Vorratsdatenspeicherung als Auskunftsbeschleuniger?

Ja, ich weiß, SpOn- bzw. Newsbashing generell ist schrecklich 2005. Aber manchmal wundere ich mich einfach. Zum Beispiel über Artikel wie die aus Agenturmeldungen kompilierte Meldung „Entführte Bankiersfrau – Ermittler gelangten nur mit Verzögerung an Telefondaten“ heute bei „Spiegel Online“.

Schauen wir uns die Einleitung an. Zeitungsleute nennen diesen Teil „Lead“ –  und sind nicht selten der Meinung, dass dort bereits alles zu stehen hat, was eine Meldung inhaltlich ausmacht:

Im Fall der entführten Maria Bögerl aus Baden-Württemberg sind die Ermittler offenbar auf Schwierigkeiten gestoßen, die in dem Fall relevanten Telefonverbindungsdaten zu erhalten. Der Justizminister des Landes forderte eine neue gesetzliche Regelung zur Vorratsdatenspeicherung.

Das ist eine klare Aussage: Hätte das Bundesverfassungsgericht die Vorratsdatenspeicherung nicht kassiert, hätte man der Frau schneller helfen können. Durch das relativierende „offenbar“ machen sich die Autoren die Meinung des indirekt zitierten Justizministers formal nicht zu eigen, transportieren aber gleichwohl seine PR-Botschaft. Warum es sich um PR handelt, wird jedem, der sich ein wenig mit dem Thema auskennt, zwei Absätze später klar:

Der FDP-Politiker sagte, das Unternehmen habe sich eine Woche Zeit lassen wollen, bis es die von der Staatsanwaltschaft angeforderten Verbindungsdaten liefere.

Das ist, sollte die Darstellung korrekt sein, nicht nur ungewöhnlich, sondern auch ein Skandal. Allerdings wohl keiner, den die Vorratsdatenspeicherung hätte verhindern können. Sofern die Daten gespeichert wurden, und das wurden sie offenbar, sonst macht das „Zeit lassen wollen“ keinen Sinn, ist ein Zugriff über TKG/Strafprozessordnung möglich.

Dafür braucht es keine VDS. Ich wüsste auch keinen Grund, warum ein TK-Unternehmen in einem Entführungsfall(!) nicht kooperieren sollte. Üblicherweise reicht bereits in minderschweren Fällen ein Fax.

Randnotiz für Freunde des Absurden: Die Forderung wurde auf einer Veranstaltung mit dem Titel „Datenvernetzung – wie bleibt Privates privat?“ laut, zu der interessierte Bürger nur nach eine Sicherheitsüberprüfung durch die Bundespolizei Zutritt erhielten ,)

Möglich ist nur eine persönliche Abholung [der Einlasskarten] gegen Vorlage des Personalausweises und Angabe von Name, Vorname, Adresse, Geburtsdatum und -ort. Das Gleiche gilt für die zweite Person. Die Daten werden aus Sicherheitsgründen der Bundespolizei übermittelt und dort mit dem Inhalt des Informationssystems der Polizei abgeglichen.

PS: Gibt es eigentlich einen Kommentar vom CCC zum Thema? Constanze Kurz dürfte wohl kaum von Berlin nach Karlsruhe gereist sein, um vor Ort als zivilgesellschaftliches Dekorationsobjekt herumzusitzen, oder?

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22 Ergänzungen

  1. Gibt es im deutschen Recht keinen allgemeinen Richtervorbehalt für die zwangsweise Erbringung von Beweismitteln (ähnlich dem 4. Zusatzartikel zur amerikanischen Verfassung)?

  2. Abgesehen davon, dass meiner Erfahrung nach gewisse Äusserungen und Reaktionen der Behörden darauf schliessen lassen, dass es sich eher nicht um einen klassischen Entführungsfall handelt, gehe ich davon aus, dass die Verbindungsdaten längst ausgewertet sind und die öffentliche Fahndung aufgrund des noch nicht(!) veröffentlichten Ergebnisses abgebrochen wurde. Die gezielt veröffentlichte ‚Ahnungslosigkeit‘ der Behörden interpretiere ich mal als Signal an die Zielperson(en), sich in Sicherheit zu wiegen.

    ‚Nützlicher‘ Nebeneffekt ist, in der Abschluss- Pressekonferenz auf die Vorzüge einer schnelleren Fahndung hinzuweisen, die natürlich nur durch die sogenannte ‚Vorratsdatenspeicherung‘ inklusive Rasterfahndung möglich gewesen wäre.

  3. @sm: Richtervorbehalt sollte bei einer Entführung(!) kein Problem sein.

    @Wolf: In der Tat ist eine Beurteilung ohne Kenntnis der näheren Umstände ziemlich problematisch. Aber genau das ist ja auch mein Vorwurf an die Meldung.

    @CDU-Abwender: Ich glaube ja, dass Innenpolitiker in der Politik sowas sind, wie Torhüter beim Fußball. Immer irgendwie anders.

  4. (Ich kann in dieser Sache nicht für den CCC sprechen.)

    Ist die Debatte nicht von vornherein unehrlich geführt worden?

    Zum Einen bestehen doch zweifelsfrei Defizite, und vieles, was uns inkompetent seitens der Beführworter der Vorratsdatenspeicherung vorkommt, ist es auch.

    Aber ebenso häufig, wie inkompetent argumentiert wurde, wurde und wird eben auch absichtlich falsch argumentiert.

    Die politische Lüge zur Durchsetzung von Interessen ist doch nichts Neues, und im Bereich der Beführworter des Totalitarismus und totalitärer Ideen ist sie, wie man in der IT sagen würde, „De-facto-Standard“.

    Viele Grüsse,
    VB.

  5. Sehr interessant… Es sind weder Täter noch Opfer gefunden , noch ist der Tatablauf vollständig bekannt.. aber scheinbar gibt ein paar „schlaue Leute“ die wohl wissen woran das liegt.. natürlich an der fehlenden VDS ..

  6. „zivilgesellschaftliches Dekorationsobjekt“

    Ich glaube langsam, netzpolitik.org braucht einen neuen Autor. Was für eine Frechheit.

  7. wann kapiert man das hier eigentlich. Die VDS M U S S her.

    Mit VDS wäre der Ölunfall im Golf von Mexiko nie passiert.

  8. Frau Constanze kurz war die technische sachverstaendige im VDs-Verfahren. Goll ist ein alternder waffennarr, der zu lange im Amt ist und ein nur taktisches verhaeltnis zur Wahrheit hat. Fragt sich, wer die Dekoration ist.
    Herr schaefers‘ Humor ist sexistisch und zudem unangebracht in der Sache.

  9. Ja, natürlich. Constanze hat bei den Karlsruher Verfassungsgesprächen nichts wichtigeres zu sagen, als sich über die Eingangskontrollen am einladenden Bundesverfassungsgericht zu echauffieren. Tumber geht es kaum noch. m(

    Das kann nur jemand schreiben, der niemals dort war.

  10. @Tharben: Wo schrieb ich* noch gleich, dass es nicht wichtigeres als die Einlasskontrolle gäbe (Ganz abgesehen davon, dass es der Absurdität keinen Abruch tut, auch wenn man selber nicht vor Ort war)?

    Tatsächlich hatte ich in meiner grenzenlosen Naivität lediglich auf Hinweise gehofft, wo dieses oder ähnliche politische Hintergrundgespräche CCC-seitig dokumentiert und nachbereitet werden.

    Sagt mal Kinners, ich habe ja kein Problem hier die Projektionsfläche zu geben, aber es wäre wirklich freundlich, wenn sich persönliche Kritik daran orientiert, was ich tatsächlich schreibe.

    *Fefe scheint das Thema übrigens ein Anliegen zu sein …

  11. Sie regen sich ja über den Begriff „zivilgesellschaftliches Dekorationsobjekt“ auf. Wobei ich auch nicht verstehe, warum sie das aufregt, da du ja Constanze ausdrücklich nicht unterstellst eines zu sein.

    Die Einlasskontrollen sind ja für ein Gericht ganz normal. Aber vielleicht sollte man so eine Diskussion zu dem Thema woanders veranstalten. Ich denke es ist jetzt nichts schlimmes mal darauf hinzuweisen, sowohl hier als auch Constanze innerhalb der Diskussion.

    Allerdings wären zusätzlich konstruktive Kommentare seitens Olaf auch hilfreich. Wenn man einen nüchternen sachlichen Schreibstil bevorzugt, kann man einige Bereich der Artikel schon kritisieren. Fefe hat auch einen anderen Schreibstil.

    Aber dann sollte sich die Kritik auch auf einen sachlichen Niveau befinden. Oder man schweift zur Ironie ab :D Aber es ist trotzdem keine persönliche Kritik. Man darf Kritik an Texten oder anderen Sachen nie persönlich machen. Schliesslich sagt hier nie jemand was über den Charakter.

    Was ich mich jetzt frage.. werden die Daten nach der Übertragung und dem Abgleich gespeichert? Oder werden sie gelöscht?

    Vielleicht sollte man diese Frage mal in der Diskussionsrunde ansprechen.

  12. Zitat: Justizminister des Landes Baden-Württemberg forderte eine neue gesetzliche Regelung zur Vorratsdatenspeicherung.

    Dieser Spinner hat nichts zu fordern.
    Das ist pure Schickane an der der Bevölkerung.
    Da solche diskiminierenden Forderungen diese scheiße Beamtensippe nie selber betrifft , nur die anderen

  13. Wird übrigens auf Phoenix live übertragen..
    ..ich führe gerade ne Strichliste über den „rechtsfreien Raum“ Internet :)

  14. Wie immer wünscht man sich mal wieder die guten alten Anons zurück. Man, wie sehr ich mich immer ärgere, unter meiner IP zu schreiben, denn eigentlich müsste ich es besser wissen.

    Mir reicht es langsam mit Überwachung und Zurückverfolgung.

    Darf jetzt endlich mal ein Otto gefälligst unbehelligt im Internet surfen, verdammte Scheiße???

    Auf jedem Board Spy, Werbung und dergleichen.

    Wer seinen Browser nicht im Griff hat, ist sofort bombadiert mit allem Mist, den es gibt.

    Ich plädiere dafür, das Netz vollständig für drei Monate abzuschalten. Dann wird es richtig lustig. Ihr wollt Gaudi? DAS ist sie.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.