Streit über Ausweitung der Rasterfahndung mit Fluggastdaten

Nach dem vereitelten Anschlag von Detroit wollen die EU-Innenminister die Gunst der Stunde nutzen, um die Sammlung und Weitergabe von Fluggastdaten zur Rasterfahndung massiv auszuweiten. „Wenn man das machen will, dann jetzt“, sagt Thomas de Maizière. Darüber berichtet die Financial Times Deutschland:

Künftig sollen auch auf innereuropäischen Flügen private Daten der Passagiere wie Kreditkartennummer, Anschrift oder Vorlieben bei der Bordverpflegung von den Sicherheitsbehörden erfasst, gespeichert und untereinander ausgetauscht werden. Bislang ist dies nur bei Flügen in die USA der Fall. Dabei greifen US-Terrorfahnder auf das von der EU angelegte Personennamensregister (PNR) zu und speichern diese Daten nach eigenen Angaben 13 Jahre lang.

Für die Ausweitung der Rasterfahndung spricht sich auch Österreichs Innenministerin Maria Fekter aus. „Warum sollten innereuropäische Flüge weniger sicher sein als transatlantische?“, fragte sie mit Blick die bestehende Nutzung des PNR auf Flügen in die USA. Dass diese den Anschlag auf einem Flug von Amsterdam nach Detroit nicht verhindert hat, verschwieg Fekter wohl lieber.

Der spanische Innenminister und derzeitige Ratsvorsitzende Alfredo Pérez Rubalcaba nannte die Ausweitung der Maßnahmen auf Flüge innerhalb der EU sogar „absolut notwending“, und de Maizière erklärte, „Die Frage ist nicht das Ob, sondern das Wie“. Die genauen Modalitäten seien allerdings noch offen, eine Speicherung über 13 Jahre in der EU nicht vorstellbar. „Das Datenschutzniveau reicht für ein solches Abkommen bislang noch nicht aus“, so der Innenminister.

Der jetzige EU-Innenkommissar Jacques Barrot hatte diesen Vorschlag bereits 2007, seinen Vorstoß aber aufgrund des breiten Widerstandes zurückgezogen. „Jetzt werden wir das Projekt wieder aufnehmen“, kündigte der Franzose an.

Dabei muss er sich allerdings auf starke Gegenwehr aus dem EU-Parlament gefasst machen. „Kommissar Barrot und der Rat versuchen offenbar, Fakten zu schaffen“, erklärte der grüne Innenexperte Jan Philipp Albrecht. „Aber wenn sie das machen wollen, brauchen sie heute die Zustimmung des Parlaments.“ Und der stellvertretende Fraktionschef der Konservativen, CSU-Politiker Manfred Weber, sagte, „Es wird sehr schwierig für den Rat, mit diesem Vorschlag eine Mehrheit im Parlament zu kriegen“.

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21 Ergänzungen

  1. “Warum sollten innereuropäische Flüge weniger sicher sein als transatlantische?”

    Waren denn innereuropäische Flüge bisher unsicherer? Die Bomben sind immer in den Staaten hochgegangen, oder habe ich welche übersehen?

    1. @Icke Daran soll es nicht scheitern – wenn es zur Durchsetzung nur dieses „Beweises der Notwenidigkeit“ bräuchte würden wir früher oder später einen solchen ähnlich missglückten oder vereitelten Anschlag auch innereuropäisch erleben – und die anschliessende Diskussion in der bedeutungsschwanger geraunt wird „diesmal haben wir es noch verhindern können, aber wer weiss was n#ächstes Mal ist…“

      Es ist meiner Überzeugung nach eine grundsätzliche Frage, ob wir mehr Überwachungsstaat wollen, weitgehend unabhängig davon ob das mehr gefühlte oder tatsächliche Sicherheit bringt – oder ob wir das Risiko des Lebens mit mehr Freiheit wollen, dann ist auch mehr Sicherheit die Aufgabe der Freiheit nicht wert!

      Das werde ich übrigens auch bei der gemeinsamen Baden-Württembergischen Demonstration von Grünen und Piratenpartei gegen den Überwachungsstaat am 30.01.2010 in Tübingen sagen, zu der alle Netzpolitik-Interessierten herzlich geladen sind.

    2. Ikke hat geschrieben „Die Bomben sind immer in den Staaten hochgegangen, oder habe ich welche übersehen?“ Vor 20 Jahren – Lockerbie.

      Aber warum Kreditkartnummer? Das wird mich durcheinanderbringen.

  2. “Wenn man das machen will, dann jetzt”, sagt Thomas de Maizière

    Yeah, Tommy. Zeig uns dein wahres Gesicht!

  3. „auf innereuropäischen Flügen [..] Vorlieben bei der Bordverpflegung“

    Bordverpflegung? Gibt’s die denn ueberhaupt noch? Gibt doch bestenfalls mal einen Sandwich oder ein paar Erdnuesse. Oder muessen die Stewards und Stewardessen jetzt aufschreiben dass Sitz 17B das Kaesebroetchen und nicht das Salamibroetchen genommen hat?

  4. “Warum sollten innereuropäische Flüge weniger sicher sein als transatlantische?”

    1. Weil die USA nunmal die Angegriffenen sind (wurde ja schon gesagt), weil sie wieder ihre imperialistische Schiene fahren. Die Bestürzung über den Verlust in Vietnam ist wohl schon vorüber.
    2. Weil man bei transatlantischen Flügen nicht den nächsten Flughafen anfliegen kann, wenn ein Angreifer überrumpelt wurde. Keine Ahnung, ob das wichtig ist, aber ein naher Flughafen scheint mir hier von Vorteil.

    Außerdem weiß ich nicht, wie man aus Kreditkartennummer und Bordverpflegungsvorlieben Sicherheit schaffen will. Ob wohl Esser von Schweineschnitzel eher zu Selbstmordattentaten neigen? Oder alle Leute mit der Kreditkartenquersumme 13? Als ob man sich nicht einfach eine neue Kreditkarte holen könnte, wenn man wirklich mal aufgefallen ist.

    Hoffentlich klatscht das Parlament das wirklich gleich wieder gegen die Wand, dass nichts mehr davon übrig bleibt außer ein paar Schandflecken für den Rat.

  5. Mal schauen wann den Fluggesellschaften die Fluggäste ausbleiben.

    Wer sich freiwillige kriminalisieren lässt, weil er noch fliegt bitte. Ist doch wie im Kino, wo alle Kinobesucher potentielle Raubkopierer sind.

    Schon krass wie die überwachen wollen ohne Gnade.

  6. Nachtrag: Besonders traurig finde ich die ständige Verbreitung von Halbwahrheiten und sogar Lügen, nur um die Überwachung durchzusetzen.

    Denn wenn die wirklich nur an Terrorabwehr interessiert sind könnten sie mit offenen Karten spielen, ohne Fakten zu fälschen oder zu verschweigen.

  7. “Warum sollten innereuropäische Flüge weniger sicher sein als transatlantische?”

    Allein schon die perverse Logik dahinter ist krank: Zuerst wird ein völlig überzogenes Überwachungsgesetz irgendwo geschaffen wo es gerade noch eingesehen wird wegen der „erhöhten Bedrohungslage“, um es dann zum Standard zu erklären, den man überall sonst nachziehen muss. Also mal wieder ein „Brückenkopfgesetz“ um den Widerstand zu senken …

  8. “Das Datenschutzniveau reicht für ein solches Abkommen bislang noch nicht aus”, so der Innenminister.

    In etwa: „Wir haben noch nicht genügend Arbeit geleistet, den Datenschutz zu untergraben und in der Öffentlichkeit als Täterschutz darzustellen. Noch dürfte der Widerstand gegen ein solches Vorhaben zu groß sein.“

    (Übersetzung Neusprech->Deutsch by Lauscher)

  9. Wäre ich Produktmanager für Nacktscanner, würde ich meinem Unternehmen einen Scoop mit geringstem Werbeaufwand vorschlagen: Man nehme einen echten Möchtegern-Terroristen, möglichst einen, vor dem der eigene Vater warnt, schleuse ihn unauffällig durch den Nacktscanner- Vertragsflughafen in eine US-amerikanische Maschine, umgebe ihn mit trainierten Geheimpolizisten als Sitznachbarn und…
    Der Presserummel garantiert, dass die 120.000 Euro teuren Nacktscanner- Ladenhüter zum Verkaufsschlager werden.

    Dabei funktioniert sowas auch ganz ohne Möchtegern- Terroristen: Während der alltäglichen normalen Zuverlässigkeitsprüfung, wenn Kriminalbeamte versuchen, echte Waffen und Sprengstoffe an den Kontrolleuren vorbeizuschmuggeln. Man sollte die Sachen nach dem Test rechtzeitig wieder einsammeln: http://tinyurl.com/y8vn8cb

    Allerdings könnte man solche Vorfälle auch dazu verwenden, die Bevölkerung auf ‚mehr Sicherheit‘ zu konditionieren. Honi soit qui mal y pense…

  10. jedem politiker, der solchen unfug redet, sollte man das hier dringend mal unter die nase halten.

    BTW, möchte sich nicht mal jemand hinsetzen, das aktualisieren und als richtigen zähler auf eine seite stellen? ich kann’s leider nicht, stehe aber für recherchen gerne zur verfügung.

    in der sache: wenn spanien und frankreich zusammen gehen, könnte es unangenehm werden.

  11. Diese ganze Diskussion rund um die Sicherheit des Flugverkehrs ist doch zutiefst heuchlerisch und verlogen. Da wird wie wild über den Einsatz von komplett unnützen Hightech-Instrumenten palavert und die Erfassung und Speicherung von Passagierdaten als notwendig verkauft.

    Gleichzeitig wird völlig ignoriert, dass sämtliche Maßnahmen – die vorhandenen und die von den Sicherheitsfanatikern herbeifantasierten – immer auch von den Menschen vor Ort abhängig sind, die mit der Durchführung betraut sind. Sind diese aus Kostengründen nur schlecht ausgebildet und unterbezahlt, lässt sich das auch mit der aufwendigsten Technik nicht kompensieren – siehe auch München diese Woche…

    Wenn aber schon mantraartig behauptet wird, dass der Flugverkehr potentiell terrorgefährdet ist, warum funktionieren dann noch nicht einmal die seit Jahrzehnten etablierten absoluten Mindeststandards?

    Ich habe es erst kürzlich selbst wieder erlebt bei zwei Flügen mit Germanwings von Berlin-Schönefeld aus: Tickets online erworben und bezahlt, online eingecheckt und Boardkarte selbst ausgedruckt. Am Flughafen kann man dann direkt in den Sicherheitsbereich durchgehen – und in beiden Fällen wollte niemand irgend ein Ausweisdokument von mir sehen. Es hätte also absolut jeder mit meinem Ticket fliegen können…

    Noch besser: der Zugang zum Flieger erfolgt direkt über das Rollfeld. Die Gates liegen direkt nebeneinander und sind nichts weiter als Türen zum Rollfeld. Die Passagiere zeigen dem Bodenpersonal ihre Bordkarte und werden dann raus auf das Rollfeld gelassen. Montag morgens starten mehrere Maschinen nahezu zeitgleich und stehen direkt nebeneinander. Es gibt nahezu kein Sicherheitspersonal in diesem Bereich, während gleichzeitig mehrere Hundert Personen zwischen Abfertigungshalle und den Fliegern hin- und herlaufen.

    Ich wage zu behaupten, dass es keine allzu große Herausforderung wäre, nach Belieben in eine anderen als den tatsächlich gebuchten Flug einzusteigen. Mit einer Bordkarte, die von niemandem genauer überprüft wurde…

    Nacktscanner, Datenspeicherung, Sprengstoffsuche in Laptops? Vergesst das – es scheitert vielfach schon an ganz anderen Stellen. Hätte ich tatsächlich Angst vor Terrorismus, würde ich mir bei solchen Beobachtungen wohl umgehend in die Hose machen. Und das vermutlich sogar zu recht.

  12. Naja, Personal kostet halt Geld und wäre sinnvoll gegen Terrorismus.

    Überwachung ist gut für den Staat und kann als Maßnahme gegen Terror verkauft werden.

    Das ist halt der kleine aber feine Unterschied.

  13. Und der ganz raffinierte Attentäter bestellt ein Schweineschnitzel und sprengt das Flugzeug in die Luft bevor serviert wird …

    Wird auch überwacht ob das bevorzugte Essen tatsächlich zu sich genommen wird?

    Müssen wir in Zukunft dann die Bordverpflegung vor dem Einsteigen essen um solche Szenarien zu verhindern?

    Wird nach dem Flug eine Magenspiegelung bei allen Passagieren vorgenommen um falsche Angaben bei den Verpflegungsvorlieben zu entlarven?

    Was ist mit streng evangelikalen Christen, die Schweinefleisch ablehnen, sind die dann auch terrorverdächtig? Oder nur wenn diese einen Migrationshintergrund haben, so wie fast alle Amerikaner?

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.