In mehr oder weniger eigener Sache: JMStV – alles gut? (Update)

Bevor Markus tatsächlich noch ein „Vorsicht, könnte Ironie enthalten!“-Badge an meine Beiträge pappt, heute mal was etwas Klartext.

Der ein oder andere wird sich über die gestern bei Golem.de veröffentlichte News mit Stimmen aus der Staatskanzlei zur Novellierung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags gewundert haben. Sollten sich die Befürchtungen der Netzgemeinde, Deutschland würde ein Kindernet drohen, doch nicht bewahrheiten?

Neben der Hoffnung, dass in den Staatskanzleien tatsächlich ein Umdenken stattgefunden hat, kamen bei Twitter, auf den Mailinglisten der üblichen Verdächtigen und auch hier in den Kommentaren bei Netzpolitik.org schnell erste Zweifel auf. Die Meldung bei Golem.de passte einfach nicht zur Nachrichtenlage der letzten Tage. Auffällig ruhig war es – seitens der Länder – rund um den JMStV geworden, wie nicht nur Neu-Pirat Jörg Tauss (der, soweit ich weiß, alles andere als ein guter Freund des federführend am JMStV beteiligten Kurt Beck ist) immer mal wieder zwittscherte.

Wie aktuell also waren die Stimmen in der Golem-News? Ich habe beim verantwortlichen Redakteur nachgefragt. Vorhin kam seine Antwort (Danke!):

habe gestern gegen 16:30 Uhr mit jemanden Verantwortlichem bei der Staatskanzlei telefoniert. Das ist meine Quelle.

Die PM aus der ich zitiere ist wie gesagt vom Tag der Anhörung: http://www.rlp.de/no_cache/aktuelles/presse/einzelansicht/archive/2010/january/article/stadelmaier-freiwillige-kennzeichnung-ist-der-richtige-weg-1/

Im Klartext: Viel ist seit der Anhörung Ende Januar offenbar nicht passiert. Bei der Darstellung von Golem handelt es sich um die (alt-)bekannte und gestern noch einmal bestätigte Position der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz.

Und nun? Natürlich haben auch wir hier bei Netzpolitik.org keine Glaskugel. Ebenso wie Alvar und der AK Zens_r sind wir aber der Meinung, dass die Kuh – allen Beschwichtungsversuchen zum Trotz – noch lange nicht vom Eis ist. Und ja, ein offener Diskurs, auch und gerade mit den Verantwortlichen in den Staatskanzleien, wäre wünschenswert. Davon kann zur Zeit leider keine Rede sein.

Update, 20:45 Uhr: Monika Ermert geht bei Heise Online auf einige aktuelle Veränderungen ein. Man beachte insbesondere folgende Passage:

Allerdings fühlt man sich in der Staatskanzlei reichlich missverstanden, wenn der JMStV mit dem Zugangserschwerungsgesetz in einen Topf geworfen wird. Löschen und Sperren von Angeboten sei nach geltendem Recht bereits möglich. Anders als das Sperrsystem à la von der Leyen biete der JMStV Rechtsmittel für die Provider, die im Zweifel vors Verwaltungsgericht ziehen könnten.

Die Position, das Sperren auf Zugangsebene nach geltendem Recht bereits möglich sind, ist zumindest umstritten. Richtig ist zwar, dass die Bezirkregierung Düsseldorf  unter RP Jürgen Büssow mit ihrem „Pilotprojekt“ in NRW in allen bekannten Verfahren erfolgreich war. Dabei ist allerdings zu beachten, dass letzendlich keiner der betroffenen Provider den kompletten Weg durch die Instanzen gegangen ist.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

11 Ergänzungen

  1. Der zuletzt bekannte Entwurf enthält ja außer der (bereits dementierten?) Neudefinition des Anbieterbegriffes ja gar nicht so viel neues. Nur die Ausdehnung der Kennzeichnungspflicht(?) auf alle Inhalte – statt wie bisher auf offline-geratete Inhalte ist neu.

    Von daher sind viele Kritikpunkte (wie zum Beispiel die Sendezeitregelung die im Kommentar zugibt nur in Deutschland lebende Kinder schützen zu wollen) nicht erst in der zukünftigen Version ein Problem, sondern schon über 5 Jahre aktiv. Die Forderungen können also nicht nur sein – die Novellierung abzubrechen, sondern vielmehr endlich Nägeln mit Köpfen zu machen und die „Teledienst“ passagen endlich den Netz gegebenheiten anzupassen. Und vor allem auch deutlich zu reduzieren – denn die Entwicklungsgefährdung vieler Inhalte lässt sich doch nur sehr beschränkt allgemeingültig festlegen.

    Gruss
    Bernd

    PS: Ich bin vermutlich am Diesntag vor der Staatskanzlei in Stuttgart.

  2. Wenn man den Recherchen von Jörg Tauss Glauben schenkt und ich wüsste nicht warum seine Ausführungen nicht wahr sein sollten, ist eine zu große Zurückhaltung seitens der Regierenden zu verspüren, die nichts Gutes erahnen läßt. Die Piratenpartei Saarland hält somit an der geplanten Mahnwache vor der Staatskanzlei fest. Die Staatskanzlei selbst hält die Beantragung dieser Veranstaltung für zu kurzfristig und verweist dabei auf eine benötigte Vorlaufzeit bei der Polizei, die nicht mehr eingehalten werden könnte. Ist das der Versuch, des rechtsstaatlich legitimen Boykotts?

  3. @peter: Du hast Recht, die 6 monatige Frist, in der die Partei einen mangelhaften Tauss ohne Nachweis eigenen Verschuldens hätte reklamieren können, sind vorbei. Beim nächsten Mal werde ich es anders formulieren ,)

    @Johannes Döh: Ich hab’s ja dezent angedeutet, Tauss ist Experte auf dem Gebiet.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.