Kurzbericht: Internet als Mehrwert

Gestern war ich bei der zweiten Runde der vom Bundesinnenministerium organisierten Veranstaltung „Perspektiven deutscher Netzpolitik“. Thema war diesmal „Internet als Mehrwert“. Im Gegensatz zur ersten Veranstaltung rund um Datenschutz war die Runde diesmal breiter aufgestellt, was mehr Diskussion und Debatte brachte. Wann hat man mal in einer Runde das BKA, den AK-Vorratsdatenspeicherung, den CCC, die Musikindustrie, Provider, iRights und sonstige, die direkt miteinander interagieren können? Die Diskussion war auch weniger formalistisch als beim ersten Mal. Eigentlich waren zwei Blöcke zeitlich vorgegeben, aber die Themen Urheberrecht und Bekämpfung von Kinderpornographie haben sich durch die bunte Runde in der Diskussion immer wieder überschnitten. Wie man sich das vorstellen kann, prallten bei Themen wie Urheberrecht, Jugendmedienstaatsvertrag und Internetsperren Kulturen aufeinander.

Mein persönliches Highlight war, als BKA-Chef Ziercke seine verbale Horror-Show auspackte und die Vorratsdatenspeicherung vehement zurück forderte und direkt danach zufällig Patrick Breyer auf der Redeliste stand und ihm direkt kontra mit vielen Statistiken geben konnte.

Hat es was gebracht? Das wird man sehen müssen. Es hat aber wenigstens Spaß gemacht, was ja nicht immer der Fall bei solchen Terminen ist. Auch wenn ich mich immer noch frage, ob es protokularisch in Ordnung gewesen wäre, wenn ich die letzten Pralinees von unserem Bundesinnenminister gegessen hätte, mit dem ich einen Teller teilte, weil er zufällig neben mir saß. Ich hab mich dann lieber zurück gehalten.

Von der knapp dreistündigen Diskussion gibt es schon eine MP3 (66MB). Eine Videoaufzeichnung als Zusammenfassung ist geplant und soll auch bald online gehen.

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3 Ergänzungen

  1. Beachtlich, wie das unerlaubte Lesen von Texten oder Hören von Tonaufzeichnungen bunt gemischt mit Kindesmissbrauch diskutiert und somit scheinbar auf eine Stufe gestellt wird.

    Besonders unterhaltsam ist mal wieder der Präsident des Bundeskriminalamtes, Herr Ziercke. Sogar meine Freundin, die nur über ein Basiswissen bezüglich des Netzes verfügt, muss bei jedem Satz den Kopf schütteln. Auf wie viel technisches Unverständnis seiner Zuhörer hofft der Mann?

    Jedenfalls müssen wir sehr über Ziercke lachen. Andererseits ist es erschreckend, was für einen Präsidenten unser BKA hat.

    Dass die Vertreter der Medienindustrie komplett lernresistent sind, ist nichts Neues. Na gut, sollen sie ihre Kunden und Unbeteiligte weiterhin abmahnen und verklagen. Damit schaufeln die ihr eigenes Grab umso schneller.

  2. Ist der Umfang der Urheberrechte überhaupt noch zeitgemäß?

    Hallo,
    danke für den Hinweis auf die Aufzeichnung zu dieser Veranstaltung.

    Bei der Diskussion um Urheberrechte fällt mir immer wieder auf, dass dass der Umfang der Monopol-Rechte sowie deren stetiger Ausbau und deren rechtliche „Einbetonierung“ für die Politik unstrittig zu sein scheint.

    Wenn es aber in diesem Themenkomplex aber eine Stellschraube gibt, um Kompromisse zwischen Kreativen und Abnehmern zu erzeugen, dann ist dies der Umfang des Rechtsschutzes.

    Es ist doch heute für wirklich niemanden mehr nachvollziehbar, warum sich Monopolrechte auf Bücher bis 70 Jahre nach dem Tod des Autors erstrecken sollen, oder dass Musik-Stücke 50 Jahre lang geschützt sein sollen. Das sind Relikte aus dem vergangenen Jahrhundert! Jeder der so ein Geschenk umsonst mitnehmen kann, der wird dies natürlich gerne tun, aber wie zeitgemäss ist deren Umfang denn bitte heute und in Zukunft?! Warum kann man nicht sagen, dass die Monopolrechte maximal 20 Jahre nach Veröffentlichung gelten und dass sie nach 10 Jahren unumkehrbar an den Originalautor zurück fallen. Für einen Investor ist ein 10-Jähriges Engagement in ein Einzelprojekt eine durchaus lange Zeit – warum soll das hier nicht reichen? Welche Gründe von damals gelten heute noch, dass die Gesellschaft einzelnen Marktteilnehmern derart masslose Zeitlinien eines Monopols einräumen müsste?!

    Wir leben in einer Leistungsgesellschaft, Produktions- und Produktlebenszyklen werden überall kürzer, aber die Rechte-verwertungs-Industrie kann mit höchst zweifelhaften Argumenten Erfolge darin feiern, Monopol-Rechte auszudehnen. Ist das nicht vollkommen absurd?

    Da scheint es nur stimmig, dass nicht vorrangig die Künstler, sondern die Rechte-Verwerter gegen eine Anerkennung des normativ-faktischen File-Sharings aufbegehren. Künstler könnten neue Kunst schaffen und sich vermutlich mit neuen Vertriebsformen arrangieren. Dabei käme es zwangsläufig zu einem Squeeze-Out der Rechte-Branche, weil sie jetzt und in Zukunft keinen erkennbaren Mehrwert bei der Versorgung mit Kunst und Kultur leisten (können).

    Ketzerisch würde ich mal behaupten, dass die Branche das Internet ganz bewusst verschlafen & verteufelt hat, weil mit jedem Tag, den eine Selbstvermarktung von Künstlern über das Netz möglich wird, die Überflüssigkeit dieser „Zunft“ offenbar wird.

    Die Politik täte IMHO auch gut daran zu überlegen, ob es tatsächlich noch derart überzogen langer und weitgehender Monopolrechte bedarf.

    Ich denke, es wäre mal dringend an der Zeit, die vollkommen „verkomplexierte“ Wertschöpfungskette in der Kultur-Industrie („wer uns kritisiert hat von der Branche keine Ahnung ..„) durch Anwendung von Marktwirtschaft zu entschlacken und zu vereinfachen. Dass man dazu nicht mehr, sondern weniger und vor allem zielgerichtetere Monopolrechte auch gegen den Widerstand der gegenwärtigen Rechte-Inhaber benötigt, dürfte wohl für jeden sofort ersichtlich sein (Stichwort „anstrengungsloser Wohlstand“ durch garantierte Monopolgewinne zu Lasten von Markt und Wettbewerb – und das erhebliche Beharrungsvermögen der Nutzniesser in so einer Situation ..).

    Mit weniger Monopolrechten, die aber direkter vom Künstler für sein Schaffen gehalten werden, könnte auch die Akzeptanz bei den Kunden steigern, einen gerechten Gegenwert für die Nutzung kultureller Güter zu zahlen.

    Y. Schmbitrus

    (Sorry, der Beitrag ist etwas lang geworden ..)

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