Sperrdebatte: Netzfestung Europa?

Eigentlich gilt Thomas Jarzombek ja als einer der Guten. Ein Netzversteher in der CDU, mit dem man durchaus reden kann. Und nun bringt der Mann allen Ernstes Netzsperren als „Brückentechnologie“ und einen „Schengen-Raum im Internet“ ins Gespräch?

Ja, genau das schlägt Jarzombek in einem Gastbeitrag für TheEuropean vor:

“Technisch absolut wirkungslos” habe ich oft dazu im Netz gelesen und bin auch selbst skeptisch, was den Nutzen dieser Technik betrifft. Aber seit der Anhörung im Bundestag am Montag bin ich überzeugt: Netzsperren sind perfekt. Als Brückentechnologie. […]

So waren die Löscherfolge des BKA bislang überschaubar. Bei knapp der Hälfte der Löschbemühungen gegen ausländische Provider konnten keine zufriedenstellenden Ergebnisse erzielt werden. […] Doch das Ende naht: Alle Beteiligten haben hart daran gearbeitet, mit einem gemeinsamen Harmonisierungspapier alle diese Probleme zu lösen. […]

Und jetzt müssen wir mit möglichst vielen Ländern staatliche Abkommen schließen, die sich damit zum garantierten Löschen verpflichten und dafür offizielle Stellen einrichten. Damit werden die Sperren dann zur Brücke, denn deutschen Servern wie auch diesen sicheren Ländern sollten wir dafür gesetzliche Sperrfreiheit garantieren. So schaffen wir eine Art “Schengen-Raum” im Internet. Auf dass die Brücke immer kürzer wird.

Was Jarzombek euphemistisch als Brückentechnologie bezeichnet, ist de facto ein Brückenkopf. Ein Brückenkopf zur Etablierung einer technischen Infrastruktur, die die Sperrung beliebiger Inhalte ermöglicht. Nicht mehr, nicht weniger.

Im Kampf gegen Missbrauchsdarstellungen im Internet hingegen sind Sperren auf Zugangsebene wenig hilfreich, bzw. sogar kontraproduktiv. Thomas Jarzombek dürfte dies als Mitglied des Unterausschusses Neue Medien und der Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft bekannt sein.

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16 Ergänzungen

  1. Diesmal scheidet dann wohl aus, zu sagen „die wissen es nicht besser“.

    Da bleibt dann nur noch „die wollen das so aus Gründen die sie nicht bereit sind beim Namen zu nennen“.

    So viel zur Repräsentativen „““Demokratie“““.

  2. Jörg-Olaf, die zwei besten Sätze hast du unterschlagen.
    „Aber seit der Anhörung im Bundestag am Montag bin ich überzeugt: Netzsperren sind perfekt.“

    Damit wischt er die Kritik an den Sperren mit einem Satz weg.

    Der Vollständigkeit halber, er sagte:
    “Technisch absolut wirkungslos” habe ich oft dazu im Netz gelesen und bin auch selbst skeptisch, was den Nutzen dieser Technik betrifft. Aber seit der Anhörung im Bundestag am Montag bin ich überzeugt: Netzsperren sind perfekt. Als Brückentechnologie.

  3. Wie konnte das Internet nur die letzten 20 Jahre überleben ohne die genialen Idee deutscher Politiker?

    Das es eventuell so erfolgreich geworden ist, ohne politische Eingriffe fällt vollkommen unter den Tisch.

    Hat auch schon mal ein deutscher Politiker etwas positives über das Netz gesagt? Man hat das Gefühl, sie kennen es nur als ein Gefahrenvektor.

    Ich glaube, das liegt unter anderem daran, dass wir in Deutschland noch keine großen wirtschaftlichen Erfolge wie in den USA vorweisen können. Amazon, Google, facebook… Würden wir solche positiven Beispiele auch bei uns haben, die vorzeigen, dass da auch was positives bei rausspringt, nämlich Arbeitsplätze, statt nur virtuelle KiPo-Marktplätze, würde die Diskussion vielleicht ganz anders ablaufen.

  4. >Würden wir solche positiven Beispiele auch bei >uns haben, die vorzeigen, dass da auch was >positives bei rausspringt, nämlich >Arbeitsplätze, statt nur virtuelle >KiPo->Marktplätze, würde die Diskussion >vielleicht ganz anders ablaufen.

    Nope. In den USA sind die Netzsperren auch auf dem Weg durch die Instanzen. Nur nicht als Mittel gegen Kiddiporn, sondern als Mittel gegen die pösen Raubmordkopierer, die man aussperren muss, damit das Abendland nicht untergeht.

    Macht die Natzsperren latürnich nicht besser. Ist aber zumindest ehrlicher, als „denkt denn niemand an die Kinder“ vorzugaukeln…

  5. @Messerjocke2000
    Aber aus den USA kommt wenigsten auch mal positive Energie bezüglich des Internets, siehe White House auf Flickr, komplettes Neudesign der White House Seite nach dem damaligen Regierungswechsel, Palin auf Twitter (macht sie natürlich nicht besser) etc. Da hat man das Gefühl, die meisten Politiker „embracen“ das Netz, statt es zu verteufeln.

  6. Nicht alles so negativ sehen! Ich verwende Äußerungen dieser Typen in Diskussionen als Hebel gegen die CDU. Da ich anscheinend Glück habe und kaum Dumpfbacken in meiner näheren und weiteren Verwand- und Bekanntschaft habe, gibt es zwar immer noch Leute, die den Netzsperren zustimmen. Aber: diese Leute sind nach einiger Zeit aufgeklärt. Man muss diese Leute nur perönlich treffen. Fakten und Wahrheit sind halt langsam wirkende Medikamente und Netzpolitik .org ist (um mal den Vergleich weiter zu bemühen) eine gut ausgestattete Apotheke. Man braucht Geduld, klar, aber irgendwann sind die Leute überzeugt. (war jedenfalls bei mir bisher so)

  7. „…Bei knapp der Hälfte der Löschbemühungen gegen ausländische Provider konnten keine zufriedenstellenden Ergebnisse erzielt werden.“

    Genau! Und oh Wunder, die meisten aus den USA und Russland. Wer hätte je gedacht, daß ich gerade diese beiden Staaten mal richtig lobe.

    Und diese zwei Süßen werden sich auch weiterhin für die Meinungsfreiheit etc. einsetzen. Vor allem die dort ansässigen Anon-Anbieter. Auch wenn es den deutschen Beamten nicht passt. Für die ist eh alles zu groß. Die eigenen Anzüge, die eigene Klappe, die eigenen Forderungen, die eigenen Möglichkeiten.

    Wie wunderbar! com. ru. org.!! Mögen sie lange ihre Dienste anbieten! Thank you very much, darlings.

  8. In Thomas Jarzombek Artikel ist für jeden etwas dabei.

    1. Siehe oben, er ist der Meinung, Netzsperren seien perfekt.

    2. Im Vorspann heißt es, Netzsperren seien nicht perfekt, ihre Effektivität sei begrenzt.

    3. Ebenfalls im Vorspann, ist die Rede vom Löschen „pornographischer“ Inhalte. „Ziel muss es sein, auch ausländische Provider zum Löschen von pornographischen Inhalten zu bringen.“
    via http://chriszim.com/2010/freudscher-verschprecher-der-cdu

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.