Bundesverfassungsgericht vs. Facebook? (Update)

Andreas Voßkuhle, Präsident des Bundesverfassungsgerichts, warnt im Focus wohl vor Facebook. Das Benutzen der Plattform sei „eine risikogeneigte Tätigkeit“. Voßkuhle begründet das u.a. damit, dass man nicht wisse, ob Facebook auch tatsächlich Daten lösche, auch wenn das dabei steht. Soweit, so gut. Interessanter finde ich einen anderen Punkt:

Voßkuhle beklagte auch die „Gefahr einer Schieflage“ zwischen der Macht des Unternehmens Facebook, dessen Server außerhalb von Deutschland stehen, und der auf 16 Bundesländer zersplitterten Kontrolle der Datenschützer. Er deutete an, dass das Bundesverfassungsgericht gezwungen sein könnte zu prüfen, ob sich das Facebook-Angebot mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung verträgt.

Das könnte tatsächlich mal interessant werden.

Focus.de hat nur Auszüge des Interviews in einen Fließtext gepackt. Hat jemand mal das ganze Interview als PDF für mich?

Update: Da das Interview gerade große Wellen macht, hier mal meine Lesart (Von dem Ausschnitt bei Focus.de, das ganze Interview habe ich noch nicht gelesen). Also ich lese daraus, dass er sich vorstellen kann, dass das BVerfG mal klärt, ob deutsche Gesetze für Facebook gelten oder nicht. Man mag mich gerne korrigieren, wenn man da was anderes rausliest, aber ich hab das auch ohne Schaum vor dem Mund gelesen. Diese Klärung halte ich tatsächlich mal für angebracht.

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31 Ergänzungen

  1. Falls du das komplette Interview bekommst, würdest du es dann auch veröffentlichen? Würde sicher einige brennend interessieren.

    Danke
    Carsten

      1. Ok, danke, bestens. Der Urheberrechtsaspekt ging bei mir leider komplett verloren. Zitatform der relevanten Aussagen sehe ich als durchaus ausreichend an.

    1. @Silvio: Lieber Silvio, was sollen wir denn noch machen? (Kleiner Tip: Wir haben schon länger als Heise eine 2-Klick-Lösung hier eingebaut)

      1. Ich seh auch wieder Flattr-Buttons, das ist ein gutes Zeichen – danke! Und jetzt bitte noch die Kommentarfunktion wieder so hinbiegen, dass sie in allen Browsern funktioniert (oder gleich ein besseres Blogsystem nehmen).

  2. Da ja täglich in unseren Medien berichtet wird,wie schädlich abscheulich und hochgradig gefährlich FB, Twitter Google streetview etc sind sollte man FB in Deutschland entweder a) komplett verbieten oder b) unter absolut staatliche Kontrolle stellen

    gruss bundestrojaner

    1. Eher das Internet, denn das ermöglicht all das Gefährliche ja erst. Man bedenke all die Router weltweit, die wir von Deutschland aus nicht unter Kontrolle haben.

      Und eigentlich müsste der Begriff „informationelle Selbstbestimmung“ mal auf den Prüfstand, ob der denn in einer vernetzten Welt noch so sinnvoll ist und man nicht andere Maßstäbe braucht. Aber da es ja schon sowas wie eine Religion rund um diesen Begriff gibt, sehe ich hier eher schwarz, dass sich da was tut.

      1. Nö, ich finde es reicht, wenn der weltgrößte Sozialdaten-Abgreif-Monopolkonzern mal eins vor den Latz bekommt, und so vielleicht lernt, sich an geltende Gesetze so zu halten wie auch jeder kleiner Bürger es muss. Und auch wenn die die aufdringlichen „Social-Media-Evangelisten“ und ich-bin-ja-so-modern-Werbefuzzis nun empört aufheulen – meine Daten gehören mir, und dass hirnlose Facebooker ihre für ein bischen Social-Tinnef und Happy-Button herschenken wollen oder nicht einmal verstehen, dass sie das tun, berührt meine Rechte überhaupt nicht.

  3. Eine ziemliche Gradwanderung, das Teilnehmen an Facebook ist eine Form informationelle Selbstbestimmung wahrzunehmen. Natürlich muss ich auch die Freiheit haben, jedes persönliche Datum, das ich weitergeben will, auch weitergeben zu können. Wie sollte so eine Unvereinbarkeit aussehen? Die Feststellung etwa einer regelmäßigen Unfähigkeit der meisten Bürger die Reichweite des Eingriffs in die informationelle Selbstbestimmung bei einem Angebot wie Facebook abzuschätzen, käme einer Entmündigung des Bürgers gleich.

    Was ich mir dagegen schon vorstellen könnte, dass der Vertrag zwischen Facebook und seinen Nutzern sittenwidrig ist.

  4. Völliges Unverständnis auf meiner Seite.

    Will Vosskuhle, dass wir uns vom Kapitalismus verabschieden?
    Dürfen Firmen keine online-basierten Begegnungsräume mehr anbieten? Dürfen nur noch Stiftungen und Privatmenschen etwas über andere wissen, nicht aber Unternehmen?

    Wenn der Präsident des Bundesverfassungsgerichtes im Jahre 2011 nicht ausgewogen zwischen Erhalt der Privatsphäre und Erhalt der öffentlichen Sphäre (verstanden als Sphäre des offenen Informationsaustausches) abwägen kann oder sich dieser Dialektik nicht bewusst zu sein scheint……dann haben wir ein größeres Problem als uns um den sinnvollen Kernbereich des Kampfbegriffes „informationelle Selbstbestimmung“ zu sorgen.

    1. „Dürfen nur noch Stiftungen und Privatmenschen etwas über andere wissen, nicht aber Unternehmen?“

      Das finde ich, ist in der Tat eine interessante Überlegung. Die Speicherung personenbezogener Daten sollte vom Gesetzgeber, zumindest bei großen Anhäufungen, rechtlich und technisch überprüft und offen gelegt werden. Es kann nicht sein, dass Facebook mit Daten tuhen und lassen kann was es will. AUCH, wenn die Benutzer den AGB’s zustimmen. Da ein gewisser Druck auf Teilhabe am gesellschaftlichen Leben mit einer Mitgliedschaft bei Facebook verbunden ist, sollten die AGB’s im Bezug auf personenbezogene Daten teilweise rechtlich unwirksam sein. Zumindest würde das Bundesverfassungsgericht vielleicht in diese Richtung urteilen.

    2. Ein Strohmann nach dem anderen.

      FB darf ruhig einiges über mich „wissen“, aber es wäre schön wenn sie ordentlich fragen. Und nicht alles bis St. Nimmerlein speichern. Und richtig löschen. Usw.

  5. Hmm die ganze Welt insbesondere Deutschland macht sich Gedanken um Google und Facebook und den Datenschutz. Was ist dann bitte schön mit Microsoft`s Bing und Streetside und all den anderen Diensten? Bei Google`s Streetview haben die alle einen Aufriss gemacht und über Streetside hört man nichts, geschweige denn Protest oder ähnliches.

  6. Das ist hier ja ein Ort an dem immer wieder betont wird, dass man liebend gerne bereit ist für Journalismus zu bezahlen, wenn denn auch der Inhalt stimmt. Nun scheint das der Fall zu sein, der Autor möchte den Artikel aber trotzdem lieber als PDF. Irgendwie enttäuschend.

  7. Syrienliebhaber in Syrien und Deutschland sehen sich Angriffen von Muslimbrüdern und Regimegegner in Facebook ausgesetzt.

    Schwarze Liste und Morddrohungen von und an Regierungsbefürwortern auf der Seite „Syrien Revolution 2011“ versuchen Revolutionsgegner mit Morddrohungen Angst einzujagen. Konkret musste die Website „Sarsura-Syrien.de“ wegen Angriffe in Facebook vom Netz genommen werden.

    Ein Beispiel, wie Facebook als Plattform für medienkriegsähnliche Aktionen genutzt wird um Meinungsmache und Einschüchterungs-attacken zu starten.

    Es geht hier nicht um Datenschutz, sonder um eine neue Form von Meinungsmissbrauch.

  8. Bittet der gerade die Öffentlichkeit oder die Politik eine Anfrage an das BVerfG zu stellen? Weil das kann doch von sich aus gar nicht tätig werden, oder?
    Und selbst wenn, ein Privatunternehmen kann doch keine Grundrechtsverletzungen begehen, sondern nur der Staat.

    Was versteh ich da falsch? Juristen da?

    1. @Jens: Also ich lese daraus, dass er sich vorstellen kann, dass das BVerfG mal klärt, ob deutsche Gesetze für Facebook gelten oder nicht. Man mag mich gerne korrigieren, wenn man da was anderes rausliest, aber ich hab das auch ohen Schaum vor dem Mund gelesen.

  9. Dass das deutsche Recht für Facebook gilt, wird das Bundesverfassungsgericht wohl bejahen. Darauf deutet zumindest hin, dass Voßkuhle anscheinend explizit die Frage aufgeworfen hat, ob das Angebot von Facebook (in welcher Art auch immer, das Grundrechte grundsätzlich private Unternehmen wie Facebook nicht unmittelbar binden) verfassungsrechtlich möglicherweise problematisch ist; das wiederum impliziert, dass das deutsche Recht grundsätzlich anwendbar ist, da man ansonsten zu einer solchen Prüfung nicht käme.

    Viel interessanter ist die Frage, in welchem Rahmen sich Voßkuhle so eine Prüfung vorstellt. Wie ich oben schon geschrieben habe, ist Facebook unmittelbar überhaupt nicht an die Grundrechte gebunden. Die große Frage ist also, wo man in dieser Frage den Hebel ansetzt und wer gegen was klagen müsste. Denn von sich aus kann das Bundesverfassungsgericht bekanntermaßen keine Rechtsfragen prüfen, Facebook wird kaum ein Interesse an einer höchstrichterlichen Entscheidung in so einer Frage haben und Datenschützer oder Behörden können das Bundesverfassungsgericht nicht ohne weiteres anrufen, da zunächst sonstige Rechtsschutzmöglichkeiten ausgeschöpft werden müssen (Stichworte: Rechtswegerschöpfung & Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde).

    Sollte das Bundesverfassungsgericht also nicht mit der bisherigen Lesart des Grundgesetzes brechen wollen – unmittelbare Bindung (nur) der staatlichen Gewalt – und die Frage auch nicht in einem obiter dictum abhandeln wollen – was bei einer so speziellen Frage schwer wird – wird es interessant.

  10. Herr Voßkuhle ist jedenfalls ein Richter, der sich öffentlich äußert, nicht nur hinter den verschlossenen Türen des Bundesverfassungsgerichtes. Es ist ein Wink mit dem Zaunpfahl und soll Politiker stärken, die zur Zeit gegen Facebook und Co. juristisch vorgehen. Man hat das zur Kenntnis genommen und zwar in jeder Hinsicht. Es ist zu danken, wenn sich ein Richter so weit aus dem Fenster lehnt. Die Richtung ist klar. Endlich mal wieder ein guter Vorsitzender nach langer Zeit (Harms….! Der denkt sogar richtig selbstständig ohne Zaudern. Ein gutes Zeichen!

    Dani

    1. Als ob die anderen Richter des Bundesverfassungsgerichts nicht selbständig denken würden. Ich schätze Herrn Voßkuhle sehr; aber man kann durchaus Kritik an seinem Auftreten üben. Die Richter des Bundesverfassungsgerichts haben sich nunmal in der Öffentlichkeit zurückzuhalten – erst recht, wenn es um Fälle geht, die noch aktuell werden können. Sonst entsteht schnell der Eindruck der Voreingenommenheit.

      Normalerweise sollte das Bundesverfassungsgericht unpolitisch rein auf Basis der Verfassung über ihm angetragene Fragen entscheiden; von dieser Aufgabe entfernt sich das Bundesverfassungsgericht, wenn Richter sich zu aktuellen Fragen äußern und dadurch Politiker zu bestimmten Entscheidungen drängen. Das gilt erst recht wenn diese Hinweise erfolgen ohne dass die Richter alle Fakten auf dem Tisch haben; und das ist bei Facebook definitiv der Fall, alle reden darüber, keiner weiß genau, welche Daten Facebook wie übermittelt, speichert und verarbeitet.

      1. @karpatenhund
        Das Gegenteil ist der Fall. Die Politik missbraucht zunehmend das Bundesverfassungsgericht. Die Politik missachtet das Bundesverfassungsgericht. Die Politik macht das Bundesverfassungsgericht lächerlich. Warum? Weil in den letzten Jahren massiv Gesetze verabschiedet worden sind, obwohl sie OFFENSICHTLICH verfassungswidrig waren, für jeden Trottel erkennbar verfassungsfeindlich. Weil in den letzten Jahren ehrwürdige Politker gegen ihre eigene Partei vorgehen mußten mittels Klagen beim Bundesverfassungsgericht, weil in deren Parteien Verfassungsfeinde und Kriminelle sitzen. Weil es in den letzten Jahren zunehmend dazu kommt, daß das Bundesverfassungsgericht die Politik ermahnen mußte, es nicht zu weit zu treiben mit ihren verfassungsfeindlichen Aktionen. Die Vorratsdatenspeicherung zum Beispiel hat das Bundesverfassungsgericht zu einer einstweiligen Verfügung genötigt, was sehr selten vorkommt. Die Richterschaft wird daher ebenfalls genötigt, der Politik und diversen Machenschaften einiger US-Konzerne Einhalt zu gebieten. Und es ist beruhigend, einen Menschen wie Herrn Voßkuhle dort zu wissen. Das Bundesverfassungsgericht ist Bewahrer des Grundgesetzes! Deren RichterInnen können sich nicht oft genug äußern und sollten es zunehmend machen! Wer sollte es sonst erledigen, wenn nicht diese? Das Bundesverfassungsgericht genießt immer noch größte Hochachtung in der Bevölkerung. Und das Volk möchte und fordert dessen Schutz! Den Schutz vor den Verfassungsfeinden, Vollidioten, Kriminellen in Politik und Wirtschaft!

        Dani

      2. @Dani
        Soll der Beitrag ernsthaft eine Diskussionsgrundlage darstellen? Wir können gerne mal über den Unterschied zwischen „verfassungsfeindlich“ und „verfassungswidrig“ diskutieren. Nicht bei allem, bei dem ein Teil der Bevölkerung auf die Barrikaden geht, ist Verfassungsfeindlichkeit im Spiel. Auch wenn es manchen Menschen erschüttern mag: Die Materie ist weitaus komplexer, als sie scheint.

        Ganz abgesehen davon ist das Bundesverfassungsgericht auch nicht unfehlbar; dass die Interpretation der Verfassung durch das Bundesverfassungsgericht in jedem Fall richtig ist, dürfte doch wohl eher utopisch sein. Aber irgendjemand muss nunmal das letzte Wort haben.

  11. @karpatenhund (Erstellt am 8. November 2011 um 22:48)

    Du hast meinen Text anscheinend nicht gelesen. Wer wissentlich und willentlich verfassungswidrige Gesetze durchboxt, ist ein Verfassungsfeind. Was sonst?? Es sind Gesetze BEWUßT verabschiedet worden, die verfassungswidrig waren. Daher sind diese Leute Verfassungsfeinde und nicht etwa irgendwelche Verfassungswidrige. Mir ist bekannt, daß das Bundesverfassungsgericht in den letzten Jahrzehnten Fehlleistungen erbracht hat, aber das braucht man denen heute nicht auf das Butterbrot zu schmieren. Das Bundesverfassungsgericht entwickelt sich genauso weiter, wie die Kirche, die Gesellschaft und jeder Grasfrosch auf der Wiese.

    Dani

    1. Welche Gesetze waren das zum Beispiel? Bei den am kontroversesten diskutierten Gesetzen gab es bisher regelmäßig unterschiedliche Ansichten. Man denke an das Zugangserschwerungsgesetz, die Vorratsdatenspeicherung, das Luftsicherheitsgesetz usw.
      Über das Flugsicherungsgesetz könnte man sich eventuell streiten, das war wirklich ziemlich offensichtlich verfassungswidrig; aber damit musste sich das Bundesverfassungsgericht nie beschäftigen, da es am Bundespräsidenten scheiterte.

      Ganz abgesehen davon zieht deine Definition von Verfassungsfeindlichkeit auch nicht. Der Begriff wird allgemein so interpretiert, dass sich die Bestrebungen im Falle der Verfassungsfeindlichkeit gegen die Grundprinzipien des Grundgesetzes richten müssen; und eben grade nicht „nur“ verfassungswidrig sein dürfen.

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