Neues aus dem Reich der Patente

Eigentlich ist es ja schon unterhaltsam, was in letzter Zeit alles patentiert wird. Sorry, natürlich lautet der Satz korrekt „dass in letzter Zeit alles patentiert wird.“

Da haben wir Colgate, die vor einigen Tagen schon eine seit Jahrhunderten in Indien zur Zahnpflege verwendete Mischung aus Nelkenöl, Kampfer, Pfeffer und Minze in den USA patentiert haben. Zu Recht liefen indische Bürger dagegen Sturm. Um sich gegen weitere Piraterie an ihren Traditionen zu wehren, werden in Indien nun ‚Millionen von Websites‘ erstellt, auf denen traditionelle Heilungsverfahren und ähnliches dokumentiert werden – damit sie keiner mehr patentieren kann.

Völlig überraschend entschied das US Justice Department letzte Woche, dass immerhin Gene nicht patentierbar seien. Das klingt nicht so, als bedürfe es detaillierter Begründungen der Entscheidung – und doch ist es ein Bruch mit der bisherigen Handhabung durch das Patent & Trademark Office und des National Institute of Health, die derartige Patente bis dahin bereitwillig verteilt hatten. Für Genmanipulationen wiederum scheint im Moment Einigkeit zu herrschen: Patentierbar, weil selbstgemacht.

Neues gibt es auch von der NASA: Prinzipiell schreibt das US Copyright Law vor, dass alle Dokumente der Regierung als Gemeingut in die Public Domain gegeben werden (wenn sie veröffentlicht werden). Für von der Regierung geförderte Forschungsprogramme gilt das aber nicht, und so versteigert die NASA regelmäßig ein paar ihrer Patente. So ist es auch dieses Mal geplant: Am 11. November kommen 5 Patente zur automatischen Software-Programmierung unter den Hammer – die natürlich ausschließlich mit Steuergeldern entwickelt wurden. Wer auch immer dort zu welchem Preis zugreift, wird sich die Hände reiben dürfen.

Und während all diese Possen an uns vorbeiziehen, handelt man im Hintergrund ACTA aus, ein Paket aus Regeln für das geistige Eigentum, von dem selbst den USA einiges zu krass ist. Ist es da noch ein Wunder, dass in den Ländern, die so geheimniskrämerisch über ACTA verhandeln, die gefühlte Korruption zunimmt?

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10 Ergänzungen

  1. Patente sind Diebstahl das sie etwas was seit jeher frei war (nämlich das Wissen) der allgemeinheit stehlen und zum Interesse des Großkapitals privatisieren.

    Dieser Praxis sollte in jedem Falle ein Riegel vorgeschoben werden.

  2. Ich mag keine Patente, innerhalb deren Logik ist die Versteigerung aber schon vernünftig: Wenn sich der Ersteigerer die Hände reibt weil, unterstelle ich mal, er das Patent spottbillig bekommt, ist er wohl der einzige nicht-Debile, der mitsteigert.

  3. @Panzerschwein Wissen muss mühsam erarbeitet werden, durch Experimente, durch Forschung etc. und ist somit mitnichten „seit je her frei“.
    Halt von Patenten was du willst, aber plapper nicht unreflektiert jede linke propaganda nach.

  4. Patente gehen in die Reichtung der Urheberrechte: Sie bremsen die Gesellschaft aus. Man kann Dinge schlecht weiterentwickeln, wenn das nur der Urheber darf.

    Wenn Sie in China beispielsweise unsere Motorsägen, Züge und Solarkollektoren nachbauen, dann führt das zu einer sehr hohen Dynamik innerhalb des Marktes und zu einer schnelleren Verbesserung der Produkte. Die Patenteinhaber müssen sich so neue Gedanken der Weiterentwicklung machen und können sich nciht auf den Lorbeeren ausruhen. Weiterhin könnten bei freiem Zugang mehr Menschen an der Verbesserung arbeiten (s. Opensource). Weiterhin würde eine Lockerung der Patent- und Urheberrechte für eine erhebliche Entspannung unserer Gerichte sorgen.

    Ja klar – die Forschungsinvestitionen würden sich nciht mehr lohnen, etc. sind die Gegenargumente, aber wer die Gewinne in diesen Bereichen mal genau ansieht der weiß, dass die großen Patenthalter wesentlich zu viel verdienen (und sich so mehr Lobbyisten und Bestechungen leisten können).

  5. Ganz so einfach ist es nun auch wieder nicht irgendetwas zu patentieren. Wenn Colgate wirklich eine seit jahrhunderten verwendete Mischung patentiert hat, ist ihr Patent (zumindest wenn ich das deutsche Patentrecht noch einigermaßen richtig im Kopf habe) schlicht weg ungültig. Eine Bedingung für ein Patent ist, dass es NEU ist. Und wenn es schon so lange in Indien bekannt ist, ist dieser Punkt ganz klar nicht erfüllt.

    Zu den Patenten der NASA die versteigert werden – wieder ist die Situation in Deutschland sehr ähnlich. Universitäten patentieren auch ihre Entdeckungen, um Lizenzen an die Industrie verkaufen zu können und somit von ihren Erkenntnissen zu profitieren. Wäre ja noch schöner wenn die Industrie die mit Steuergeldern finanzierte Forschung kostenlos benutzen könnte.

  6. Colgate hat das doch in den USA patentiert(?). :)

    Die Industrie nutzt in vielen Bereichen die Grundlagenforschung der Universitäten um sich eine goldene Nase zu verdienen. Die großen Pharmaunternehmen beispielsweise durchforsten systematisch die Uni-Veröffentlichungen, um besonders interessante Erkenntnisse für sich zu nutzen und weiterzuentwickeln.

    Die teure, weil oft ins Blaue, Grobarbeit muss also die von Steuern und Studiengebühren(!) finanzierte Forschng leisten und die Unternehmen kassieren dann doppelt ab (gut ausgebildete Leute + neue (patentierte) Produkte). Normalerweise bezahlt man ja Auszubildende sogar…

  7. In Deutschland wäre das Patent wahrscheinlich ungültig, das stimmt. In Amerika gibt es jedoch den Grundsatz das eine Erfindung nur dann nicht neu ist, wenn sie irgendwo schriftlich festgehalten wurde.
    Deshalb war das Patent nach U.S. Recht neu. Und deshalb entstehen laut Artikel in Indeien Websites mit desen Rezepten. Dann ist das alles nicht mehr neu.

  8. @ L.L. (#5)
    Leider liegt in unserer Welt \Recht haben\ und \Recht bekommen\ weit auseinander. Besonders wenn die entrechteten Menschen Bauern sind oder aus Entwicklungsländern stammen. Das Patent alleine hilft einer Firma nicht viel, solange sie keine Mittel besitzt, die Rechte durchzusetzen.

    Nebenbei: Es gibt (auch in Deutschland) mittelständische Unternehmen, die bewusst auf Patente verzichten, da sie:
    – die technischen Informationen über ihre \Erfindung\ nicht Preis geben möchten, damit
    – wissen, dass sie ihre Patente nicht gegen Großkonzerne verteidigen könnten, wenn eine Patentverletzung vorläge

  9. Siehe dazu auch den Artikel «Smart Wars» von Florian Müller in der aktuellen c’t 24/2010, S. 32-35. Das kann einem schon die Zornesröte ins Gesicht treiben!

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.