„Tatort Internet“: Pressemitteilung der Medienaufsichtsbehörde

Nur kurz und für die Freunde des gepflegten Archivs, da ich mein Leben gerade in den vollen Zügen der Bahn AG genieße:

PRESSEMITTEILUNG

Kassel, 20. Oktober 2010

„Tatort Internet“ erfordert gesellschaftliche Debatte und rechtliche Prüfung

Die RTL II-Reihe „Tatort Internet“ hat eine heftige Kontroverse über Grenzen eines TV-Formats ausgelöst. Unter Hinweis auf das grundsätzlich positive Ziel der Sendung, Kinder vor sexuellem Missbrauch zu schützen, wird die Tatsache, dass die Sendung rundfunkrechtlich geprüft wird, kritisiert. Doch der Zweck heiligt nicht alle journalistischen Mittel, sagen der Direktor der LPR Hessen, Prof. Wolfgang Thaenert, und der Vorsitzende der Versammlung, Winfried Engel. Sie mahnen auch eine Debatte über journalistische Standards an.

Unabhängig von der laufenden rundfunkrechtlichen Prüfung des RTL II-Formats „Tatort Internet“ steht für die LPR Hessen die Verantwortung der Programmmacher im Vordergrund. Sie müssen bei dem brisanten Thema des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen im Internet die Balance zwischen den Persönlichkeitsrechten der potenziellen Opfer und Täter und dem Aufklärungs- und Informationsbedürfnis der Gesellschaft finden. Grundsätzlich problematisch wird es, wenn die Medien als „Vierte Gewalt im Staat“ die Rolle der dritten Gewalt, von Polizei und Staatsanwaltschaft, übernimmt. Dies ist eine Frage des journalistischen Selbstverständnisses, die dringend durch die Selbstkontrolle und die berufsständischen Vertretungen zu klären ist.

„Die Medienaufsicht hat auf journalistische Standards und Entscheidungen aus gutem Grund nur begrenzt Einfluss; sie kann hoheitlich nur gegen rundfunkrechtliche Verstöße vorgehen, die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung und ethisches Handeln liegen jedoch im Vorfeld dessen“, so Prof. Wolfgang Thaenert. „Das Beispiel ‚Tatort Internet‘ macht deutlich, wie wichtig eine fortlaufende Debatte über Medienethik und Medienqualität ist.“

„Kinder und Jugendliche vor sexuellen Übergriffen und Missbrauch zu schützen und in Reichweiten starken, vornehmlich an jüngere Zuschauer gerichteten Programmen aufzuzeigen, wie das Internet ihnen zur Falle werden kann, ist eine programmliche Herausforderung. Dass sie angenommen wird, begrüßen wir. Allerdings verlangt die Behandlung dieses ernsten Anliegens ein sensibles Vorgehen und die Einbettung in ein glaubwürdiges Umfeld“, ergänzt Winfried Engel.

Bei der rundfunkrechtlichen Prüfung stehen die vom Rundfunkstaatsvertrag vorgegebene Einhaltung der Programmgrundsätze und des Persönlichkeitsrechts sowie die jugendschutzrechtlichen Bestimmungen im Vordergrund. Das Ergebnis der Prüfung durch die LPR Hessen als die über RTL II Aufsicht führende Anstalt werden die ZAK, Kommission für Zulassung und Aufsicht der Landesmedienanstalten, und die Kommission für Jugendmedienschutz der Landesmedienanstalten (KJM) abschließend beraten.

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21 Ergänzungen

  1. Das spiegelt doch wider was alle Kritiker der Sendung sagen. Prävention und „Awareness“ ja, so viel wie geht und sinnvoll ist, aber nicht so. Schon besorgniserregend, wie man dieser Tage in die Schmuddelecke gestellt wird wenn man nicht jeglicher „Der Zweck heiligt die Mittel“-Rhetorik blind folgt.

    Frau zu Guttenberg hat mit diesem TV-Format indes nicht nur ihr eigenes Sauberfrau-Wohltätigkeitsimage erheblich angekratzt, sondern auch dem Kinderschutz als solchem einen empfindlichen Kollateralschaden zugefügt. Wenn sich selbst namhafte andere Kinderschutzorganisationen von ihr und „Tatort Internet“ distanzieren und die Kinderschutz-Debatte in eine Medienethik-Diskussion umschlägt, dann hat sie schlicht und einfach etwas kolossal falsch gemacht und hat im übrigen kein Recht, sich – erneut medienwirksam – zu echauffieren und „entsetzt“ zu sein darüber auf welchem Niveau die Debatte über ihre Sendung stattfindet.

    Denn sein wir ehrlich – das niedrige Niveau hat sie von vornherein höchstselbst vorgegeben.

  2. EDIT:

    Der letzte Satz sollte vielleicht besser heißen: „Denn seien wir ehrlich – das Niveau über das sie sich jetzt beklagt hat sie von vornherein selbst verschuldet“

  3. Das sind doch z.T. die gleichen Muster, wie bei der ganzen Terror-Diskussion die letzten Jahre. Wer sich gegen die ganzen Sicherheits-Gesetze ausgesprochen hat, wurde als Störer, Terror-Sympatisant oder was auch immer bezeichnet.

    Wenn man heute sich gegen diese „Der Zweck heiligt die Mittel“-Argumente stellt, wird man von manchen doch auch schon als Kinderschänder tituliert.

    Angst schüren, entmenschlichen, ausgrenzen.

    Ich frage mich immer mehr, welches Menschenbild manche Leute haben; Wobei mir die Antwort auf diese Frage wirklich Angst macht.

  4. Nur mal so als Stimmungsbild, was unsere mit der Strafverfolgung beauftragten Staatsbediensteten mit entsprechend zu vermutendem Rechtsstaatsverständnis so dazu meinen:

    Udo Nagel (Ex-Innenminister, Moderator): „An den Pranger wird hier keiner gestellt. Für mich handelt es sich auch nicht um Unschuldige, sondern um potenzielle Tatverdächtige“.

    Bernd Carstensen (BDK): gut und richtig, dass ein Sender diese Thematik so breit in die Öffentlichkeit bringe, dass darüber intensiv diskutiert werde.

    Rainer Wendt (DPolG): die Sendung sei absolut richtig, „weil so der Druck auf Pädophile im Internet dauerhaft erhöht wird.“

    http://www.news.de/medien/855078195/heftige-debatten-um-paedophilenjagd/1/

    Noch Fragen?

  5. Diese perverse Sendung von RTL 2, Bild, Frau von und zu und Herrn Senator aus Hamburg spiegelt nur wieder, wie mit Medienperversität Geld verdient wird.
    Hier wird nicht aufgeklärt, hier wird Missbraucht! Die „4`te Gewalt“ hat den Auftrag auf Missstände in der Gesellschaft und Politik hinzuweisen, aber bitte nicht so, denn das ist nicht seriös sondern nur stümperhaft und peinlich.
    Die Damen und Herren sind nicht besser als diejenigen die Kinder missbrauchen. Hier werden halt Männer anstatt Kinder missbraucht, denen zum Zeitpunkt ihres perversen treibens noch nicht einmal eine Straftat nachgewiesen werden kann, auch wenn die Männer bereit wären eine zu begehen, obwohl sie aus dem Sachverhalt der Sendung heraus keine begehen würden, da die Chatpartnerin weit über 18 Jahre alt war/ist.
    Aufklärung sieht anders aus. Aufklärung fängt an im Elternhaus, in der Schule und in Selbsthilfe Gruppen und Vereinen an. Aufklärung heißt erklären und auf Gefahren hinweisen und nicht niveauloses schocker TV like RTL 2 dem mündigen Bürger auf die Augen zu drücken.
    Ich hoffe man wird bald eine Sendung im öffentlich rechtlichen TV darüber sehen können, wo Opfer und Täter zu Wort kommen und eine Redaktion mit Grips diese produziert hat.
    Jetzt weis hoffentlich jeder wofür er GEZ zahlt.

  6. Ich eigne mir leider auch immer mehr Polemik und weniger sachliche Argumente an bei der Diskussion in dem Themenbereich „Freiheit des Internet“ im Bekanntenkreis. Bei Voratsdatenspeicherung raste ich regelmäßig aus wie naiv manche Argumente dafür unüberlegt nachgeplappert werden. Diese Sendung führte nun zusätzlich zu Problemen in der Argumentation, weil natürlich das Totschlagargument kommt: „Ja nun, einige Pädophile werden gefunden.“
    Es wirkt einfach noch … dieses „Reality Doping“ zum hinschauen. Ich bin ja auch der Meinung, dass Medienkompetenz in der Schule den Jugendlichen aktualisiert immer wieder vermittelt werden soll. Aber ich erschrecke auch, als älterer Mensch, wenn ich sehe wie wenig man an Allgemeinbildung in unseren Schulen noch den Kindern mitgibt. Das mit dem Elternhaus ist so eine Sache …. nicht jeden Eltern ist es gegönnt zu Ihren Sprößlingen ein gutes Verhältnis zu haben. In der Pupertät vor allem, wird doch alles bezweifelt um des Bezweifeln Willens, was ja durchaus notwendig ist, damit die Kinder erwachsen und eigenständig werden in Ihrer Meinung (Erfahrungen). Ich denke es ist zur Mode geworden in unserer Gesellschaft, wirklich alle „Sünden“ zu begehen nur des Geldes oder der Macht wegen.
    Dass die Politik so offensichtlich und vor allem klar ersichtlich die Menschen manipuliert statt mit sachlichen Argumenten zu werben, ist traurig. In der Wirtschaft wurde das Wort „Solidargemeinschaft“ aus dem Sprachgebrauch getilgt. Da zahlen wir nur noch solidarisch die Subventionen.
    Entschuldigt das Wenige an Substanz in meinem Kommentar… aber was soll man schon dazu sagen, dass offen auf die Grundwerte eines demokratischen Landes „gepfiffen“ wird, wenns um Quoten, Geld und Politik geht. Ich werde aber kämpfen, wenn es darum geht, ein freies Sprachrohr für freie Bürger zu bewahren. Die Zeit, das nur eine Handvoll Menschen in Zeitungen abgedruckt Ihre Meinung kundtun konnten, soll nicht wiederkehren.

  7. @6 | Lukas Fledermaus

    Ich kenne diese Diskussionsverläufe leider auch. Das Problem ist, daß die meisten das mit der Verhältnismässigkeit nicht begreifen.
    An dieser Stelle verwende ich immer eine Analogie indem ich dannach frage ob Autos nicht auch verboten werden sollten.
    Schließlich würden dadurch die Toten durch den Straßenterror vermieden.
    Ich muß aber zugeben, daß so ein Argument leider auch nicht immer fruchtet (manch einer fängt dann aber wenistens zu denken an).

    Ciao
    Kasimir

  8. Die NPD geht auch mit der Forderung, dass die Todesstrafe für Kinderschänder eingeführt auf Stimmenfang. Wenn man meint, dass bei gewissen Straftaten alles Erlaubt ist, rutscht man mehr und mehr in diese Richtung.
    Klar ist es wichtig, dass Kinderschänder gefasst werden, doch sollte man nicht die Lynchjustiz fördern, indem die Persönlichkeitsrechte der Täter missachtet werden.
    Allerdings könnte die Executive versuchen mit den gleichen Mitteln vorzugehen, anstatt nur Populismus mit Stoppschildern zu betreiben.

  9. In einem Interview zu „Tatort Internet“ mit der Welt sagt der Leiter der Netzwerk-Fahndung des LKA Bayern:
    „Pädophile stellen bei der Internetkriminalität die größte Tätergruppe, wobei das auch den Austausch von kinderpornografischem Material mit einschließt.“

    Weiter heißt es: „In seiner (Günter Maesers) Polizeieinheit, die vor 15 Jahren die erste ihrer Art war, fahnden zwölf Beamte nach Straftaten im Internet.“

    Ich frage mich, ob für das Löschen/Sperren und die Ermittlung/Aufklärung von Straften bzgl. Missbrauchsdarstellungen im Internet weitere Abteilungen zuständig sind oder ob die 12 Beamte auch für Phishing, Markenrechtsverletzungen auf Ebay, etc., zuständig sind.

    http://www.welt.de/print/welt_kompakt/vermischtes/article10414961/Was-RTL2-tut-darf-die-Polizei-nicht.html

  10. Nette PM, herauskommen wird doch aber dabei nichts. Die „LPR Hessen“ wird sich doch nicht dem Shitstorm der Springerpresse, des RTL Senderclans und angehängten Boulevardpolitikern aussetzen.

  11. @Kasimir & Lukas Fledermaus
    Die Lösung ist doch so simpel: Wir ketten einfach alle Männer an Laternen und die Zahl der Missbrauchsfälle sinkt schlagartig fast auf 0. Kostet lediglich ein paar Handschellen pro Kerl.

    Davon ab sollte jeder Bürger ein kleines Tonaufzeichnungsgerät implantiert bekommen, das alle Geräusche in seiner Umgebung für sechs Monate speichert und auf richterlichen Beschluss von der Polizei ausgelesen werden darf. Wer nichts zu verbergen hat, kann damit jeglichem Verdacht, Kontakt mit Kriminellen gehabt zu haben oder selbst kriminelle Handlungen begangen zu haben, entgegen treten. Wär doch super.

  12. @12 grübelzwang
    Lies dir mal die Kommentare bei SPOON oder Welt zu dem Thema durch.
    Manchmal habe ich das Gefuehl, die Leute wuerden auch die KZs wieder einfuehren, inkl. der massenweise Ermordung Unschuldiger, solange man ihnen nur einredet, dadurch wuerde ein Kind gerettet werden.

    P.S. Fuer die Leser sind die gezeigten Maenner natuerlich schon Massenvergewaltiger, die bereits dutzende Kinder vergewaltigt haben.

  13. Hi,

    ein Problem ist auch die Tatsache, dass die Frau von und zu Guttenberg eine Hübsche ist, was die Glaubwürdigkeit automatisch erhöht. Somit hat man mit „Argumenten“ eigentlich keine Chance mehr.

    Wäre es nicht traumhaft, sie als Kanzlergattin, neben dem adretten Karl Theodor über die roten Teppiche dieser Welt flanieren zu sehen. *Schwärm*.

  14. Die beiden Adeligen eignen sich tatsächlich hervorragend für die Einführung des neuen Faschismus. Er ist doch so „stattlich“ und sie so hübsch. Echte Inhalte sind bei beiden nicht zu finden.
    Da hilft nur eins: Kein RTL II gucken, ihr halbwissendes Buch nicht kaufen und keine Musik mehr kaufen.
    Das ist unsere Macht und diese Sprache wird verstanden.

    1. @Parse: Sorry, aber „eignen sich tatsächlich hervorragend für die Einführung des neuen Faschismus“ ist ziemlicher Schwachsinn, oder hast Du irgendwelche Belege für die gewagte These?

  15. mit der bemerkung meint er vermutlich, daß man, wenn man einen neuen faschismus einführen wollte, am besten neue feindbilder und neue heilige braucht. die neuen feinde wären hier: internet, muslime und hartz 4ler, die neuen heiligen könnten gut ein stattlicher, adeliger bundeskanzler und seine schöne gattin auf der jagd nach verbrechern sein. parallelbeispiel dazu aus der geschichte, wie die menschen so etwas empfinden: als der noch unbekannte hitler seine flammenden reden vor publikum gegen die damaligen feindbilder hielt, haben viele leute ihn als von heiligem zorn und eifer erfüllt gesehen, er sei ihnen vorgekommen wie von einem heiligenschein umgeben, und viele fanden das damals höchst attraktiv. das berichtet 20 jahre später julius streicher bei den nürnberger prozessen.

  16. Danke Manuelito, so in etwa meinte ich das (auch wenn ich eine sie bin). Ich hatte das alte Italien dabei im Sinn und die „Carta der Arbeit“. Da versuchte man ja auch dem kleinen Mann klar zu machen, dass alles für sie zum Guten sei. Aber du hast das auch sehr gut erklärt, kann ich nur unterstreichen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.