Telkos-Traum: Zukunftsszenario ohne Netzneutralität

Die Debatte um Netzneutralität spielt oft in der Zukunft. Debattiert wird, welche technischen Szenarien möglich sein werden, und wie man regulativ darauf reagiert. Die beiden Technikzulieferer Allot Communications und Openet, beide beliefern u.a. Verizon und AT&T in den USA (Keine Ahnung, ob die auch Technik für deutsche Telkos liefern?), haben in einem Web Seminar ein neues Produkt präsentiert, was ein technisches Szenario für die Zukunft sein kann. Wired wurde eine Powerpint-Päsentation mit dem Titel „Managing the unmanageable: monetizing and controlling OTT applications“ (PDF) zugeschickt. Hier ist der dazu gehörige Artikel: Mobile Carriers Dream of Charging per Page.

Die Idee dahinter ist recht simple: Einfach mal mit Deep-Packet-Inspections den kompletten Datenverkehr abhören und für einzelne Services Geld verlangen. Ist doch viel „gerechter“, wenn jeder nur das zahlt, was man tatsächlich nutzt, ist wohl die Argumentation. In der Grafik sieht man ein mögliches Bezahlmodellszenario. Nach diesem Modell zahlt ein Nutzer 2 Cent für jedes MB Facebook-Traffic, Skype kostet 3 Euro / MOnat extra, ein bandbreitenlimitierter Zugang zu Youtube kostet 50 Cent, wer schneller Videos haben möchte, kann sicherlich noch mehr Geld bezahlen, damit die Videos nicht mehr ruckeln. Eine tolle Idee ist auch die Einführung einer Happy-Hour, die quasi im Produkt eingebaut ist. Damit könne man die Internetnutzung aus Peak-Zeiten in Nebenzeiten verteilen. Nachts kostet alles nur die Hälfte!

Kommt alles bekannt vor? Seit einigen Jahren gibt es diese Grafik von Seiten der Netzneutralitätsbefürworter in den USA, die immer eher ein kleines Horrorszenario ausmalte für die Zeit, wo das Internet von den Telekommunkationsunternehmen zum Kabelfernsehen 2.0 umgebaut wird. Die aktuelle Präsentaton geht genau in die Richtung. Und ist keine Satire mehr, aber in kleinen Teilen auch schon Realität bei uns, wo T-Mobile z.B. Skype und andere VOIP-Services nur gegen Aufpreis zulässt. Ist dass das Internet, was wir wollen?

Wired zitiert die Netzneutralitätsforscherin Barbara van Schewick vom Stanford Center for Internet and Society::

These models are bad from a public policy perspective. By imposing a higher price on the bandwidth needed for certain applications, the network providers effectively tax these applications, which may lead people to use them less than they normally would. This is bad for users because they cannot use the Internet in the way that is most valuable for them. This is bad for affected application providers because their market shrinks: They lose all those customers who would have used the application at the normal price of Internet transport, but who are not willing to pay the additional tax. But from the network provider’s perspective this pricing scheme increases their profits.

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16 Ergänzungen

  1. Zumindestens muss man sich dann keinen Gedanken um einen schnelleren Inet-Zugang machen.
    Kann man dann eh nicht mehr ausnutzen.

  2. Und?

    Das zentrale Wort ist hier ‚mobil‘.
    Während bei klassischem Internetanschluss via pysikalischer Leitung dem Netzbetreiber ziemlich egal sein kann, wie die Packete zum Kunden kommen (und vor allem vorher), ist in Mobil(funk)netzen mit einer Übertragung über ein gemeinsam genutztes Medium Netzneutralität nicht einfach gegeben, sondern muss hergestellt werden.

    Und natürlich ist es für die Betreiber einfacher, per Service einzeln abzukassieren, als jedem einfach alles zu schicken.

    1. @Philip Engstrand: Erstmal geht es in der aktuellen Diskussion gerade nicht mehr nur um Mobile.

      Und zweitens ist Netzwerkneutralität in Mobilnetzen a priori auch gegeben, eben weil das Netz alle Inhalte neutral, also gleich, behandelt.

      Was im Mobilbereich ggf. hergestellt werden muß, ist eine akzeptable Latenz für dünne, aber zeitkritische Anwendungen gegenüber den dicken Transfers; dafür ist es aber wiederum irrelevant, von wem die dicken (Youtube) und die zeitkritischen Streams (Skype) kommen.

      Die Idee, den Zugang zu bestimmten Diensten separat bezahlen zu lassen, hat gerade überhaupt keine technische Notwendigkeit, sondern ist reine Gewinnmaximierung. Technisch im Sinne von ‚zur gerechten Finanzierung erforderlich‘ wäre ein Volumentarif und ggf. ein QOS-Zuschlag für solcherartigen Verkehr das Mittel der Wahl.

      Würde mich nicht wundern, wenn in Nullkommanix das Gegenmittel in Form von VPN-Providern auftaucht, bei denen man gerade nicht jede Gegenstelle separat bezahlen muß.

      1. @Andreas Krey
        Ich find die Idee mit dem VPN gut. Ist z.B. in China schon Praxis sich z.B. als Expad VPN-Internet zu besorgen um durch die große Firewall zu kommen. Wird dort offensichtlich geduldet. Und den Regeln der Marktwirtschaft folgend wirds eh für einen Beitrag X ein all inclusive Paket geben, wenn das via VPN realisiert ist, umso besser.

  3. Sicher werden dann die High-Speed Inet-Anschlüsse (deutlich schneller als heute) kostenlos sein, denn die Telkos wollen die Kunden ja sicher nicht doppelt abkassieren…

  4. Bei der Betrachtung feht noch eins: Nämlich, dass I-Net Anbieter nochmal extra von den Diensten kassieren. Dann kostet es mich nicht nur Internet Grundgebühr + Internet-Youtube Gebühr, sondern Youtube wird seine Kosten für die Durchleitung sicher auch auf die Kunden abwälzen, vlt. per Monatsabo für die App. Klasse Sache, so langsam wie im richtigen Leben. Dreifach abkassieren… „Monetizing“

    Nun, ich kann ohne I-Net leben, aber das I-Net ohne mich?

    Greetz,
    GHad

  5. Was wäre daran ungerecht, wenn ich Datenpakete nach Menge und Schnelligkeit bezahle? Bei Postpaketen ist das doch auch so.

  6. Die Unterscheidung zw fest und mobile web dient lediglich dem aufrechterhalten dieses gewinnmaximierungsfensters. A chance for profitieren and a big danger for the free web.

  7. wundert mich nicht, hier geht’s um mobiles netz in usaof.
    die haben ja nichtmal einen einheitlichen gsm-standard im „land of the free“ (also nicht vergleichbar mit dld. oder „dem rest der welt“)

  8. …das Buch zu diesem Film: „Ökonomische Theorie der Rationierung“ S.203 ff.)

    http://www.agi-imc.de/intelligentSEARCH.nsf/alldocs/38D8091D07224771C1256D7200551EF2/$File/420000009369.PDF?OpenElement

    Klar ist dass die aktuelle ökonomische Diskussion um Netzneutralität in Deutschland gegenwärtig von Leuten wie Kruse und / oder Berger-Kögler (Ex-Debitel) bestimmt wird, die seit 1998 (!) auf die Verknappung im Internet / Netzinfrastruktur „warten“ um mal so richtig die Rationierungskeule schwingen zu können.
    Immerhin hat sich Berger-Kögler inzwischen gegen „Auktionen“ für Bandbreite in Congestion-Situation erklärt („leider nicht praktikabel“) ;-)

    Es ist wohl weiterhin der Job von Leuten wie Netzpolitik.org den in der Ökonomie verwendeten Begriff von Gemeinwohl zu erweitern und klar zu machen, dass das Netz in 2010 inzwischen eine umfassendere Funktion hat als in 1998…

    Gruss an D. Danz 15-12-2010 Berlin HU

  9. Außerdem dürfte sollte die DPI-Infrastruktur stehen, sehr schnell das ganze Strafverfolger-Gesocks auf der Matte stehen…..denn wenn schon DPI, dann kann auch auf illegale (StgB), indizierte (JuschG) und unzulässige (JuschG) Inhalte oder Täigkeiten gescannt werden.

    Oder glaubt wer, dass sich so ein Leckerchen das BKA, die LKAs, Verfassungschutz & Co. und die anderen Pro VDS-Fuzzies entgehen lassen werden?

    bombjack

  10. @Andreas Krey,

    ad1) ich dachte mobil sei hier das zentrale Wort, weil sowohl die beiden Firmen speziell Lösungen für Mobilfunkbetreiber anbieten UND weil der wired Artikel mit mobile carrier beginnt UND weil Markus Bespiel der TMO (VoIP extra zahlen) eben auch nur im Mobilfunk gilt.

    ad2) ich stimme natürlich zu, das es für den Transport für einen bestimmten Service (z.B. Videostreaming) natürlich völlig uninteressant ist, woher die Packete kommen und deutlich mehr einfluss, wie der Service ankommen soll KOMMA ABER alles was wir Stand der Technik im Mobilfunk an Netzmanagement nutzen letztendlich auf Teilnehmerseite so aussieht, als sei (eine wie auch immer definierte) Netzneutralität verletzt. Ganz sicher muss man den Benutzer darüber informieren: So wie du im Moment stehst, wird’s nichts mit 1Mbit Videostreaming. Das ist aber nur die eine Seite der Medallie. Die andere Seite ist, das es einen nicht verschwindenden Einfluss gibt, wie sich die anderen Benutzer verhalten. Und auch heute nimmt ein Notruf irgendjemand anderem den Kanal weg und die Netzbetreiber priorisieren (vereinfacht) nach Vetragsstatus, wem.

    @Jens Best:
    Ich stimme dir zu. Die Trennung ist künstlich. Ich schlage vor, du gründest eine Firma und einen Non-Profit Netzbetreiber. Ich bin dankbar.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.