Im Kampf gegen Kinderpornographie kann es nicht schnell genug gehen. Ausser für das BKA.

Seit 2008 kämpfen „Innocence in Danger“ und das BKA gemein Im Oktober 2009 haben Union und FDP in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, dass das Prinzip im Kampf gegen Kinderpornographie im Internet zunächst „Löschen statt Sperren“ lauten soll. Vereinbart wurde u.a. eine Evaluationsperiode von einem Jahr, in der ausprobiert werden sollte, ob und wie schnell entsprechende Inhalte vom Netz genommen werden können. Zudem war eine Gesetzesinitiative zur Löschung kinderpornographischer Inhalte im Internet beabsichtigt (Was ist eigentlich aus der geworden?).

Am 17. Februar dieses Jahres erging schließlich seitens des BMI eine Anweisung an das BKA, dass das am 23. Februar in Kraft getretene Zugangserschwerungsgesetz (ZugErschwG)  gemäß den Vorgaben aus dem Koaliationsvertrag nicht umzusetzen sei. Statt Sperrlisten zu führen und Zugangssperren durchzusetzen, sollte das BKA die Staaten informieren, „in welchem die identifizierten kinderpornographischen Inhalte physikalisch vorgehalten werden“ und „nachdrücklich“ um deren Löschung bitten.

So, und nun die Preisfrage. Ab wann, liebe Leser, hat das BKA eine entsprechende Zusammenarbeit mit verantwortlichen Stellen in den USA begonnen? Die Antwort gibt Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger in einem lesenswerten Artikel von Chris Stöcker Konrad Lischka bei Spiegel Online:

„Es ist verwunderlich, dass eine intensivierte Zusammenarbeit mit den USA als Hauptstandort der einschlägigen Server erst im Mai 2010 begonnen hat.“

Nachtrag: Bei Golem gibt es Details

Erst seit diesem Zeitpunkt informiere das BKA die dortige Cybertipline, eine halbstaatliche Hotline, bei der kinderpornografische Inhalte gemeldet werden können und die vom National Center for Missing and Exploited Children (NCMEC) getragen wird. […]

Die entsprechenden Server stehen zu rund 50 Prozent in den USA.

Erst im Juni 2010 habe das BKA begonnen, auch mit Inhope zusammenzuarbeiten, so die Ministerin.

Anmerkung: Inhope ist das internationale Netzwerk der Providerhotlines. Sollten die Angaben korrekt sein, wäre das ein handfester Skandal. Schließlich war auch die Kooperation mit den Provider-Hotlines Bestandteil der Dienstanweisung aus dem BMI.

(via Chris Stöcker)

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16 Ergänzungen

  1. Das eigentlich schlimme an dem Spiegel-Artikel ist, dass es die Justizministerin braucht, aufzuklären, dass die genannten Zahlen aus dem ersten Halbjahr 2010 stammen, während das BKA erst im zweiten Halbjahr mit US-Amerikanischen Stellen richtig zusammengearbeitet hat.

    Gott verdammt … In meiner kleinen, beschaulichen und vor allem ignoraten Welt ist eigentlich die Presse dafür zuständig, solche Aussagen von Polizei, BKA, BND oder Politik zu hinterfragen und die Bevölkerung richtig aufzuklären.

    Stattdessen übernehmen Welt, Focus und anderen den BKA Scheißdreck unreflektiert …

  2. Also 17. Februar bis Mai (nicht näher erläutert) und das adjektiv „intensiv“ lässt auf schon vorherige, aber nicht „intensive“ Zusammenarbeit schließen… das sind also max 2-3 Wochen bis den Kontak hergestellt war… wie viel schneller soll das denn gehen?
    Allerdings glaube ich auch, dass die Zahlen dann so wohl nicht Schlüsse über (Miss-)Erfolge zulassen…

  3. @Proman: Von Februar bis Mai sind für mich 2 bis 3 Monate, nicht Wochen.

    Davon ab, die Diskussion kocht seit mindestens Ende 2008 auf richtig großer Flamme. Seit Mitte 2008 existiert die Kooperation zwischen IID und dem BKA. Die eigentliche Debatte ist schon deutlich älter, bisher durfte man annehmen, dass das BKA seit mindestens 10 Jahren engagiert gegen Kinderpornographie im Netz kämpft.

    Dem ist offensichtlich nicht so. Wäre das BKA tatsächlich an einer Beseitigung der Missstände interessiert und nicht bloß an Fallzahlen zur Legitimierung eine Zensurinfrastruktur, müsste es seit Jahren entsprechende Kontakte geben. Wie es sich jetzt herausstellt, gibt es sie nicht. Nichts. Niente, Nada.

    Das „intensive“ bezieht sich übrigens auf die vom BMI geforderte Zusammenarbeit mit den Hotlines der Provider in den USA, wie bei Golem nachzulesen ist:

    Erst seit diesem Zeitpunkt informiere das BKA die dortige Cybertipline, eine halbstaatliche Hotline, bei der kinderpornografische Inhalte gemeldet werden können und die vom National Center for Missing and Exploited Children (NCMEC) getragen wird. […]

    Die entsprechenden Server stehen zu rund 50 Prozent in den USA.

    Erst im Juni 2010 habe das BKA begonnen, auch mit Inhope zusammenzuarbeiten, so die Ministerin.


    Anmerkung: Inhope ist das internationale Netzwerk der Providerhotlines. Sollten die Angaben korrekt sein, wäre das ein handfester Skandal.

    Mit der internationalen Zusammenarbeit ist es auch sonst scheinbar nicht sonderlich weit her (Immer noch nicht!). Wie sonst ist es zu erklären, dass lediglich ein Prozent der Hinweise an das BKA von Interpol oder Europol stammt, wo Deutschland doch bekanntlich ein gern genutzter Standort für KiPo-Server ist? Will man sich etwa nicht gegenseitig die Honeypots vom Netz schießen?

    Das alles ist, mit Verlaub, vollkommen inakzeptabel. Übrigens ist die Studie auch sonst durchweg manipulativ angelegt. Bei Heise ist z.B. zu lesen: „40 Prozent der Webangebote, die Bilder sexuellen Kindesmissbrauchs zeigen, sind demnach eine Woche nach einem Hinweis der deutschen Ermittler noch abrufbar.“

    Das ist erschreckend, aber wenig überraschend, wenn man die Vorgehensweise in den USA kennt.

    Sobald ein ISP in den USA eine Meldung bekommt, wendet sich dieser zwecks Rückversicherung an das FBI. Das FBI braucht dann etwa eine Woche, um zu bestätigen, ob eine Straftat vorliegt oder nicht. D.h. eine Anfrage, die den offiziellen Dienstweg geht, _kann_ faktisch nicht in einer Woche abgeschlossen werden. Hier sind FBI und BKA gefordert.

    In der „Studie“ finden sie noch viele weitere solcher Punkte. Ich habe wirklich selten so einen methodischen Quark gesehen. Anders als mit Realitätsferne und Respektlosigkeit ist dieses Machwerk kaum zu erklären.

  4. @Jörg-Olaf Schäfers

    „Anders als mit Realitätsferne und Respektlosigkeit ist dieses Machwerk kaum zu erklären.“

    Und ob: Vorsatz.

    Vorsätzliche Täuschung der Öffentlichkeit ist durchaus eine sehr plausible Erklärung.

  5. Nachtrag: Es komme jetzt keiner, der darauf verweist, daß es sich schließlich um eine „interne“ Studie handele, die nicht für die Öffentlichkeit gedacht sei, denn genau das ist sie natürlich.

    Wäre sie intern, dann wäre sie nicht entsprechend meinungsschwanger begleitet in „Die Welt“ gelangt. Man darf davon ausgehen, daß das kein Zufall ist.

  6. Vorsätzliche Täuschung der Öffentlichkeit ist durchaus eine sehr plausible Erklärung.

    Natürlich. Das hatte ich unter Respektlosigkeit subsummiert. Nicht nur gegenüber dem Volk, sondern vor allem und zunächst einmal gegenüber dem Parlament.

    Man darf davon ausgehen, daß das kein Zufall ist.

    Natürlich nicht. Es sind die Zahlen, die die Hardliner um Bosbach in der Öffentlichkeit brauchen. Dummerweise lief der kleine PR-Stunt nicht ganz so sauber, wie geplant ,)

    Nun gut, nach dem Sommerpause wird’s spannend. Das hier ist erstmal lustiges Einschießen.

  7. Wie kommt es eigentlich, dass das BKA heute nur noch eine „Erfolgsquote“ von 60% hat, wo sie doch bei einer Bundestags-Anhörung am 17. März 2010 aussagten, dass binnen einer Woche 86 Prozent der „im Ausland gespeicherten Angebote“ löschen konnte (laut eco Meldung)? Tritt man beim BKA vielleicht absichtlich auf die Bremse?

  8. @Durden

    Das wäre zum Beispiel ein Punkt, den ich vom sog. Qualitätsjournalismus ausgebuddelt, verarbeitet und berichtet haben wollte. Aber nein, es werden einfach unreflektiert irgendwelche DPA-Meldungen und Schalgzeilen anderer Zeitungen abgekupfert, umgeschrieben und ausgeschmückt.

    Gibt es denn gar keinen investigativen Journalismus mehr? Aufdecken von unglaublichen Verhältnissen, Anprangern und Skandale veröffentlichen?

    Wohl nicht. Wenigstens wollen *DIE* ;-) ja bald Geld dafür und dann werden wohl viele, die sich zu geizig sind, für den Käse zu bezahlen aufwachen und die ersten zarten Versuche unternehmen sich selbst zu informieren.

    Greetz,
    GHad

  9. Interessant ist im übrigen auch das Web-2.0 Verständnis bei WELT.de. In der separaten Autoren-Meinung zur BKA-Meldung war gestern zeitweise die Kommentarfunktion deaktiviert. Jetzt darf man offiziell kommentieren, alle neuen Einträge werden aber unverzüglich gelöscht. Kann jeder mal selbst ausprobieren.

  10. nur noch eine “Erfolgsquote” von 60% hat, wo sie doch bei einer Bundestags-Anhörung am 17. März 2010 aussagten, dass binnen einer Woche 86 Prozent

    Die 86% waren ein Höchstwert, der im Januar 2010 erreicht wurde. ECO und BKA haben schlicht gegenläufige Interessen, entsprechend werden die ohnehin dürftigen „Evaluationsergebnisse“ ausgeschlachtet.

    Tatsächlich schwankt die „Erfolgsquote“ innerhalb des „Evaluationszeitraums“ (Ich habe die Präsentation vor mir, sie ist an methodischer Dreistigkeit auf gehobenem Pfeiffer-Niveau) aber erheblich.

    Gibt es denn gar keinen investigativen Journalismus mehr? Aufdecken von unglaublichen Verhältnissen, Anprangern und Skandale veröffentlichen?

    Ich möchte ja nicht kritisch wirken, aber die beiden Zitate ganz oben stammen aus Artikeln, wo ein Journalist nachgehakt hat. Einmal Chris Stöcker Konrad Lischka für SpOn, und parallel wohl auch Jens Ihlenfeld für Golem.

    Das mag nicht mehr oft passieren und bei diesem Thema und solchen Nitpickerereien schon gar nicht, aber man darf es auch mal lobend erwähnen.

    PS: Laut Präsentation wird INHOPE erst seit dem 07.06.2010 informiert. Und zwar über Jugendschutz.net. Die Evaluation läuft seit Januar und über einen Zeitraum von einem Jahr.

    D.h. nicht nur, dass durch den Umweg über Jugendschutz.net Zeit verschenkt wird, sondern auch, dass die Chance auf eine zeitnahe Löschung der Inhalte faktisch nicht genutzt wurde (Das Providernetzwerk Inhope reagiert in der Regel deutlich schneller, als wenn eine Hinweis durch die behördlichen Instanzen läuft). Noch Fragen?

  11. Leyen, Bosbach und die Guttenberg-T****, das sind Personen, bei denen ich lieber nicht äußere, was ich genau von ihnen halte und was mit ihnen eigentlich passieren müßte.

    Ach ja, was macht eigentlich Wiefelspütz? Hat ja lange geschwiegen. Ist wohl ausgeschieden?

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.