Buch: Generation Facebook

Herausgegeben von Oliver Leistert und Theo Röhle ist gerade das Buch Generation Facebook: Über das Leben im Social Net erschienen.

In diesem Band soll eine medien- und kulturkritische Perspektive auf das Phänomen Facebook entwickelt werden. Auch wenn es der Titel nicht unbedingt vermuten lässt, muss ich sagen, dass es den Herausgebern gelungen ist, einen durch verschiedene wissenschaftliche Ansätze und Meinungen facettenreichen und sehr interessanten Blick auf die Entwicklung des Phänomens und seine Auswirkungen zu werfen.

Geert Lovink beschreibt in seinem Beitrag „Anonymität und die Krise das multiplen Selbst“ (der auch in seinem Buch Networks Without a Cause: A Critique of Social Media erscheinen wird) die Entwicklung von multiplen Netz-Identitäten zur normalisierten Einzel-Identität: „Zwei Identitäten zu haben ist ein Zeichen für Mangel an Integrität“ zitiert er den Facebook-Gründer Mark Zuckerberg, um festzustellen: 

In Facebook gibt es keine Hippie-Aussteiger […], keine Punks, keine kriminalisierte migrantische Straßenkultur […]

sondern

nur ein pathologisches Ausmaß des Bekenntnisses zum echten Selbst das Hand in Hand mit der Annehmlichkeit geht, sich unter Freunden in einer sicheren, kontrollierten Umgebung zu befinden.

Er stellt den normativen Charakter Facebooks dar, und entfaltet dann 3 „Ausbruchsversuche“ aus der „Maschinerie der Eigenwerbung.“

Mark Andrejevic untersucht „Facebook als neue Produktionsweise“:

Anders als weithin angenommen wird, machen soziale Netzwerke die Gemeinschaft nicht öffentlich, sondern privatisieren sie. Indem sie für die digitale Produktion der Online-Gemeinschaft eine Struktur in Privatbesitz schaffen, können solche Seiten sich die Kraft der Gemeinschaft für kommerzielle Zwecke aneignen und nutzen.

und warnt vor einer

Einschränkung unserer Vorstellungen von Gemeinschaft und unserem Verständnis vom Potenzial vernetzter Interaktivität

wenn wir unsere Kommunikationsressourcen einer

von Marketinginteressen geprägten und auf der Ausbeutung von Nutzerarbeit aufgebaute Gemeinschaft reduzieren.

…und Anne Roth berichtet von ihrer paradoxen Situation als Bloggerin

ständig vor der Auflösung der Privatsphäre zu warnen und damit meine eigene aktiv auszuhöhlen

und von den „fast beleidigten“ Reaktionen wenn sie als Überwachungsopfer und -gegnerin zugibt, einen Facebook-Account aktiv zu nutzen.

Gerald Raunig arbeitet über Nietzsche und Foucault einen Zugang zu den „Dividuen des Facebook“ heraus, und plädiert für eine neue Definition von Privacy, die

  1. auch im neoliberalen Setting weder die patriarchale Logik der Anrufung des Privaten und des Öffentlichen übersieht, noch einer romantischen Verklärung der Möglichkeiten von Social Media anheimfällt
  2. die Komponente der Subjektivierung und der Involviertheit der begehrenden Subjekte berücksichtigt
  3. auf diesem Weg auch geeignete Dispositive des Widerstands zu entwickeln in der Lage ist, im ständigen Austausch konzeptueller und sozialer Maschinen

Da nicht abzusehen ist, dass die Flut von sinn- und ergebnislosen Postprivacy-vs-Datenschutz-Debatten in naher Zukunft abebben wird, kann ich dieses Buch allen empfehlen, die diese mit einem bisschen theoretischem Background statt nur Parolen führen wollen. Für beide Seiten der Debatte bietet dieses Buch ausreichend Material.

Affiliate Link: Generation Facebook: Über das Leben im Social Net

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21 Ergänzungen

  1. Twitter und Facebook sind eine typische Erscheinung der Generation ADS & SMS.
    Für einen Brief zu faul, für einen kompletten Satz zu dumm und für korrekte Grammatik zu cool.

    Dazu braucht es kein Buch!

    1. Für einen Brief zu faul, für einen kompletten Satz zu dumm und für korrekte Grammatik zu cool.Dir ist hoffentlich bewusst, dass in der deutschen Sprache ein korrekter Satz zumindest ein Subjekt und ein Prädikat beinhaltet.

      1. Und es ist falsch. Sogar nach der Duden-Grammatik, die neben „ausgebauten Sätzen“ auch „Satzäquivalente“ kennt, sowohl explizit als auch implizit durch Verwendung in ihrem Text.

  2. ———–
    Für einen Brief zu faul, für einen kompletten Satz zu dumm und für korrekte Grammatik zu cool.
    ————-

    Na Hauptsache jeder hat seine gepflegten Vorurteile und Reflexe. Passt ja nahezu wie die Faust aufs Auge zum letzten Satz des Artikels:

    ———-
    mit einem bisschen theoretischem Background statt nur Parolen
    ——-

    1. Was los? Macht doch Sinn! Schau doch mal in die Schulen, dann siehste was dort für Idioten herangezogen werden. 99% frohe Konsumenten. Zu mehr ist diese Generation nicht zu gebrauchen.

      1. Das ist aber etwas, was man nicht direkt der Generation bzw. der Jugend im Allgemeinen anlasten sollte. Die Konsumgesellschaft existiert auch außerhalb der von dir genannten Gruppe. Und nur sie für das Vorhandensein von Defiziten verantwortlich zu machen, ist ein wenig billig.

  3. Wow, nach 3 Zitaten habe ich schon keine Lust mehr auf das Buch.

    Manche Leute nehmen Facebook einfach zu ernst.

  4. Ich habe da letztens einen netten Satz zum Thema gelesen/gehört:

    Du zahlst nicht für das Produkt Facebook, weil Facebook für dich kein Produkt ist. Du bist das Produkt VON Facebook, welches angeboten wird und die wahre Kundschaft sind Unternehmen und Regierungen.

    Grüße

  5. Papierversion 22EUR.

    Das eBook kommt vermutlich in 3 Monaten für 18EUR und in einem Jahr dann das Taschenbuch für 12EUR. Das eBook bleibt natürlich erstmal beim alten Preis…

    So basteln die Verlage weiter an ihrem Untergang.

  6. Nun, das Problem ist nicht Facebook allein, sondern dass sich das ganze Leben fast ausschließlich Online abspielt.
    Mails, Instant Messenger, Social Networks etc.. wir leben in einer Onlinegeneration.
    Ein Ende ist nicht in sicht ;)

  7. Die Frage ist, warum er sein „Buch“ nicht gleich auf FaceBOOK veröffentlicht hat, als so altmodisch Papier zu verschwenden. Ach ja, ich vergaß: Bücher bringen Kohle, immer noch, was für ein Wunder. Und Geld verdienen wollen diese Typen ja ständig.

    1. …und gegen das Geldverdienen ist ja auch im Prinzip nichts einzuwenden, den die meisten von uns müssen ja Kinder ernähren, Miete zahlen, Schuhe kaufen, … ;-)

      1. Du, das sind gleich drei gute Einwände gegen das Geldverdienen. Wenn Nahrung, Wohnungen und Schuhe nicht gegen Geld abgegeben würden, sondern aufgrund des Bedürfnisses danach, hätte doch jeder, was er braucht.

  8. Christine, Du glaubst doch nciht ernsthaft dass der Hrsg. eines wissenschaftlichen Sammelbandes damit Geld verdient. Vielleicht der Verlag (was ich bei Transcript auch kaum glaube), er kann froh sein wenn er nicht draufzahlen muss.

    Und: Was spricht gegen ein Buch? Willst Du etwa 200s am Bildschirm lesen?

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.