Späte Erkenntnis einer Bundeskanzlerin: Das Netz verändert Öffentlichkeiten

Angela Merkel hat der Bunte ein Interview gegeben und laut Agenturberichten dort beklagt, dass durch das Netz neue Öffentlichkeiten entstehen, die nicht mehr so einfach funktionieren wie im alten Mediensystem mit wenigen Gatekeepern. Sofort rufen viele, dass Angela Merkel dem Internet den Krieg erklärt hätte. Aber ehrlich gesagt kann ich das aus keinem einzelnen Punkt der Agenturmeldung herauslesen, selbst mit großer Phantasie nicht. Und sie hat in ihrer Kurz-Analyse auch Recht: Mit diesen neuen Öffentlichkeiten in einer Netzwerk-zentrierten Kommunikationswelt muss man einfach leben und lernen damit umzugehen – die gehen (wahrscheinlich) nicht mehr weg.

„Heute wird es durch die Vielzahl der Informationskanäle, und besonders durch das Internet, immer schwieriger, ein Gesamtmeinungsbild zu erkennen“, sagte die Kanzlerin der Illustrierten Bunte. Durch den „sehr großen technischen Wandel“ sei es schwerer geworden, „alle Menschen, alle Generationen zu erreichen, denn diese nutzen die einzelnen Medien mittlerweile sehr unterschiedlich“. Erkenntnis der CDU-Politikerin: „Es gibt nicht mehr nur eine Öffentlichkeit, sondern viele Öffentlichkeiten, die ganz verschieden angesprochen werden müssen.“ Vor allem junge Menschen informierten sich „ausschließlich über das Internet“ – „und das oft sehr punktuell“. […] „Mit dieser Veränderung muss die Demokratie in Deutschland und in den anderen westlichen Ländern umgehen lernen.“

Also ich finde das Internet und die neuen Möglichkeiten super.

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25 Ergänzungen

  1. Dennoch lese ich heraus, dass sie eher die vielen „Wirklichkeiten“ beklagt. Denn ob zwei oder hundert Medien das gleiche sagen, wäre ja noch egal.

    Wenn aber viele Medien unterschiedliche Standpunkte betrachten und damit die „Wirklichkeit“ der von der Politik besser im Griff gehaltenen „alten“ Medien nicht die einzigen Meinungsquellen darstellen, dann kann das einem Politiker, der auf Dauer von Meinungsbildern abhängig ist nicht passen.

    Merkel wird auf den Zensurzug nicht aufspringen. Das meint sie damit nicht. Vermutlich ist sie einfach mal nur ehrlich. Immerhin…

    1. @Christian: Ich teile nicht die These, dass früher alle Medien dieselbe Meinung hatten. Das kann man glauben, aber die Geschichtsbücher erzählen was ganz anderes.

    2. @markus:
      ich teile Christians These, möchte aber auch dir Recht geben – seh‘ unser „früher“ einfach als die letzten 30 Jahre, eben das relative „früher“ der Netzbürger, welche mit Internet aufgewachsen sind. („Alles ist relativ“) Daß es „noch früher“ durchaus anders war ist denke ich jedem bewusst.

      @Christian:
      doch, ich glaube sie wird auf den Zug aufspringen – mit „geheimtreffen“ der Chefredakteure in Berlin tut sie das gewissermaßen bereits. Und wenn nicht sie, dann wird irgendwann eine Zensursula, ein Schäuble oder ähnliches Bundeskanzler.

  2. [quote]Vor allem junge Menschen informierten sich “ausschließlich über das Internet” – “und das oft sehr punktuell”.[/quote]

    Sie meint damit wohl eher, dass man heutzutage im Web nur noch die Nachrichten lesen würde, die einen interessieren und sich nur noch auf bestimmten Nachrichtenseiten herumtreiben würden, die sich auf bestimmte Themen spezialisiert haben und man somit keinen großen Überblick mehr bekommt. Was einen nicht interessiert ignoriert man.

    Mag ja sein, dass das so ist, aber früher wars doch genauso. Auch wenn in der Tageszeitung immer Politik, Wirtschafts, Kultur, Sport und Lokales drinne ist, hab ich da früher auch immer nur gelesen was mich interessierte. Und der 15-minütige Überblick, den die allabendliche Tagesschau in jeden Haushalt gebracht hat ist nun auch nicht der Rede wert. Auf Detailfragen und Hintergründe wird da doch kaum eingegangen.

    Aber das die Gesellschaft allgemein auseinander bricht ist nun wirklich nichts Neues. Der Zusammenhalt bricht weg. Sieht man ja zB. auch daran, dass die ehem. Volksparteien Mitglieder und Wähler verlieren und sich auch das Parteienspektrum weiter aufteilt…

  3. Unabhängig von allen Chancen des Internets ist damit in Sachen Meinungsbildung ein gravierendes Problem verbunden, nämlich die viel besseren Möglichkeiten, sich nur noch innerhalb seiner politischen Nische zu informieren und Argumente anderer nicht mehr oder nur noch verzerrt kennenzulernen.
    In der (nicht immer schönen) alten Medienwelt fanden zwar abseitigere Meinungen nicht statt, höchstens in irgendwelchen Sektierblättchen, aber zumindest die großen überregionalen Zeitungen waren die Orte, an denen gesellschaftlich relevante Debatten stattfanden. Das hatte dann zwar häufig einen reichlich elitären Einschlag, wenn die Habermase, die Luhmänner oder die Wehlers und Sloterdijks sich ihre Meinungen gegenseitig um die Ohren schlugen. Aber es gab eben (und gibt bis zu einem gewissen Maß immer noch) die Orte, an denen ein Austausch unterschiedlicher Weltbilder stattfinden konnte. Und diese Orte sehe ich heute nicht.
    In der Netzpolitik findet aus meiner Sicht kaum ein Dialog statt, sondern eher eine Vielzahl von Monologen an unterschiedlichen Orten. Die Datenschutzfraktion mobilisiert hier und in anderen Blogs. Die Fraktion, die Bürgerrechte eher als Instrumente des Täterschutzes ansieht, tummelt sich eher in den klassischen Medien.
    Und das ist schon ein Problem, für das es nach meiner Wahrnehmung noch keine brauchbare Lösung gibt, auch wenn Frau Merkel ihre Klage über die Vielzahl der Kanäle wahrscheinlich ein wenig anders gemeint hat.

  4. Was Frau Merkel wirklich meint:

    Leider wird durch das WWW jede Information sofort greifbar. Es können zügig Gemeinschaften gebildet werden, um gegen die Gesetzgeber vorzugehen, das gilt vor allem für Klagen beim Bundesverfassungsgericht oder Gruppen, die den Bundestag zwingen, sich mit diversen Themen zu befassen. Das Volk ist nicht mehr manipulierbar durch die Politik oder Polcorpresse, sondern sucht sich die Infos autonom im Web. Die Herde läßt sich nicht mehr so schön zusammentreiben, wie es früher mal war. Herde = Wahlvolk.

    Ein Hoch auf das Internet.

    1. „Das Volk ist nicht mehr manipulierbar durch die Politik oder Polcorpresse, sondern sucht sich die Infos autonom im Web.“

      Das glaubst du wohl noch tatsächlich. Die Möglichkeiten des Internets stehen allen offen, auch den bösen Manipulatoren. Und da Menschen relativ vorhersehbar sind und, wie schon gesagt, die große Fülle der Informationen ganz und gar nicht nutzen, fällt es ‚denen‘ vermutlich noch viel leichter, die Menschen für ihre Zwecke einzuspannen.

      Wenn es tatsächlich irgendeine geheimnisvolle manipulierende Macht gibt, dann wird die sich über diese naive Glorifizierung des Internets freuen.

  5. Ein kleiner Schritt wäre es, diese geheimen Treffen und Telefonate zu verbieten, sowie den Emailverkehr der ‚Staatsdiener‘ (meinetwegen auch zeitversetzt) einsehbar zu machen. Ich würde jedenfalls schon gern wissen, mit welchen Argumenten da tatsächlich über die Zukunft der Menschheit entschieden wird.

  6. „Damit umgehen lernen“ heißt entweder, dass die Politiker Ihren Umgang mit dem Internet verändern oder dass die Politiker versuchen, das Internet zu verändern. Welche dieser Optionen ist wohl wahrscheinlicher angesichts der bisherigen Maßnahmen, die den Lesern dieses Blogs ja nicht ganz unbekannt sein dürften?

  7. In Kürze kommt der neue wundersame BPA raus.

    Wie nett, daß sich die CDU dem Ansinnen der USA gerne anschließt, wonach die User/innen des Web „nur noch autorisiert und nachweislich zu erkennen“ nutzen sollen. Vor allem die Behördengänge, die Nutzung des Versandhandels und dergleichen sollen abgesichert werden. Vorreiter, wie bereits geschrieben, mal wieder die Sicherheitsfaschisten der USA. Europa zieht nach, wie es schon immer nachgezogen ist.

    Das Netz soll gezähmt, kontrolliert, gegängelt und manipuliert werden.

    Aber sicher ohne uns. Die Gemeinde, Juristen, Bürger/innen (die noch wissen, was das Wort bedeutet) und das kluge deutsche Volk werden sich zu wehren wissen.

    Es bleibt, wie so oft in letzter Zeit, nur der Gang zum Bundesverfassungsgericht, wobei die Richter/innen in der jüngsten Vergangenheit ausschließlich damit beschäftigt waren und sind, den verfassungsfeindlichen Gesetzesvorhaben verfassungsfeindlicher Politiker Einhalt zu gebieten.

    Das Bundesverfassungsgericht wird zunehmend durch die Politiker/innen beschmutzt und entwürdigt. Nun, auch dieses wird sich zu wehren wissen.

    In diesem Sinne.

  8. Hmmm, man könnte beinahe auf den natürlich vollkommen abwegigen Gedanken kommen, Frau Merkel beginne das Internet zu verstehen. Falls diese natürlich vollkommen absurde Unmöglichkeit irgendwie doch echt sein sollte, könnte ich ja mal zur Unterstützung die Lektüre bei 137b empfehlen: http://www.137b.org/?p=660

    Alles natürlich nur rein theoretisch.

  9. Es ist ja auch zu dumm, das Menschen aller Altersgruppen sich nicht mehr bei der regierungsamtlichen BILD oder bei der Bunten informieren, sondern ihre Informationsquellen selbst wählen. Wie soll man dem Bundesbürger überhaupt beibringen, das alles nur zu seinem Vorteil, Nutzen und seiner Sicherheit geschieht?

  10. Für mich ist das ein typischer Merkelkommentar:
    1.Sie sieht nur die Probleme, nicht die Chancen.
    2.Sie liefert nicht mal einen Ansatz zur Lösung des „Problems“.

  11. @“Ich“

    Schließe nicht von Dir auf andere Menschen.

    Nein, die Deutschen sind nicht so blöde, wie Du glaubst. Das Gegenteil ist der Fall.

    Die ständigen Anrufe des Bundesverfassungsgerichtes sind nur ein Indiz für die sehr wohl funktionierende Hirntätigkeit der Bürger/innen.

    Im Gegensatz zu den Gesetzesvorhaben und Wünschen der Politiker/innen, denen das Bundesverfassungsgericht ständig Einhalt gebieten muß.

    Das Bundesverfassungsgericht wurde aber nicht erfunden, damit es sich, wie in den letzten zehn Jahren, mit Verfassungsfeinden in der Regierung beschäftigen muß. Es sollte vielmehr eine Bollwerk für Bürgerrechte und Bürgerbeschwerden sein, aber ohne den Feind in der Regierung, der ständig wissentlich und willentlich gegen das Grundgesetz verstößt!

    Nun muß es sich seit Jahren mit Gesetzen beschäftigen, bei denen schon bei der Planung feststand, sie sind verfassungswidrig.

    Die Politiker/innen der Neuzeit interessiert das aber herzlich wenig. Da muß man als Bürger/in halt ständig klagen, was das Bundesverfassungsgericht wenig erfreut.

    Es wäre vielmehr zu begrüßen, wenn verblödete Politikter/innen Gesetze verabschieden, welche verfassungskonform sind.

    Tun sie aber nicht, da sie Verfassungsfeinde sind. Und doof wie ein Stück Brot noch dazu.

  12. @Dalia: Das sehe ich bei meinem Realitätsabgleich aber anders: Sicher, es gibt einige, die immer wieder vor’s BVerfG ziehen, Gesetze kritisieren etc. Aber ist das die große Masse? Wie viele Leute wählen heutzutage noch mal CDU/SPD/FDP oder gehen auch gar nicht wählen? Was ist noch mal gerade in Hamburg passiert?

    Vor diesem Hintergrund die Bürger Deutschlands als so klug und vorausschauend zu glorifizieren, ist IMHO Wunschdenken. Es ist eher so, dass das Netz die Stimmen der Kritiker etwas lauter werden lässt, da viel mehr und leichtere Möglichkeiten zur Publikation der eigenen Meinung existieren.

    Und alle Politiker als \volkommen verblödet\ und \doof wie ein Stück Brot\ zu bezeichnen, ist ja wohl auch nicht zielführend. Erstens machst du dir damit nicht gerade Freunde und stößt die vor den Kopf, die sich vielleicht doch noch mal zu einer offeneren Diskussion mit den Bürgern zu Netzthemen durchringen wollen. Und zweitens halte ich diese Sichtweise mw. sogar für gefährlich, denn die treibenden Kräfte hinter den ganzen Gesetzen wissen IMHO oft genug sehr wohl, was sie damit anrichten. Und sie tun dies vorsätzlich, aus wirtschaftlichen Gründen, aus Machtinteresse, aus Angst vor Kontrollverlusst, etc. pp.

  13. @Lauscher

    Sorry, ich sehe das grundlegend anders.

    Wir hatten einen Bundesinnenminister Schäuble, der wissentlich und willentlich verfassungswidrige Gesetze durchboxen wollte.

    Erst das Bundesverfassungsgericht konnte den Verfassungsfeind stoppen. Ein Verfassungsfeind im Gewand eines BUNDESINNENMINISTERS!!! Der Feind im eigenen Land hat das Verfassungsgericht mehrfach beschäftigt mit seinen miesen Ausdünstungen! Das muß man sich mal vorstellen! Bananenrepublik!!!

    Wiederholt haben sich die Richter/innen beschwert, es mangele den Politiker/innen an Respekt vor den Verfassungsorganen. Gesetze werden rausgehauen, verfassungswidrige Gesetze! Und dann schaun` mer mal, ob sich einer beschwert, und wenn, dann dauert es zwei Jahre, bis sich was tut, bis dahin haben wir schon die Bonbons im Sack etc. etc. etc..

    Ein Unding, wie sich die deutsche Politik verhält. Eine dreckige Saubande durch die Bank!

    Null Respekt! Ein paar gute Körner im Feld können die verfaulte Ernte nicht retten. Faul in Wurzel, Halm und Korn. Nicht mal für den Kompost zu gebrauchen. Mülltonne.

  14. Manipulationen gibt’s natürlich auch im Internet und sind sicherlich nicht nur beschränkt auf die Internetableger von Spiegel, FAZ, Springer-Presse & Co. Auf der anderen Seite gibt’s aber auch natürlich eine Reihe von Seiten, wo man sich durchaus seriös (und stellenweise auch wesentlich seriöser als bei dem sogenannten Qualitätsjournalismus) über aktuelle Themen informieren kann. Ein Grund warum ich z.B. für das Internet sehr dankbar bin, sind Seiten wie http://www.nachdenkenseiten.de , dass regelmäßig versucht auf Manipulationen in den Medien aufmerksam zu machen. Sowas wäre im Printbereich undenkbar, alleine schon aus Gründen der Wirtschaftlichkeit. Durchaus möglich, dass solche Seiten dann mal auch auf der ein oder anderen Zensursperrliste auftauchen, weil Bertelsmann, Springer (und Merkel) damit ein Problem haben.

  15. So ein Pech aber auch für die Angela. Ihre Wähler lassen sich das Internet halt ausdrucken. Außerdem werden denen die Mitglieder in den nächsten Jahren eh wegsterben. Welcher aufgeklärte und frei denkende Mensch würde denn CDU/CSU wählen? Konservatives Gedankengut, mit der ewigen Projektion zum besseren Gestern hat schon immer das Potential der Menschen behindert.

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