Astroturfing-Vorwürfe gegen Wiki-Watch

Es gibt gerade einige Diskussionen um das Wiki-Watch-Projekt. Dieses hatte sich öffentlichkeitswirksam als „Arbeitsstelle Wiki-Watch im „Studien- und Forschungsschwerpunkt Medienrecht“ der Juristischen Fakultät der Europa-Universität Viadrina die Aufgabe gegeben, die Wikipedia wissenschaftlich und kritisch zu begleiten. Mittlerweile gibt es Vorwürfe, die Betreiber würden aus dem Evangelikalen Umfeld kommen und würden das Projekt eher dafür verwenden, sich einen Namen zu machen, um über eine Public Affairs Agentur Astroturfing-Dienstleistungen anzubieten, Wikipedia-Artikel für Kunden zu manipulieren.

Auf faz.net erschien gestern darüber ein Artikel „Hier prüft der Bürger das Insulin noch persönlich“. Dieser ist jetzt zurückgezogen:

Am Freitag erschien an dieser Stelle ein Artikel über Verbindungen des Projekts „Wiki-Watch“ mit der Pharmaindustrie. Wir nehmen den Text nach Ankündigung juristischer Schritte durch die hier angegriffenen Personen bis auf weiteres aus dem Netz.

Wer sich eine eigene Meinung bilden will, findet den Artikel u.a. noch hier.

Update, 08.07.: Der Artikel ist wieder bei FAZ.net abrufbar, wurde allerdings an mehreren Stellen redaktionell überarbeitet./Update

Die Dokumentation in der Wikipedia über die Vorwürfe bieten auch viele Informationen über die Hintergründe.

Bin gespannt, was da noch rauskommt.

Update: Die Wiki-Watch-Betreiber haben sich wohl auch mehr oder weniger undercover im VroniPlag-Wiki umgesehen.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

16 Ergänzungen

  1. Gerade mal nachgesehen, der Artikel von Jörg Wittkewitz ist heute auch in der gedruckten FAZ erschienen. Und zwar auf Seite 42, 1764 Wörter. Im (kostenpflichtigen) FAZ-Biblionet ist er (noch) abrufbar.

  2. Um es klar zu sagen: der FAZ-Artikel ist nicht besonders gut: viel Geschwurbel, wenig Konkretes.

    Wer also die Empörung in konstruktive Energie umsetzen kann, sollte zur Dokumentation der Fakten beitragen und diese in eine lesbare Form bringen. Die Accounts sind bekannt, jeder kann die Betreffenden beiträge nach Auffälligkeiten durchforsten.

    Happy Hunting.

  3. Nicht sehr professionell von der FAZ. Man kann sich doch denken, dass, wenn man einen kritischen Artikel über einen renommierten Presserechtler schreibt, der dann nachher rechtliche Schritte androht. Die FAZ hätte den Artikel entweder gar nicht erst erscheinen lassen sollen oder – m.E. besser – ihn jetzt online lassen und verteidigen. Wie auch immer: Die beiden PR-Experten von wiki-watch lernen jetzt dann auch mal den Streisand-Effekt kennen.

    Ich habe die Geschichte von wiki-watch für Telemedicus vor ein paar Monaten mal für Telemedicus recherchiert und mich dann entschieden, keinen Artikel daraus zu machen. Wolfgang Stock, der das Projekt offenbar schwerpunktmäßig betreibt, liegt offenbar schon länger mit einigen (wenn nicht fast allen) Wikipedia-Admins im Clinch. Die Gründung des Projekts wiki-watch schien jedenfalls teilweise dadurch motiviert zu sein. Auch sonst kommt mir die Arbeit von wiki-watch in vielerlei Hinsicht unprofessionell und unwissenschaftlich vor.

  4. Achwas Admins. Das war schon einer der Kardinalfehler von Wiki-Watch. Die Admins in der Wikipedia erscheinen nach aussen vielleicht „mächtig“, sind es aber nicht wirklich (und ich muß es wissen, bin selbst Einer). Hunderte Leute schauen auf das, was du tust und deine Mitadmins sind weiß Gott nicht immer auf deiner Seite. Es gibt keinen Corpsgeist (= gut), allerdings auch keine Sachdisziplin (= schlecht). Wiki-Watch oder Herr Stock kann es sich in dem Sinne gar nicht mit „den“ Admins verscherzen, sondern mit bestimmten oder wenn man es schon allgemein sehen möchte, hier mit dem kompletten Wikipedia-Projekt.

    Schauen wir mal auf die Vorwürfe: es geht letztlich darum, daß Wikipedia ein offenes System ist und Wiki-Watch sich zu den „Watchmen“ darüber erhob. Mit dem Anspruch, objektiv Qualität und Wesen der Wikipedia, ja letztlich sogar ihrer Autoren (siehe Umfragen unter den Administratoren) erfassen zu wollen. Soweit so gut, das kann Jeder. Die Mittel waren aber letztlich eine Software, die es schon anderswo gab. Und man überprüfte von den Computern, auf denen Wiki-Watch betrieben wurde, eben nicht nur die Artikel, sondern machte fleißig mit. Und das nicht regulär, sondern mit sich selbst unterstützenden oder einem Vorgänger folgenden (nach Sperren) Accounts. In kritischen Bereichen, Pharmazieartikel und religiös-politische Bereiche sind bislang die bekanntesten Auswüchse.

    Aber die Betreiber sind – anders als die Mitarbeiter Wikipedias und vieler Blogs – Medienprofis, ja Medienrechtler. Und wir alle wissen, im Recht sein und Recht haben muß beispielsweise nicht identisch sein. Darum ist es wichtig, daß unabhängige Medien wie die FAZ solchen Machenschaften auf den Grund geht. Wir als Wikipedia-Mitarbeiter können das nicht über die Grenzen der Wikipedia hinaus. Und sind manchmal durchaus nahe der Machtlosigkeit. Denn wir wollen ein offenes Projekt. Und das ist angreifbar und derartigen Anfreifern haben wir nur wenig entgegen zu setzen. Allein die Verstrickung mehrerer Benutzerkonten zu überprüfen dauerte mehr als 6 Monate (!). Denn auch diese Mitarbeiter, die das tun (es sind nur 3 im ganzen Projekt) sind Freiwillige. Und man überlegt es sich zweimal, ob man sich mit Leuten anlegt, die selbst die FAZ dazu bringen, einen Artikel zurück zu ziehen.

    1. Ich finde es ja lustig wie macht- und schutzlos die Wikipedia-Admins sein sollen.

      Ich selbst habe mich aus Wikipedia zurückgezogen, als die Winterreise-Geschichte hochgekocht ist. Da waren die Admins noch willfährige Helfer bei Winterreises und Konsorten Pöbeleien gegen Wikipedianer mit anderen Ansichten. Und als Außenstehender ohne Klüngelbeziehungen war man praktisch machtlos, da sich die Admins regelmäßig gegenseitig gedeckt und unterstützt haben.

  5. Astroturfing? oder surfing?

    die Evangelikalen…. da fühlt sich unser Bundespräsident aber wohl.
    Sind wir nicht schon unterwandert von Unwissenschafltichkeiten?

  6. Wiki-Watch ist mir bisher nur aufgefallen durch unsersiöses Vorgehen gegen die *plag und eso-watch Seiten. Die *plag Leute habe glaube ich auch mal etwas über die Macher der Wiki-Watch Seite geschrieben …

    Einfach dort mal nach Wolfgang Stock und Johannes Weberling suchen. Es gibt auch noch eine dritte Person die dort „angelernt“ wurde, wenn ich mich richtig erinnere. Es würde mich nicht wundern, wenn die PR Profis jetzt schon ein Opfer haben …

    http://www.esowatch.com/ge/index.php?title=Wiki-Watch

  7. Ganz schwache Nummer von der FAZ!
    Habe die zwar noch nie für journalistisch hochwertig gehalten, aber dass die nicht einmal das Rückgrat haben, zu ihren eigenen Texten zu stehen, ist erbärmlich. Deren Seite ist doch kein Amateur-Blog und sowas sollte das mal etwas professioneller handhaben.

    Wohlgemerkt schon allein durch die *Ankündigung* juristischer Schritte sind sie in vorauseilendem Gehorsam auf die Knie gegangen und haben den Text gelöscht.

    Und dass Wiki-Watch offenbar nur selbsternannte „Medien-Profis“ sind und keine Ahung von den Mechanismen im Internet haben, haben sie mit ihrer extrem dummen juristischen Androhung bewiesen. Eine Gegendarstellung oder einfach das ignorieren und eine Richtigstellung auf deren Seite wäre effektiver im Sinne von Wiki-Watch gewesen – den Text der FAZ hätte nämlich kaum jemand groß zur Kenntnis genommen.

    Nur durch die juristische Drohung und Löschung wird jetzt eine gigantische Welle daraus und für Wiki-Watch garantiert mehr und (auch nachhaltig!) schaden, als jeder negative Text der Welt es eines einzelnen Journalisten es könnte.

    Selber Schuld Wiki-Watch, wer keine Ahnung vom richtigen Umgang mit Medien und Internet hat, muß es auf die harte Tour lernen, dass man sich damit nur selber schadet.

  8. Was soll der Artikel denn aussagen? Leute, die sich mit Wikipedia beschäftigen, editieren dort auch Einträge? Vielleicht ist Hr. Stock selbst Diabetiker oder ist durch Zufall auf dieses Insulin gekommen? Und was machen denn die obskuren Hinweise auf die „Evangelikalen“ und – natürlich (Sex sells) – Homosexualität da? Ziemlich wirr die ganze Sache. Selbst auf dem Wikipedia-Artikel steht „Stocks Motive und etwaige Auftraggeber bleiben also vorerst unbekannt.“

    Klar gibt es immer Leute, die ihre Weltanschauung überall verbreiten wollen, aber wo hier der Skandal ist bleibt mir ein Rätsel. Dass damit ganze das Projekt „wiki-watch“ nur Geldmacherei dient oder sonstwie „ungut“ ist, ist auch noch lange nicht bewiesen, allerhöchstens dass man den Angaben dort nicht blind vertrauen sollte – aber wo sollte man das denn im Internet?

    1. Nochmal ganz langsam:

      1. Unter Benutzerkonten, die Wolfgang Stock (A) sich in der Vergangenheit selbst zugeordnet hat, wird massiv in zahlreichen Wikipedia-Artikeln die Meinung zu Gunsten eines Wirkstoffs und eines Pharmaunternehmens verschoben. Er ätzt dabei gegen ein öffentliches Institut und dessen Leiter, die ihrem Aufrag gemäß eine wissenschaftliche Bewertung des Wirkstoffs vorgenommen haben, und verschiebt dabei den Fokus der Artikel auf seine Version von „Wahrheit“.
      2. Weil die Konten nicht reichen, werden mindestens noch ein halbes Dutzend anderer Konten dafür angelegt und benutzt.
      3. Das ganze fällt den Medizinern bei Wikipedia schnell auf, was dafür sorgt, dass Wsto/Kan900, Investor, K.atarina.w und wie die ganzen Stock-Inkarnationen heißen, noch massiver versuchen, ihren Standpunkt durchzusetzen.
      4. Unterdessen ist ein anderer Nutzer (B) jahrelang ebenfalls unter verschiedenen Konten damit beschäftigt, seine wirren Ansichten zu Homosexualität in die Wikipedia zu tragen, einhergehend mit evangelikaler Propaganda.
      5. A gründet ein Projekt und nennt es „Wiki-Watch“. Es soll „wissenschaftlich“ sein und „für mehr Transparenz bei Wikipedia sorgen“. B, immer noch in Gottes Mission unterwegs, wird sein Mitarbeiter. Das Projekt ist an einer deutschen Universität angesiedelt, die A beschäftigt.
      6. A hat übrigens ein PR-Unternehmen und tingelt seit der Wiki-Watch-Gründung als „Wikipedia“-Experte durch die Lande.

      Jetzt frage ich dich: Wo ist da der Skandal? ;-)

      Nachzulesen bei:
      http://commons.wikimedia.org/wiki/File:IQWIGundCo.pdf.
      http://www.esowatch.com/ge/index.php?title=Wiki-Watch

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.