SWIFT-Abkommen schon am Donnerstag im EU-Rat der *hust* Verkehrsminister?

Die inhaltlichen Probleme mit dem neuen SWIFT-Abkommen zum Transfer von Bankdaten an die US-Geheimdienste habe ich letzte Woche schon für das EDRi-Gram zusammengefasst: „New SWIFT agreement as bad as the rejected one“ (hier die deutsche Übersetzung, danke an unwatched.org).

Politik-digital hat nun heute Nachmittag einen sehr aktuellen Statusbericht nachgeschoben. Da gehen nämlich in Brüssel gerade einige Pferde durch:

[D]as Abkommen soll nun offenbar möglichst schnell und ohne große Debatte vom Rat verabschiedet werden – und das, um das Parlament unter Druck zu setzen. Der spanischen Ratspräsidentschaft ist es offensichtlich ein Anliegen, dass Abkommen noch während ihrer Amtszeit (bis 30.06.2010) unter Dach und Fach zu bringen.  Der Vorsitzende des Ausschusses für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE-Ausschuß), der Spanier Juan Fernando López Aguilar, übermittelte am 21.06.2010 einen Brief mit Vorschlägen zum Abkommen an den Rat, ohne jedoch die Inhalte mit dem zuständigen Berichterstatter des Parlaments, dem liberalen Alexander Alvaro (@alexalvaro), abzusprechen. Dieser zeigte sich entsprechend brüskiert und machte seinem Unmut unter anderen über Twitter Luft.

Alvaro hat dann auch noch getwittert, dass die Sache offenbar am Donnerstag schon vom Rat der EU-Verkehrsminister beschlossen werden soll – wie üblich bei solchen fachfremden Themen natürlich ohne Aussprache:

Council prepares to decide #SWIFT-Agreement in Transport (!) Council this thursday. As rapporteur I do not support this at all. I’m angry!

Das bedeutet, dass spätestens am Mittwoch die Brüsseler Botschafter der EU-Mitgliedsstaaten die Sache abnicken sollen, obwohl z.B. zu der Rolle von Europol noch ein juristisches Gutachten eingeholt werden sollte und es auch an anderen Punkten noch Differenzen zwischen Rat, Kommission und Parlament gibt. Mit diesem brüsken Vorgehen – den EP-Berichterstatter bei so einem heiklen Dossier einfach zu umgehen gehört nicht gerade zum guten Ton – riskieren Rat und Kommission, ein zweites Mal das Abkommen wegen massiver Datenschutzprobleme im Europaparlament um die Ohren gehauen zu bekommen.

Falls die fortgesetzte Verletzung europäischer Datenschutzstandards im EU-Parlament dieses Mal doch durchgehen sollte, liegt das dann jedenfalls an einer Hinterzimmer-Koalition von Konservativen und Sozialdemokraten, wovon sich letztere noch im Februar als die großen Datenschützer geriert hatten.

Fragt doch mal schnell noch eure entsprechenden Abgeordneten, was sie dazu denken. Die Telefonnummern findet ihr hier: SPD, CDU/CSU, SPÖ, ÖVP.

(full disclosure: Ich arbeite für den grünen EP-Abgeordneten Jan Philipp Albrecht, der auch mit diesem Dossier befasst ist.)

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14 Ergänzungen

  1. Ich finds gut, dass du auch die großen österreichischen Parteien aufgezählt hast!

    Daniel

  2. Diese Hinterzimmer-Diplomatie,ist gang und gäbe,
    SWIFT nach Amis Art“:Das ist , ein Unding, Cia-Nsa-sind in Eu-in allen Netzen- mit Echolon, Telefone-Handys-Netzwerken,Sie Wissen alles, was Sie Wissen wollen.!
    Uns bleib nur eins übrig, auf die Straße,oder ab, in den Klassenkampf.

  3. Vorschlag für ein gesamteuropäisches Sparpaket: Sparen wir uns doch einfach den ganzen EU-Kram und geben die Kontrolle direkt an die USA ab.

    Das ist echt krass, was in der Politik immer rumgetrickst wird, um bürgerfeindliche Dinge durchzudrücken. Alle paar Jahre Wählen des kleinsten Übels ändert irgendwie gar nichts.

    Warum gibt es nur so wenige vernünftige Politiker wie Jan Philipp Albrecht oder Alexander Alvaro?

  4. Kann mir einer eklären, wiso es die EU gibt? Bisher ist mir nur eine Aufgabe der EU bekannt: Die Demokratie in den Mitgliedstaaten zu untergraben.

    1. @123: Da gibt es ja nach Theorie ganz verschiedene Antworten:

      a) funktionalistisch: Weil man Probleme bestimmter Größenordnung nicht mehr national bearbeiten kann (Klima, Wirtschaft,…)
      b) realpolitisch: Damit Frankreich und Deutschland sich zusammenraufen müssen und keine Kriege mehr anzetteln
      c) institutionalistisch / neofunktionalistisch: Weil mal wer damit angefangen hat und es dann immer weiter wucherte (Pfadabhängigkeit)
      d) zynisch: Damit wir alle im Dunkeln leben und von Herman von Rompuy geknechtet werden
      e) ironisch: gab es auf EU-Ebene schon mal nen Hitler? Oder hat es auf nationaler Ebene noch keine undemokratischen Deals gegeben?
      f) demokratisch: siehe f), aber wir brauchen mehr europaweite Öffentlichkeit
      g) pragmatisch: falsche Frage – wir haben sie halt und müssen damit umgehen.

  5. War es nicht sonst der Fischereiausschuss, der alles wichtige zum Thema Bürgerrechte entscheidet? SCNR

  6. Ist es nicht so, dass exakt bis 24. Juni die nicht übermittelten Daten der letzten Monate noch zur Verfügung stehen? Sprich: wenn sie es am Donnerstag über die Bühne bringen ist den USA durch den Aufstand des EP nicht eine einzige Buchung durch die Lappen gegangen.

    1. @Torsten: SWIFT hat seit der Kündigung des ersten Abkommens im Februar die Daten, die das Department of Trade gerne gehabt hätte, nicht übermittelt, aber auch dafür gesorgt, dass sie nicht gelöscht werden. Die Rechtsgrundlage dafür ist mir auch etwas schleierhaft, aber man gewöhnt sich ja an alles. Außerdem kann das neue Abkommen ja eh erst in Kraft treten, wenn das EP zugestimmt hat. Das wäre frühestens am 7. oder 8. Juli.

  7. Immer häufiger würde ich gerne nach dem lesen eines solches Post einen Dreizeiler an meine Volksvertreter schicken um meine Meinung ihnen mitzuteilen.

    Auf http://www.abgeordnetenwatch.de lässt sich ja gut nach Adressen suchen.

    Jedoch scheitert es immer an der Formulierung. Kurz und knapp, ohne großes blabla wäre aus meiner Sicht wünschenswert.

    Gibt es da Vorlagen, Vorschläge, Beispiele für?

    Gruß,
    seb

  8. Es schien gestern, als ob das Verhalten Rückendeckung der Kommissare und der EPP-Führungsrige hat. Mit Alexander Alvaros hat man es ja schon einmal gemacht bei der Vorratsdatenspeicherung. Das Argument gegen den Rat ist aber etwas „demagogisch“, es ist das ordentliche Vorgehen.

    Wohlgemerkt, hier geht es darum Daten weiterzugeben, die so hochsensibel sind, dass man sie nicht einmal unter heimischer Kontrolle des Staates haben will. Zum Beispiel legen Abgeordneten nicht ihre gesamten Banktransaktionen und Wertpapiergeschäfte gegenüber dem Bürger offen. Richtig so. Warum sollen solche Daten dann in die Hände von Drittstaaten wandern, die damit Abgeordnete erpressen können? Der ganze SWIFT Skandal hängt in einer ganz dünnen Luft zwischen Hochverrat und Wirtschaftsspionage.

    Terrorismus hat nicht die Möglichkeit unsere Volkswirtschaften so zu gefährden wie Achtlosigkeit im Umgang mit diesen Daten. Finanztransaktionsdaten ermöglichen Wirtschaftsspionage, politische Erpressung, Destablisierung der Finanzmärkte und Unternehmen. Dabei geht es nicht um Schutz von „Privatsphäre“ der Bürger sondern um die Gefährung der Nationalen Sicherheit durch die Kollateralschäden von Terrorfahndung. Wir sind hier nicht im gemütlichen alten FreiheitvsSicherheit Diskurs. Die Daten sind absolut toxisch. Die Kriterien des Parlamentes scheinen politisch sehr vernünftig und konstruktiv.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.