Urheberrecht und die Kulturtechniken der digitalen Revolution

Leonhard Dobusch hat für das SPD-Debattenmagazin Berliner Republik eine lesenswerte Zusammenfassung zur aktuellen Urheberrechtssituation geschrieben: Urheberrecht und die Kulturtechniken der digitalen Revolution.

Neben Kampagnen zur Ausdehnung des Urheberrechts bildet der Kampf gegen „Raubkopien“ die zweite gemeinsame Front von Verlagen und Kunstschaffenden. In einschüchternden Kinospots vergleichen sie das Herunterladen von urheberrechtlich geschützten Inhalten aus dem Internet mit Ladendiebstahl und propagieren ein absurdes Strafmaß in Höhe von fünf Jahren Haft – die Höchststrafe für den gewerbsmäßigen Vertrieb illegal angefertigter Kopien. Beklagt werden der Niedergang der Musik- und Filmindustrie sowie die Gefahren einer Kostenlos-Kultur für Kunst und Kultur im Allgemeinen. Aber wie schon auf dem Gebiet der Schutzfristverlängerung ist auch hier die empirische Basis der Schreckensszenarien brüchig. Die Harvard-Ökonomen Felix Oberholzer-Gee und Koleman Stumpf beispielsweise berichten über die von illegalen Downloads am stärksten betroffenen Industrien folgendes: „Zwischen 2002 und 2007 wuchs die Zahl neuer Bücher um 66 Prozent, die Zahl der jährlich veröffentlichten Musikalben hat sich seit 2000 mehr als verdoppelt und die weltweite Produktion von Spielfilmen ist seit 2003 um 30 Prozent gestiegen.“ Aus diesen Zahlen schlussfolgern sie, dass Internet-Filesharing und eine schwächere Urheberrechtsdurchsetzung keinen negativen Einfluss auf den Anreiz zu kreativem und künstlerischem Schaffen gehabt habe. Eher im Gegenteil.

Mal schauen, ob das in der SPD auch gelesen und verstanden wird.

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12 Ergänzungen

  1. „Das moderne Urheberrecht hat seinen Ursprung in dem britischen Urheberschutzgesetz „Statute of Anne“ von 1710.“

    Das „Statute of Anne“ war kein Urheberschutzgesetz, sondern es ging um das Copyright, den Schutz der Verleger vor Nachdrucken (die Rechte der Autoren waren nur ein Nebeneffekt). Bei der anglo-amerikanischen Copyrightgesetzgebung ging es von Anfang an um den Schutz der Verwerter.

    Um Unterschied dazu steht bei der deutschen/französischen Urheberrechtsgesetzgebung (rechtsphilosophisch/theoretisch, aber zuletzt immer weniger in der Praxis) der „Schöpfer“ im Mittelpunkt.

    „Die Folgen der jüngst auf europäischer Ebene beschlossenen Verlängerung urheberrechtlicher Schutzfristen von 50 auf 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers sind gravierend.“

    Welche „urheberrechlichen Schutzfristen“ wurden von „50 auf 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers“ auf „europäischer Ebene“ verlängert? Wann wurde/wird diese Verlängerung in deutsches Recht umgesetzt?

    „Während in den Niederlanden oder in Australien zumindest einzelne Verwertungsgesellschaften bereits reagiert haben und bestimmte Creative-Commons-Lizenzen zulassen (…)“

    Welche Creative-Commons-Lizenzen sind in den Niederlanden und Australien von welchen Verwertungsgesellschaften zugelassen worden und warum (bzw. warum andere CC-Lizenzen nicht)?

  2. \Aus diesen Zahlen schlussfolgern sie, dass Internet-Filesharing und eine schwächere Urheberrechtsdurchsetzung keinen negativen Einfluss auf den Anreiz zu kreativem und künstlerischem Schaffen gehabt habe. Eher im Gegenteil.\

    Nun bin ich nicht der Meinung, daß Filesharing die Kulturindustrie in die Knie zwingt. Dennoch bleibt anzumerken, daß man den Zahlen erst mal wenig entnehmen kann, da man keinen Vergleich zu einer Entwicklung ohne Filesharing hat. Sie widerlegen nur die Propagandamär von dem Niedergang der Kulturproduktion und der Notwendigkeit eines veränderten Urheberrechts. Aber welcher klar denkende Mensch hat diese Ideologie je für bare Münze genommen?

  3. „Aber welcher klar denkende Mensch hat diese Ideologie je für bare Münze genommen?“

    Um die geht es dabei ja auch nicht. Von den anderen gibt es nämlich noch viel mehr…

  4. Den Vergleich mit Ladendiebstahl sehe ich auch – immerhin lebe ich als Journalistin von dem von mir Produzierten und will es allein deshalb verkaufen und nicht verschenken. ODer füttern mich diejenigen, die meine Texte (raub)kopieren durch, wenn ich irgendwann mittellos bin? Das mit den fünf Jahren Haft erscheint mir allerdings etwas sehr BILDhaft. Was erwartet einen dann für eine Ohrfeige mit zwei Tage Tinnitus beim Opfer? Lebenslang?

  5. „Aus diesen Zahlen schlussfolgern sie, dass Internet-Filesharing und eine schwächere Urheberrechtsdurchsetzung keinen negativen Einfluss auf den Anreiz zu kreativem und künstlerischem Schaffen gehabt habe. Eher im Gegenteil.“

    Wie wahr … die Musik- und Filmindustrie sind für mich schon seit Jahren gestorben ( seit über 5 Jahren ist kein für mich sehenswerter Film in die Kinos gekommen, Musik mache ich selbst, da hält sich der Konsum auch sehr in Grenzen ).
    Es geht doch seit Jahren nicht mehr um kreatives oder künstlerisches Schaffen, sondern nur noch um Geld.
    Ein gutes Produkt wird sich immer gut verkaufen, weil die Leute bereit sind, für Qualität zu zahlen. Was diese Industrien aber seit langem bieten, wird wohl niemandem was wert sein, daher die Probleme mit Raubkopierern.

    Kurzum: meiner Meinung nach sind diese Industrien selbst schuld an der Misere.

  6. @Latrinum:
    Wie sollten dich diejenigen, die deine Texte unerlaubt vervielfältigen, durchfüttern? Die bezahlen doch nicht für die Kopien. Die haben also auch kein Geld, welches sie dir geben können, wenn dich dann demnächst der Hunger quält.

    Wie schlecht geht es dir wirklich, wenn du – laut deinem Blog – 21.882 Euronen Schulden „relativ flott“ abtragen kannst? Hast du Angst vor etwas, was gar nicht droht?

    Ich sehe keine Parallelen zum Ladendiebstahl. Eine Kopie nimmt doch nichts weg, im Gegenteil, sie vermehrt und verbreitet das Kulturgut sogar. Allenfalls kann ein fiktiver Erlös nicht erzielt werden. Betonung liegt klar auf „fiktiv“. So wie auch die Zukunftsängste einiger Kreativer fiktiv sein könnten.

  7. Die ganze Urhebernummer wie sie momentan läuft ist doch nichts anderes, als der letzte Versuch ein anachronistisches Geschäftsmodell am Leben zu halten.

    Denn die Verlage waren eine, insbesondere aus Vertriebsgesichtspunkten, Notwendigkeit in der Post-Internetzeit, da alle Werke an physische Objekte gebunden waren. Somit konnte man auch alle anderen Geschäftsfelder an sich binden, denn funktionierende reine Vertriebsmöglichkeiten für Kunst jeder Art gab es schlichtweg nicht.

    Nun aber, dank des Internets braucht niemand mehr zwingend eine teuere Vertriebsstruktur um seine Werke an den Mann zu bringen. Eine Ausnahme mag vielleicht nur noch die Kinofilmindustrie darstellen.

    Mit dem Internet ist es nun praktisch für jedermann möglich, seine Kunst weltweit zu vertreiben und es ist nur eine Frage der Zeit bis reine Vertriebsplattformen an Bedeutung gewinnen. Die Macht der Verlage hat im Kern keine Substanz mehr.

    Die Digitalisierung macht sicherlich auch neue Vergütungsmodelle notwendig, deren Einführung man bislang allerdings verschlafen, wenn nicht sogar verschleppt hat.
    Das es wohl geht, zeigen Firmen wie Napster mit Ihrer Musikflatrate oder auch itunes die Milliarden von Songs verkaufen.
    Die Erstellung solcher Konzepte kann aber immer nur eine Gradwanderung sein, denn habe ich zuviel Restriktion, verhindere ich Bekanntheit und damit auch die Möglichkeit Massen zu erreichen, habe ich zu wenig bis keine, dann bekommen die Künstler keine angemessene Entlohnung.

    Einen Anfang könnte man z.B. machen, indem man faire Preise anbietet, die durch reale Kosten rechtfertigt werden. Und nicht wie momentan, indem man die alten Kostenzusammensetzungen einfach auf die „neuen“ Medien überträgt. So fühlt sich der (zukünftige) Kunde einfach nur veräppelt.

  8. Ich fürchte, auch Kopien meiner Texte sind nicht gratis… Irgendwie muss ich ja meine 21.882 Euro abstottern! Der Verlag nennt das Zweitverwertung und gibt mir immer ein paar Mäuse ab von dem, was er dafür bekommt. Für Software muss man schließlich auch Lizenzen erwerben, auch wenn es letzlich Kopien der Ursprungsdateien sind. Warum also nicht für Fachtexte, die mich (und meine Kollegen) Stunden und Tage gekostet haben? Kein Mensch arbeitet kostenlos!

  9. @9: Klar, dafür gibt es ja auch verschiedene CC-Lizenzen bei Texten. Den Nonsens aus meinem Latrinum darf man gern zitieren, das, womit ich aber mühsam mein Geld verdiene, nur unter sehr eng gefassten Regeln. Werden die Zitate länger oder werden sie kommerziell verwendet, kostet es eben.

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