JMStV in Berlin: Klares Zeichen der Linken an die SPD

Sticky: Wer meine Notiztabelle zum JMStV ergänzen kann oder Korrekturen hat: Bitte in die Kommentare. Mail geht natürlich auch. Danke!

Wer in den letzten Tagen aufmerksam mitgelesen hat, dürfte mitbekommen haben, dass es nicht nur in NRW eine Restchance gibt, den umstrittenen Jugendmedienschutz-Staatsvertrag noch zu stoppen. Interessant dürften auch die Entscheidungen in Berlin (9.12.) und Brandenburg (vsl. 15.-17.12.) werden, wo die SPD zusammen mit der Linken die Regierung stellt.

Die Ausgangslage: Der SPD versucht sich zwar immer mal wieder gerne als Netzpartei zu positionieren, hat den Staatsvertrag de facto aber zu verantworten. Schließlich wurde er federführend in der Mainzer Staatskanzlei im Königreich von Kurt Beck entwickelt.Ein Umstand, der die Genossen im Bund durchaus verpflichtet, in etwa wie die Koalitionsverträge auf Landesebene …

„Der Entwurf des Staatsvertrags ist von den SPD-geführten Ländern maßgeblich mitentwickelt worden, er ist somit ein Kind der SPD. Wir konnten die CDU-Länder damit komplett überzeugen.“ — Martin Stadelmaier, Chef der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei, im Interview bei vorwärts.de

Und die Linken? Nun, tatsächlich überraschen die Linken in netzpolitischen Fragen immer wieder mit recht erfreulichen Positionen (Manchmal komme ich mir vor wie ein Ghostwriter, dem AK Zensur dürfte es ähnlich gehen ,). Andererseits sind diese aus der Opposition heraus natürlich deutlich leichter zu vertreten, als wenn man sie in einer Regierugskoalition tatsächlich durchsetzen muss. Womit wir beim Thema wären.Letzte Woche wurde bekannt, dass sich auch die Linken in Berlin „parlamentarischen Zwängen“ unterworfen sehen. Man ist ja eigentlich gegen den Staatsvertrag, könne das dem armen Wowi und der SPD aber nicht antun. Inzwischen haben die Linken noch einmal nachgedacht und eine – wie ich finde – recht elegante Lösung gefunden. In einer Sofortmitteilung des Landesvorstand heißt es (Hervorhebung von mir):

Der Fraktionsvorsitzende, Genosse Udo Wolf, informiert über die Diskussion in der Fraktion über die Ratifizierung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags. Er betont, dass sich die Fraktion und die Partei mit der linken Netz-Community einig sind, dass dieser Vertrag schlecht ist, und er deshalb inhaltlich abgelehnt wird. Wenn die Fraktion der Ratifizierung im Abgeordnetenhaus dennoch zustimme, dann deshalb, weil sie an den Koalitionsvertrag gebunden ist und dieser sie zwinge, zuzustimmen. Der SPD-Fraktion ist mitgeteilt worden, dass die Linksfraktion sofort bereit ist, nicht zu ratifizieren, wenn die SPD oder der Regierende Bürgermeister davon Abstand nehmen.
Zur weiteren netzpolitischen Arbeit möchte der Landesvorstand gemeinsam mit Berliner Abgeordneten zeitnah Gespräche mit der netzpolitischen Community führen, auch um solche Situationen wie diese künftig vermeiden zu können.

Bedeutet: Der Ball liegt im Feld der SPD. Entscheidet sich die Berliner SPD für den JMStV (wovon man ausgehen muss), wird er ratifiziert (also angenommen und umgesetzt). In der Tat ist es in diesem Fall auch unerheblich, wie die Abgeordneten der Linken abstimmen. Die Stimmen von SPD und CDU dürften reichen, die Linke hat also allenfalls die Option, für Stress in der Koalition zu sorgen.

Ja, man kann Koalitionsverträge doof finde. Man kann aber auch einfach feststellen, dass die Linke in Berlin ihrem Koalitionspartner ein klares Zeichen gibt. Ein Zeichen, das in dieser Form auch in anderen Ländern förderlich gewesen wäre. In NRW habe ich mitunter den Eindruck, dass sich SPD und Grüne gegenseitig austricksen wollen. Das Ergebnis: Beide Parteien stehen derzeit ohne Hosen da und haben ihr netzpolitisches Profil massiv beschädigt.

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25 Ergänzungen

  1. Was ich schon die ganze Woche fragen wollte, aber nie getan habe, weil ich immer nur ganz unten in den Kommentaren gelandet wäre:

    Was versprichst du dir eigentlich davon, wenn eines der Länder die Novellierung des JMStV ablehnen würde? Dann würde der alte weiterhin gelten und sämtliche Regeln, die du hier so lautstark beklagst, stehen dort seit 2003 bereits drin.

    Keine der kritisierten Regelungen ist in der aktuellen Fassung neu.

    1. @Jörg-Olaf: Ach ja? Welche denn? Die altersgerechte Kennzeichnung ist schon geltendes Recht, die Zeitbegrenzungen auch … was soll denn wirklich neu sein?

  2. Klingt doch inhaltlich ziemlich identisch wie das, was – inzwischen – die Grünen in NRW in Richtung SPD gesagt haben. Auch ansonsten recht ähnliche Situation. Mal schauen, ob eine der Länder-SPDen aufspringt.

  3. Und die Linken? Nun, tatsächlich überraschen die Linken in netzpolitischen Fragen immer wieder mit recht erfreulichen Positionen

    Wobei das – das ist zumindest der Eindruck, der sich bei mir aufgebaut hat – nicht nur netzpolitische Fragen betrifft. Auch in anderen Sachen stehen die Linken oft entgegen praktisch aller anderen Parteien auf der Seite der Bürger. Stichwort Abzug aus Afghanistan, Castor, Banken-„rettungen“, Mindestlohn, Bedingungsloses Grundeinkommen, … (will hier keine endlose Liste aufführen).

    Nur irgendwie wollen viele Menschen das einfach nicht wahrhaben und streuben sich gegen diese Fakten, obwohl die Linken ihre Vorstellungen von Politik am ehesten vertreten.

  4. @Till: Die klaren Statements der Grünen in NRW kamen bisher vor allem von der Basis, nicht aus der Fraktion (was man allerdings auch wieder mit „parlamentarischen Zwängen“ begründen kann ,)

    @anonym: Nunja, wie ich schon schrieb:

    „Andererseits sind diese aus der Opposition heraus natürlich deutlich leichter zu vertreten, als wenn man sie in einer Regierugskoalition tatsächlich durchsetzen muss.“

    Viele Positionen der Linken mögen wünschenswert sein, ob sie realistisch sind, ist aber nochmal eine andere Diskussion.

  5. > Beide Parteien stehen derzeit ohne Hosen da..

    Sowieso. Is‘ ja klar: in der NRW-Koalition trägt man (bzw. frau) nicht nur Hose, sondern auch viel Rock. Lila Rock. Und dazu kommt, dass lila Röcke die hartnäckigste Lobby darstellen, die dieses Land kennt – die hat sich immer wieder als besonders fakten- und beratungsresistent erwiesen.

  6. Also realistisch betrachtet, ist der Drops gelutscht. Da in den letzten beiden Ländern die Stimmen der „Netzparteien“ CDU und SPD ausreichen, sollten wir uns schon mal auf den Ernstfall vorbereiten und für den ersten Januar diverse Aktionen planen.

    Ideen?

  7. Ich glaube es tut uns gut mit ein bisschen Realismus an die Sache ran zugehen. Der Zug ist abgefahren und der Vertrag wird kommen. Schön, dass es noch ein bisschen Hoffnung gibt – aber es wird nicht so kommen wie man sich das als Blogger wünscht.
    Und zu den Linken und parlamentarischen Zwängen.
    Bullshit
    Es wird versucht den schwarzen Peter der SPD zu zuspielen. Das ist Wahlkampf und kein parlamentarischer Zwang. Wenn man wirklich davon überzeugt ist, dass dieses Gesetz handwerklich schlicht Pfusch ist- ist man den Wählern und dem Volk verpflichtet und muss alles daran setzen den Koalitionspartner zu überzeugen auch auf die Gefahr hin, dass es in der Regierung ein wenig rumort.

  8. bei allem gebotenem Respekt, halte ich es aber nun nicht gerade für eine sehr heroische Tat der Linken, auf den Koalitionspartner zu verweisen und dem den Ball zuzuschieben, um dann anschließend zuzuschauen, wie die SPD das Ding durchwinkt. Jede Koalition ist ein Ringen um eine gemeinsame Position. Die Entscheidung der Linken, einfach zu sagen, „wir überlassen das mal den anderen“ hier so abzufeiern, wundert mich da schon etwas.

  9. Ich halte es zwar auch nicht für besonders heroisch, wie Die Linke da agiert. Aber mal ehrlich: Der Schwarze Peter liegt bei der SPD, den muss man dort nicht „hinschieben“.
    Und ein Scheitern einer Koalition in Berlin auf Grund des JMStV ist nunmal unrealistisch, das könnte sich Die Linke niemals leisten. Das weiß die SPD auch und könnte Die Linke jederzeit vor die Wand fahren lassen, wenn diese nun richtig Front gegen das Gesetz macht. Von daher macht der angeschlagene Ton durchaus Sinn, auch wenn er nicht befriedigend sein mag.

  10. Wie kann der Koalitionsvertrag die Linke verpflichten, für ein Gesetz zu stimmen, das sie nicht haben will? Normalerweise ist es doch so, dass ein Vorhaben nicht umgesetzt wird, wenn ein Koalitionpartner dem nicht zustimmt.

    Da werden wohl bei der Linkspartei Berlin genauso wie bei den Grünen in NRW ganz andere Interessen eine Rolle spielen, aber mit Sicherheit keine inhaltlichen Überlegungen.

  11. Da gibts wirklich nur eins: ABWÄHLEN! Die „alten“ Parteien sind zwar scharf auf die 2% Stimmen der Piraten, richten aber in Netzpolitischen Themen nur weiteres Chaos an. Gibt es eigentlich DEMOS gegen den JMSTV?

  12. Der Kern ist im Artikel aber gut beschrieben. Eine Ablehnung des jmstv ist in Berlin überhaupt nur mit der SPD möglich. Daher finde ich es richtig, dass die Linke eine solch klare Ansage gemacht hat und die SPD sich endlich mal äußern muss.
    Ist eigentlich schon jemandem aufgefallen, dass weder aus der Berliner SPD noch von deren heldenhaften Netzaktivisten a la Böhning oder Lobo kein einziges Wort zum jmstv zu hören ist? Ist doch auch interessant, dass die sich einbunkern und die Schnauze halten.
    So kann man natürlich weiter die Linke für etwas verantwortlich machen, was sie gar nicht in der Hand hat. Ob das der Sache hilft ist aber stark zu bezweifeln.

  13. @anonym

    Die Linken sind *nicht* für ein Bedingungsloses Grundeinkommen, da täuschst du dich.

    Die Piraten allerdings sind für wahlweise eine Bedingungslose Grundsicherung oder ein Bedingungsloses Grundeinkommen.

  14. Also sowohl in Berlin als auch in NRW liegt der Ball bei der SPD. Weder LINKE noch Grüne lassen daran die Koalition scheitern.

    Die heroischen Aufforderungen dazu finde ich gelinde gesagt: lächerlich. Auch eine Koalition besteht aus Kompromissen und jeder Partner hat unterschiedliche Präferenzen. Das ist im echten Leben auch nicht anders, denn wenn ihr diesen Maßstab an euer Soziales Umfeld anlegt, dürften sich eure Eltern erstens bereits geschieden haben („Ich will aber heute Abend nur Salat essen“ – „Es gibt Pommes und ich will die Scheidung!“) und ihr alle keine Freunde mehr haben.

  15. „Auch eine Koalition besteht aus Kompromissen“ – das ist wohl war. Aber in Berlin macht nur eine Partei ständig Kompromisse. Um die Koalition nicht zu gefährden, wird allem und jedem zugestimmt.

  16. @Jörn:

    Jede Koalition ist ein Ringen um eine gemeinsame Position.

    Richtig. Und die Linke hat ihre Position nun deutlich gemacht. Ob glaubhaft oder nicht, muss jeder selber entscheiden.

    Fakt ist, dass es sich um ein klares Signal an die SPD handelt. Viel mehr kann zur Zeit als Aussenstehender kaum verlangen, oder?

    Die Entscheidung der Linken, einfach zu sagen, “wir überlassen das mal den anderen” hier so abzufeiern, wundert mich da schon etwas.

    „wir überlassen das mal den anderen“ klingt, als soll es ein Vorwurf sein, die Linken würden sich aus der Verantwortung stehlen. Genau das kann – auch mit Blick auf die nun oft strapazierten parlamentarischen Zwänge – aber gerade nicht sehen. Im Gegenteil. Und genau daher sehe ich das Statement auch als Schritt in die richtige Richtung (Feiern mag ich derzeit (noch) nicht).

    @Olaf:

    Und ein Scheitern einer Koalition in Berlin auf Grund des JMStV ist nunmal unrealistisch, das könnte sich Die Linke niemals leisten.

    Genau, das ist wohl die Realität. Ob sie uns nun passt oder nicht.

    @Sebastian: In der Tat würde ich mir vom „Gesprächskreis Netzpolitik der SPD“ eine deutliche Positionierung wünschen, andererseits läuft da durchaus einiges hinter den Kulissen, was man in der Öffentlichkeit nicht mitbekommt. Und ja, auch hier gibt es wohl hierarchische/parlamentarische oder schlicht parteipolitische Zwänge. B. Böhning dürfte sich als Mitarbeiter der Senatskanzlei z.B. im Interesse seines Dienstherren mit öffentlichen Äusserungen zurückhalten.

    @Till: Ja, der Unterschied ist, dass es sich bei der Entscheidung der Linken um einen Beschluss des Fraktionsvorstandes handelt, während bei den Grünen die Fraktion den Vorstand um etwas bittet.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.