„Ich habe über das Problem auf Internetseiten gelesen, die die Wahrheit schreiben“

Letzte Woche machte eine ePetition die Runde, die ein Verbot von Heilmitteln in der EU zum Thema hatte. Vor allem in den letzten Tagen erreichte die Petition eine massive Mobilisierung, letztendlich 110.000 Mitzeichner und ist damit eine der erfolgreichsten ePetition beim Deutschen Bundestag. Das Problem an der Sache: So wichtig das Anliegen ist, aber die in der Petition zitierte EU-Richtlinie gibt es nicht und damit fällt die Petition in sich zusammen. Über die Hintergründe schreibt die Taz jetzt: Dubiose Aktion für Heilkräuter.

Und da gibts einen Money Quote der Petentin:

„Ich bin keine Juristin.“ Warum sie dann die Eingabe überhaupt geschrieben hat? „Ich habe über das Problem auf Internetseiten gelesen, die die Wahrheit schreiben“, sagte die die Baden-Württembergerin der taz. „Dann habe ich mich aufgeregt und ganz spontan die Petition aufgesetzt.“

Wahrheit ist halt immer relativ.

Lustigerweise fällt der der Taz das auch jetzt erst richtig auf. Vergangene Woche gabs noch in einem ihrer Blogs einen Mobilisierungsaufruf: Pharmalobby kämpft für Verbot von Heilpflanzen.

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37 Ergänzungen

  1. Dass so eine Hoax-Petition derart enormen Zulauf erfährt ist alles andere als überraschend. Wenn man sich mal anschaut, was die unter Politikern seit Jahren grassierende Verbotiritis alles erfasst hat, dann ist die Meldung, dass dieses oder jenes ebenfalls bald verboten werden soll, so alltäglich wie der Wetterbericht.

    Diese Petition sollte die Gesetzgeber (auf allen Ebenen) mal zum Nachdenken anregen, bevor sie losrennen und das nächste Verbot fordern, in dem Glauben damit ein paar Wählerstimmen herbeipopulisiert zu haben….

  2. Soll das Ganze also heißen, dass die ePetitionen vor der Freigabe überhaupt nicht inhaltich geprüft werden? Man könnte sich also eine Petition gegen das (bestimmt!) kommende EiGeWo (Eigentumsgesetz am gedachten Wort) ausdenken, nach dem angeblich jeder gedachte Gedanke automatisch in das Eigentum der Medienindustrie übergeht, und die Petition würde ungeprüft veröffentlicht? Das kann doch nicht sein!

  3. Ähm….

    a) Seite 2 ab „1. Dem Artikel 1 werden folgende Nummern angefügt:“ auf http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2004:136:0085:0090:de:PDF

    b) Ab Seite 9 „TITEL I BEGRIFFSBESTIMMUNGEN Artikel 1 Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet:“ auf http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CONSLEG:2001L0083:20070126:de:PDF und ferner ab Seite 22 in diesem PDF.

    Das Problem ist, dass damit jedes pflanzliche Mittel wie z.B. ein Heiltee zugelassen werden muss (Kosten 5 bis 6 stelliger Eurobetrag) und kleine Firmen dies nicht stemmen können. Bei für die EU neue ausländischen Heilpflanzen die Dokumentierung wie sie im Artikel 16c nicht zu erbringen ist und somit nur große Firmen dies stemmen können.

    Dieses PDF zeigt einige zusätzliche Probleme noch auf: http://www.anh-europe.org/files/100713_ANH-Briefing_Paper_THMPD_German.pdf

    Sorry, die EU-Richtlinie exisitert und die Auswirkungen dürften auch ziemliche Wellen schlagen….besonders da auch eine White-List mit Heilpflanzen eingeführt wird und damit der eigene Import (Bestellung im Internet) zum persönlichen Gebrauch (z.B. Kawa Kawa) unter das AMG (Arzneimittelgesetz) fällt, der Zoll lässt grüßen und beschlagnahmen….und zudem die Gremien mit Pharmavertretern besetzt sind und dreimal darfst Du raten wie die wohl entscheiden werden….wenn was pflanzliches zugelassen werden soll….

    bombjack

    1. @markus & @bombjack: Soll das heißen, dass angebliche oder doch nicht EU-Richtlinien von der Netzpolitik-Redaktion ungeprüft als Hoax bezeichnet werden? (bloß, weil die Taz das schreibt) ? ;-)

  4. Ich verweise zu dem Thema einmal auf den Blog von astrodicticum (Florian Freistetter), da liest sich das ganze viel unaufgeregter.
    (Link: http://bit.ly/bUzNM9 )

    Aber man kann das natürlich alles ganz anderst sehen.

    @bombjack: Irgendwie gefällt mir die Seite von diesem anh-europe.org nicht, zumal da jemand nicht klar und offen auftreten will oder warum die anonyme Domainregistrierung..

    1. @Volker hm.. ja, nach der Lektüre der Erläuterungen von Florian Freistetter liest sich das alles wirklich unaufgeregter.
      Müssen sich wohl einige doch eingestehen einem Hoax auf den Leim gegangen zu sein ^^
      Und ich stimmte Guido zu, dass nun evtl. zukünftige Petitionen geschwächt werden könnten, wenn sich die Politik darauf berufen kann, dass dort nur Esoteriker, Verschwörungstheoretiker und Querulanten fiktive Petitionen einstellen.
      Ich frage mich allerdings, wie weit eine hoffentlich sachliche und inhaltliche Vorab-Kontrolle für Petitionen gehen kann, darf oder muss, ohne dass gleich wieder eine Relevanz- oder Zensurdebatte entsteht ^^

  5. Richtig lustig wird das ganze ja erst noch wenn es dann EU petitionen gibt … nach dem derzeitigen Entwurf der Richtlinie wird da z.B. die Zulässigkeit geprüft nachdem 300.000 statements eingegangen sind. Insgesamt sind eine million nötig, und natürlich nicht alle aus dem gleichen land. Dauert aber noch ein Weilchen … wäre aber natürlich nützlich wenn es für die Möglichkeite online zu unterzeichnen dann schon ein framework gibt das alle datenschutzvorgaben und andere formelle vorgaben berücksichtigt.

  6. @bombjack

    Gratulation, du hast entdeckt, dass man in Richtlinien Begrifflichkeiten klärt, bevor man sie benutzt um Dinge zu regeln.
    Nur die Verschwörung finde ich da irgendwie nicht so ganz.

    Versuchs mal mit §2 und §39a-d AMG.
    Interssant auch Artikel 16a der Richtlinie, die sagt nämlich was man überhaupt so zulassen kann.

    Das Paradoxe ist, dass die Richtlinie dazu gedacht ist, Fertigarzneimittel ohne Wirknachweis weiter am Markt lassen zu können.
    Deswegen der Eiertanz der Wirkplausibilität durch langjährige Anwendung.
    Aber naja… Jehova Jehova!

    Wenn man nur die Wahrheit liest, haperts manchmal mit den Fakten.

  7. @Volker

    Hm….ich sehe es mal so

    a) aus „Nahrungsergänzungmitteln“ werden Arzneimittel die dem AMG unterliegen….und damit wird auch der Import zum persönlichen Gebrauch eingeschränkt….

    b) Pflanzen die sich auf der Liste befinden, fallen damit unter das AMG

    c) durch die Harmonisierung sollen in der EU die diversen nutzbaren Lücken gestopft werden, dass alles unter dem Motto des Verbraucherschutzes.

    d) Der Arzneimittelbegriff (vgl. Seite 9 http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CONSLEG:2001L0083:20070126:de:PDF ) ist so allgemein formuliert, dass Artikel 1 Nr. 2 Buchtabe b) auch für Kaffee gilt, sofern er zum Wachbleiben getrunken wird d.h. wenn ich auf eine Packung Kaffee einen Aufkleber mit „Hält Wach“ klebe ist es nach dieser Definition ein Arzneimittel.

    Meiner Meinung nach kann es in die Richtung „Ist nicht so wild“ gehen, allerdings eben auch in die andere Richtung…..mal abwarten und einen Heiltee trinken……oder Kawa Kawa ;-) den es in Hawaii immer gab…..

    bombjack

  8. Ist doch lustig … und selbst im schlimmsten Fall noch mal gut gegangen – aus Fehlern kann man schließlich auch lernen.

    Gruß
    Kamille*-Kapelle
    Kamipelle
    Kapille …

    *http://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/0,1518,728471,00.html

  9. Bei mir hat die EPetition 121819 Unterzeichner.

    „Internetseiten gelesen, die die Wahrheit schreiben“
    Also wenn die im Petitionsausschuss so einen Satz rausbringt, dann steckt man sie gleich in die Verschwörerecke. Ich traue generell niemanden, der meint er wüsste die „Wahrheit“.

    Hat jemand die EPetitionsanhörung zum BGE gesehen? Die Petentin hat auf fast alle Fragen geantwortet „Weil ich es gut finde“, „Weil es schön wäre“. Und der andere Petent war gar nicht da da.

    Ich denke für eine gute Petition bedarf es in erster Linie einer guten Petentin, die von einem entsprechenden Expertengremium im Vorfeld unterstützt wird.

  10. Ist das nicht eher peinlich für den Petitionsausschuss, dass so was angenommen wird? Ein paar Prüfpflichten sollten doch schon da sein oder was macht der Ausschuss?

  11. Naja, von diesen ganzen Homöpathiegläubigen kann man ja nicht erwarten, dass sie recherchieren, nachprüfen, nachdenken. Insofern verwundert es nicht, dass so viele auf so einen Quatsch reinfallen. (Mich wundert es nur, dass so viele einen Computer zu haben scheinen, der strahlt doch so böse…)

    Gab es eigentlich schon eine ePetition gegen das Glühbirnenverbot…? :)

  12. Schönes Beispiel, wie im hypererregten virtuellen Raum nahezu alles ungeprüft übernommen, kommentiert und dafür oder dagegen agitiert wird. Und wie jetzt versucht wird, anderen (der EU; dem Petitionsausschuss) die Schuld zu geben.

  13. Die Technikabteilung unserer Fachhochschule hat die Petition mit der Bitte um Mitzeichnung an alle Studierende versendet…

    @Wanderer: So würde es aussehen… Es hätte eigentlich nur noch gefehlt, dass die Bildzeitung aufgefordert hätte die Petition zu unterzeichnen :D

  14. Ich muss zugeben: ich habe unterzeichnet. Aber ich habe auch nach Infos gesucht, und keine Gegeninfos gefunden. Dann habe ich noch eine Ärztin gefragt, die sich mit Heilpflanzen beschäftigt und die hat mir gesagt, sie hätte auch unterschrieben.
    Klar war’s nicht gut formuliert, und das mit den Grosskonzernen ist mir auch aufgestossen (deshalb hatte ich ja versucht zu recherchieren), aber ich habe diese Informationen („ist nicht geplant“) nicht gefunden.
    Ich hätte ehrlich gesagt auch gedacht, dass die Petitionen auf Stichhaltigkeit geprüft werden…

  15. Ich finde es als Gartenfreak immer erstaunlich, warum gewisse Hanfgewächse verboten sind, wobei man sich doch an der Datura abarbeiten sollte.

    Diese wunderschöne Gartenpflanze (auch in der Wildform auf jeder Baustelle in sandigem Grund zu finden) ist richtig tödlich.

    Sie wird geraucht, gefressen, abgegrast, weil sie ja sowas von geil ist. Verboten? Nö. Soll aber auch den Darm durchblasen. Heilmittel. Aber sicher.

    Ich bin dafür, daß jeder Mensch das grasen darf, was die Kuh auch abschnackelt.

    Heilkräuter?

    Ich kenne einen Typen, der hatte eine Basilikumvergiftung.

    Guten Appetit.

    Kann sich dieser Drecksstaat jetzt endlich mal daraus halten, was Menschen zu sich nehmen?

    Ich schreibe ganz klar:

    Fresst Fett, raucht, sauft, fresst alle giftigen Pflanzen (lasst das harmlose Hanf, hat kaum Wirkung), fresst lieber Fliegenpilze (super geil giftig) und geht überhaupt mal wieder auf die Weide.

    Rein mit dem Kraut!

  16. Wer sich im Netz bewegt, weiß wie viele paranoide Menschen versuchen dir Verschwörungstheorien aufzuschwatzen.

    Dagegen hilft nur: skeptisch bleiben!
    Denn, was ist schon Wahrheit?

  17. @ All

    Bitte mal den Link von „Pet“ http://blogs.taz.de/drogerie/2010/11/13/petition_arzneimittelwesen_wirklich_eine_dubiose_aktion/
    durchlesen…hier mal ein Auszug der genau das Problem beschreibt was ich sehe:
    […]
    Fenchel und Pfefferminze

    Keine Angst: Fenchel wird es weiterhin im Gemüseregal der Supermärkte geben und auch Pfefferminztee wird weiter erhältlich sein. Doch getrockneter bitterer Fenchel und dessen zerkleinerte respektive zerstoßene Frucht als auch getrockneter süßer Fenchel und dessen zerkleinerte oder zerstoßene oder pulverisierte Frucht gelten gemäß Entscheidung der Europäischen Kommission vom 21. November 2008 (2008/911/EG) als Arzneimittel. Getrockneter Fenchel kann bis jetzt im Handel als Fenchel-Gewürz gekauft werden. Gestützt auf die Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel, insbesondere auf Artikel 16 Buchstabe f, und gestützt auf die Gutachten der Europäischen Arzneimittel-Agentur, die am 7. September 2007 vom Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel abgegeben wurden, kann der freie Verkauf von getrocknetem Fenchel in Zukunft außerhalb des Arzneimittelhandels verboten werden.

    Pfefferminztee wird es bis auf weiteres im feien Handel geben, Pfefferminzöl, das durch Dampfdestillation aus den frischen oberirdischen Teilen der blühenden Pflanze gewonnene ätherische Öl, wird es in Zukunft jedoch nur noch im Arzneimittelhandel geben dürfen. Gemäß Beschluss der Europäischen Kommission vom 25. März 2010 zur Änderung der Entscheidung 2008/911/EG zur Erstellung einer Liste pflanzlicher Stoffe, pflanzlicher Zubereitungen und Kombinationen davon zur Verwendung in traditionellen pflanzlichen Arzneimitteln (2010/180/EU) und gestützt auf das Gutachten der Europäischen Arzneimittel-Agentur, das am 6. November 2008 vom Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel abgegeben wurde, ist Pfefferminzöl als Arzneimittel deklariert worden. Ob auf Grund dieser Klassifizierung Pfefferminzöl von Herstellern, die keine arzneimittelrechtliche Zulassung haben, in Zukunft noch als Duftstoff (z.B. für die Aromatherapie) verkauft werden darf, ist äußerst fraglich.

    Um Arzneimittel produzieren zu dürfen, benötigt ein Betrieb eine Zulassung vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte und eine spezielle Herstellungserlaubnis vom Land. Dazu sind nach Auffassung der Behörden pharmazeutisch ausgebildetes Personal und spezielle räumliche Voraussetzungen erforderlich. Die Kosten für eine Zulassung und für die Herstellungserlaubnis liegen regelmäßig im sechsstelligen Eurobereich. Diese Investitionen sind für bäuerliche Kleinbetriebe schlicht nicht machbar. Damit verlagert sich deren Produktionsanteil auf wenige große Hersteller. Kein Wunder also, dass einer der größten deutschen Produzenten, Salus, die Petition, die gegen diese Konzentration der Produktion auf wenige Betriebe gerichtet ist, als »groben Unfug« bezeichnet.
    […]

    Ergänzend sollte man noch Anfügen, dass die Eintufung von einer Pflanze oder eines etherischen Öls als Arzneimittel nicht nur Auswirkungen auf den eigentlichen Hersteller, so wie im Zitat beschrieben hat, sondern auch auf „Zwischenverkäufer und -anwender“. Z.B. bietet jemand einen Workshop „etherische Öle“ an und lässt seine Teilnehmer aus Pfefferminzblättern Pfefferminzöl herstellen, kommt er in Konflikt mit der Verordnung.

    bombjack

  18. Es gibt ja noch eine andere Petition zu diesem Thema: Die für eine Gleichstellung der alternativen Heilberufe mit der Schulmedizin! Was immer die EU-Richtlinien nun besagen (auch die TK arbeitet in Berlin dagegen, und die sagt, bis das bei uns Wirksamkeit erlangt, kann es noch lange dauern, länger als dieser Gesundheitsminister im Amt ist), hier kann man es ja von der positiven Seite her versuchen. Es ist die Petition 14388. Link auf der angegebenen Website.

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