden ob die Ergebnisse stimmen.

      Da könnte ein Anbieter nicht viel betrügen…

    2. Du hast aber den richtigen Punkt nicht gesehen. Jeder Erwachsene ist alt genug, um selbst zu entscheiden, von wem er sich betrügen lässt. Seien es Banken, Versicherungen, Hütchenspieler, Lottogesellschaften oder von mir aus auch im Internet.

      Wir brauchen keinen Nanny-Staat, der mir vorschreibt, was ich zu tun und zu lassen habe.

      gruß

      1. Wo habe ich etwas von Nanny-Staat verlangt?
        Ich verlange lediglich, dass betrügerische geschäftsmodelle als das behandelt werden, was sie sind:
        Betrügerisch und somit anfechtbar mit einer guten Chance auf Verurteilung der Verursacher. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

      2. Betrug ist jetzt schon strafbar und somit anfechtbar. Wetten an sich fallen nicht darunter, Wettbetrug aber natürlich schon.

  2. Ich bin ja nun kein Anwalt, aber das hier scheint mir schräg:

    allerdings sind die Länder natürlicht gut beraten, die Bedenken der EU-Kommission aufzugreifen. Sonst liefe man schließlich Gefahr, dass der neue Staatsvertrag gleich wieder vom Europäischen Gerichtshof kassiert würde.

    Ist das nicht ein klein wenig so als würde man sagen, dass eine ablehnende Haltung des Bundesrats darauf hindeutet, dass das Bundesverfassungsgericht das Gesetz kippen wird?

  3. Wir sprechen hier über den Glückspielvertrag und nicht über das Hütchenspiel. Wenn ich über das Internet Lotto spielen will und nicht extra bei Regen einige hundert Meter in eine Lottobude wandern will (wo neben Sexheftli, Zigaretten, Schleckwaren—alles Suchtmittel angeboten werden!), ist das allein meine Sache. Da brauche ich keine Zensur wie zu DDR-Zeiten. Ich verbiete mir auch, mich von überforderten, halbdebilen Lottofunktionären als Suchthaufen betiteln zu lassen, wenn ich nicht anderes erwerbe, als ihr Lottoprodukt. Aber eben auf meine Art, über Jaxx im Internet. Und wenn ich gleichzeitig für 5 Euro Eine Sportwette abschliese auf meinen Fussballverein, ist das meine Sache. Über Oddset würde ich das nie tun, weil da die Dickbäuche und Pfründenmanager sitzen, die nichts anderes im Sinn haben, als die Gebühren zu erhöhen und ihr Monopol zu zementieren.
    Jedem Bürger würde ich einmal raten über Google die Begriffe „Skandal/Lottoblock“ einzugeben. Sofort ist einem danach klar, wo die Probleme liegen.

  4. von Salben: Wer ist die EU-Kommission?
    Das „Staatengebilde“ EU wurde vor allem von den Mitlgiedsländern Deutschland und Frankreich vorangetrieben. Ohne diese Länder wäre die Gemeinschaft schon lange auseinander gefallen. Und ausgerechnet Deutschland sollte sich nun nicht mehr an deren Gesetze halten.
    Der Glückspielvertrag schützt nicht spielsüchtige Menschen, er zementiert einzig das Monopol der Pfründemanager. Es gibt andere Möglichkeiten, spielsüchtige Bürger vor ihrer Sucht zu bewahren. Die Privaten schaffen das alleweil besser als der Staat. Ein Blick nach England genügt, um das zu bestätigen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.