Im Internet ist alles erlaubt?

Der bald ehemalige Ministerpräsident von NRW, Jürgen Rüttgers, hat auf seiner Abschiedstournee nochmal mit einem Zitat zum Internet gepunktet:

„Wir brauchen so viel Selbstbestimmung und Eigenverantwortung im Internet wie irgend möglich. Aber es muss auch Regeln geben, zumal wenn elementare Standards des sozialen Miteinanders in Gefahr geraten. Es kann nicht sein, dass im Internet alles erlaubt ist. Vor allem Kinder und Jugendliche müssen wirksam vor Gefährdung geschützt werden. Wir brauchen klare Regeln im Netz – nicht um Freiheit zu beschneiden, sondern um Freiheit zu sichern.“

Stimmt. Auf den Gedanken sind aber vor ihm schon viele andere Politiker gekommen, die zahlreiche Gesetze verabschiedet haben, die klar belegen, dass im Internet nicht alles erlaubt ist. Nicht nur Abmahnopfer können ein Lied davon singen.

Update: Etwas unlogisch ist eigentlich der hintere Teil der Pressemitteilung, wie mir gerade aufgefallen ist:

„Viele Menschen stehen ratlos vor der digitalen Wissens- und Informationsflut. Für sie bedeutet der Umgang mit den neuen Medien eher Hürde als Chance. Damit droht die Spaltung der Gesellschaft in diejenigen, die mit dem neuen Wissen umgehen können und in diejenigen, die damit überfordert sind. Aufgabe der Politik muss es sein, vor allem Kinder und Jugendliche unabhängig von ihrer Herkunft für die Wissensgesellschaft zu befähigen. Die Jugendlichen müssen ein Gespür für die Qualität einer Information bekommen. Nur so können sie sich angesichts der Vielzahl an Informationen im Internet zurechtfinden.“

Es dürften ja eher die älteren Menschen sein, die den „Umgang mit den neuen Medien eher als Hürde“ denn als Chance sehen. Warum dann aber genau nur die Jungen befähigt werden sollen, sich „angesichts der Vielzahl an Informationen im Internet zurechtzufinden“, bleibt das Rätsel von Jürgen Rüttgers und seiner Öffentlichkeitsabteilung.

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19 Ergänzungen

  1. Der will und wird es nicht mehr lernen.
    Mit diesem Halbwissen geht er jetzt in Rente. Aber zumindest kann er nun kein Schaden mehr anrichten.

  2. Der liebe Herr Rüttgers macht sich Gedanken übers Internet. Wenn er glaubt, alles sei erlaubt, welche Seiten besucht er im Netz? Herr Rüttgers, klären Sie uns auf. Wir sind neugierig.

  3. Rüttgers kommt mit dieser Erkenntnis 15 Jahre zu spät… aber das passt zur CDU. Die sind mit allem immer spät dran. Nur wenn’s darum geht Ängste zu schüren, Menschen zu kontrollieren und Freiheiten einzuschränken, dann sind sie sofort zur Stelle.

  4. *EDIT: Aber wenn man den Leuten erzählen würde daß es schon Gesetze für und gegen alles und jeden mit Bezug aufs Internet gibt, dann würde die internetferne CDU-Wählerschaft ja am Ende noch fragen warum man so ein Schreckensszenario aufbaut…

  5. ein bißchen was ist dran an der Sache, wenn man seinen letzten Absatz so interpretiert, dass er sich mehr Medienzugang für sozial schwächere Kinder/Jugendliche wünscht (-> Computerzugang in der Schule für alle)
    Wäre allerdings seeeehr positiv interpretiert.

    Zumeist ist es allerdings wirklich so, dass die meisten Jugendlichen durchaus allein aufgrund ihres Umfeldes sehr gut mit dem Internet umgehen können und sich auch leicht Standpunkt & Gegenstandpunkt erschließen. Alleine weil man sehr schnell über deutlich ironische, überzogene oder polemisierende Beiträge stolpert, die eben *nicht* – im Gegensatz zu Printmedien – versuchen, dies zu verbergen. Und das schult.

    Bei den meisten Erwachsenen älteren Semesters vermisst man das manchmal. Da hat meist eine Quelle recht und das glaubt man dann. Weil man das ja schon so gewohnt ist.
    Ist ja auch egal, ob aus Kohlenstoff in der BILD dann ein „farb- und geruchloses Gas“ wird ;)

  6. Es kann nicht sein, dass in der Politik alles erlaubt ist – ohne dass diesen leeren Phrasen sofort und von allen Seiten widersprochen wird.

    Langsam nervt dieses Hund-vom-Schwanz-aus-wedeln für die populistische Gefälligkeit.

  7. Der Gutste hat aber kein Problem damit, Menschen in besseren Schliessfächern zu verwahren. Er sollte sich mal vorzustellen versuchen, wie viele seiner Geschwister bei seiner Zeugung anwesend waren. PFUI, Arbeiterkind!

  8. ja, im internet ist alles erlaubt. beispiel gefällig?

    herr rüttgers, sie sind ein arschloch…ohne verlaub.

  9. Scheint mir, als möchte er auf diese Weise seine gescheiterte Politik in Sachen Bildung in NRW „wieder gut machen“.

    INTERNET FÜR ALLE ALS ERSATZ FÜR MAGERE SCHULEN UND UNIS!

    So leicht geht es aber nicht, Herr Rüttgers. Daher ist es gut, dass SIE gehen!

  10. Zu „überfordert“: An dem Punkt muss ich Herrn Rüttgers aber Recht geben – obwohl diese Kinder und Jugendlichen mit dem Internet aufgewachsen sind heißt das anscheinend nicht, dass sie auch damit umgehen können. Die richtige Nutzung von Suchmaschinen und das Auswerten von Informationen ist keineswegs jedem Benutzer bekannt. Für ein Referat sucht man nicht mehr in Büchern und liest sich dort eine Einführung durch oder so – man googelt, findet in den ersten Ergebnissen Lexikoneintragungen (die sich teilweise widersprechen), Fachmagazine (die keine grundlegenden Informationen sondern nur vertiefende bieten), Hersteller eines auf die Suche bezogenen Produktes (der seine Produkte hochpreist, die in speziell gelagerten Sonderfällen wirklich toll sind). Wie kann man dieser Informationsflut Herr werden? Viele geben schon nach dem Wikipedia-Artikel auf, da der entweder vernachlässigt wurde (keine Information) oder von einem Besessenen drei Monate lang bearbeitet (zu viel und zu komplexe Information). Wie filtert man da die für das eigene Thema substanziellen Sachen heraus?
    Viele scheitern schon beim Unterstreichen der Texte (die Seite muss also doch wieder ausgedruckt werden…). Sie strukturieren ihr Referat nicht nach Inhalt sondern nach Powerpoint – und konzentrieren sich auf beeindruckende Animationen. Das sehe ich regelmäßig bei Oberstüflern, Studenten an Unis und Studenten an FHs. Es ist traurig.
    Dazu kommt das neue Phänomen tl;dr, von dem ich gar nicht anfangen möchte.

  11. „Damit droht die Spaltung der Gesellschaft in diejenigen, die mit dem neuen Wissen umgehen können und in diejenigen, die damit überfordert sind.“

    Wir haben doch viel signifikantere Spaltungen:

    Mann – Frau
    Arbeit – slos
    Abitur – falsche soziale Herkunft
    … – …
    Ich kann mir nicht vorstellen, daß sich die CDU/CSU sich an das ‚christlich‘ in ihrem Namen erinnert, oder gar an an das ‚demokratisch‘; ’sozial‘ klingt doch wie Sozialismus …

    Da forderte doch gestern jemand IQ- Test für …?, war wohl auch wieder eine Randgruppe betroffen, selbst schuld, wenn jemand so unvorsichtig in der Wahl seiner Eltern war …

    Aber daß ich und Du, und Du auch, hier im ‚rechtsfreien Raum‘ unsere Meinung kund tun können, daß geht nun wirklich zu weit, das ist doch kommunistische Gleichmacherei. Das gehört verboten!

  12. @12: Das gescheite recherchieren ist nicht nur etwas, dass man im Internet beherrschen muss.

    Auch in Fachzeitschriften oder Fachpublikationen stehen viele Dinge, die z.b. für ein einfaches Schulreferat schlichtweg zu sehr ins Details gehen, weil sie die Grundlagen als gegeben voraussetzen.

    Das Gewichten und Bewerten von Informationen ist also keine Kunst, die man nur fürs Internet braucht sondern auch in der Analogen Welt.

    Und was die Wikipedia-Artikel angeht: Es ist möglich, Verbesserungen von Struktur, Aufbau und Inhalt solcher Artikel vorzuschlagen. ;)

  13. „Die Jugendlichen müssen ein Gespür für die Qualität einer Information bekommen. Nur so können sie sich angesichts der Vielzahl an Informationen im Internet zurechtfinden.“

    Klingt für mich wie:
    Wir müssen den Kindern beibringen nicht auf diese ganzen ketzerischen Blogs und Gefährderseiten in diesem Internetzdingens zu hören.
    Viel mehr sollten die Kids nur Infos aus staatlichen Stellen als wahr und richtig ansehen…

  14. “Die Jugendlichen müssen ein Gespür für die Qualität einer Information bekommen. Nur so können sie sich angesichts der Vielzahl an Informationen im Internet zurechtfinden.“

    Ich denke, #17 Stachel trifft es schon ganz gut mit der Erklärung „nicht auf diese ganzen ketzerischen Blogs und Gefährderseiten in diesem Internetzdingens zu hören.“ Ich würde aber „staatliche Stellen“ durch Rundfunk und Zeitungen, also etablierte Medien, ersetzen. Denn immerhin hat Rüttgers diese Worte gestern auf dem Medienforum NRW gesagt – einer Veranstaltung, bei es ganz wesentlich darum geht, dass Verlags- und Sendervertreter sich ihrer eigenen Bedeutung vergewissern, in der seligen analogen Vergangenheit schwelgen (wobei sie möglichst oft die „digitale Zukunft“ erwähnen) und sich ihres Rückhalts in der Politik versichern.

    Vor diesem Hintergrund ist ziemlich klar, was Rüttgers gemeint hat: Kinders, wenn ihr Euch schon in diesem Interdingens herumtreibt, anstatt eine ordentliche Tageszeitung zu lesen, oder die „Tagesschau“ zu gucken, dann nutzt wenigstens den Qualitätsjournalismus im Internet. Denn da weiß man wenigstens, dass nur überprüfte Fakten berichtet werden und keine interessengesteuerte Berichterstattung betrieben wird…[Ironie aus] Ungefähr darum ging es beim Medienforum nämlich auch heute.

  15. Das mit den Kindern muss man wahrscheinlich nicht so ernst nehmen; welcher Politiker kann es sich heutzutage schon leisten, NICHT an die Kinder zu denken? Jeder klar denkende Mensch weiß, dass die Jüngeren immer mehr Ahnung von der Technik ihrer Zeit haben als die Älteren, selbst wenn es nur um Google und Facebook geht. Da wollte Rüttgers einfach der Stammwählerschaft seiner Partei nicht direkt sagen, dass sie nicht hinterherkommen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.