Großbritanien beschliesst Gesetz über die Digitale Wirtschaft

Grossbritanien ist jetzt fit fürs digitale Zeitalter. Sagt zumindest die Politik, nachdem sie ein Gesetz über die Digitale Wirtschaft („digital economy bill“) heute verabschiedet hat (Muss noch durch das House of Lords, aber das ist eine Formsache). Dabei ist eine Rahmengesetzgebung herausgekommen, die erfolgreich von den Rechteverwertern übernommen wurde und ihre Positionen weitgehend wiederspiegelt. Kein Wunder, immerhin haben die Rechteinhaber die ganze Debatte dominiert und als einzige Frage bleibtfür viele Aktivisten im Raum: Waren die Politiker gekauft oder nur zu dämlich, die technologischen und gesellschaftlichen Auswirkungen zu verstehen? Wahrscheinlich war es eine Mischung aus beidem.

Herausgekommen sind Netzsperren für p2p-Webseiten, Haftungsverschärfungen für Provider und Inhalte-Anbieter und ein 2-Strikes-Modell, was aber ausbaufähig sein soll (nach dem 2. Schritt muss ja irgendwas folgen). Klingt alles nach aktuellen Forderungen im ACTA-Abkommen, das ja von denselben Lobbys dominiert wird.

Guardian: Digital economy bill exposes broken system.
Spreeblick: Großbritannien bekommt “Three Strikes” mit dem Abwasch.
Spiegel: Rechteindustrie triumphiert – Briten beschließen restriktives Gesetz gegen Raupkopierer.
Zeit: Briten beschließen Netzsperren.

Analysen zur digital economy bill gibt es im Blog von Monica Horten, u.a. dieser Beitrag zur Verabschiedung: DE Bill rammed through UK Parliament in 2 hours .

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19 Ergänzungen

  1. hallo Markus…..das könnte mein Finger sein! Den habe ich bei Heise erhoben, als ich den Artikel las.
    No way man…diese Irrläufer, es lebe Gallien. Ich mag keine Römers…

    Ich fasse es nicht, selbst WikiLeaks wollen diese „Banausen“ sperren (Copyright). Was der MI5 und der US-Geheimdienst nicht geschafft haben, das soll jetzt die Sperre der Industrie / Musik Lobby bewirken ?

    Mit welchem Unwissen ( vermutlich ) und dem „gekauftem“ Einfluss ( ebenso vermutet ) der Industrie haben diese Muppets sowas entschieden….Auf all die Klagen der Gegner ( Fotojournalie etc. )und ohne ausreichende Diskussion wurde das Gesetz verabschiedet ( 189 to 47 ).

    Einfach nur DOOM. Damit bricht ( vermutlich ) der Damm in der EU. Schwedens Export Malmi wird sich vor Freude selbst beklatschen.
    Genauso wie vermutet, wird dies eine Richtung sein, um unliebsame Einträge zu entfernen, dem Lügensystem Tür und Tor zu öffnen, nur noch staatliche Informationen zu verbreiten und Kritiker auszublenden. Hurra, es lebe das System.

    Was kommt als nächste Attacke? Aufhebung des Briefgeheimnisses, da sich in jedem Umschlag ein Taliban verstecken könnte ? Oder gar eine kritische Message ( an eine Organisation für Menscherechte, Gewerkschaft oder an einen Anwalt für Arbeits/Sozialrecht ?? )

    So bleibt die Hoffnung auf eine eindeutige, klare und richtungsweisende Entscheidung aus Germany. No Censorship, safe human rights !

  2. Mir wird schlecht, wenn ich an den Sabber denke, den einige Politiker jetzt in Deutschland produzieren werden.

    Mal sehen, wie lange es braucht, bis das Gesetz als „wichtiges Zeichen“ aufgegriffen wird. Im Zuge dringend notwendiger „Harmonisierung“ der Gesetzeslagen muss das möglichst bald auf EU-Ebene oder direkt in Deutschland in den Bundestag diskutiert werden.

    Aber wahrscheinlicher ist, dass sowas schon bei einigen neuen Villen und Sportwagenbesitzern unter den Bundestagsabgeordneten in der Schreibtischschublade liegt.

    Honestly, ich bin dankbar for netzpolitik.org, die Zensursula Petition und die Piraten. Ohne das Gefühl nicht allein zu sein unter den Copyright-Skeptikern würde ich platzen.

  3. Drüben auf carta.info sieht Robin Meyer-Lucht das eher gelassen.

    Wie dieser Versuch ausgehen wird, scheint völlig offen. Und wer für einen fairen Ausgleich zwischen Nutzer- und Urheberrechtsinteressen ist, kann letztlich nur begrüßen, wenn Dinge ausprobiert werden. […] Wer allerdings per se gegen mehr Urheberrechtsdurchsetzung im Netz ist, den könnten die Schritte Großbritanniens beunruhigen.

    Ja, die armen Urheber. Dass es um die nicht im geringsten geht, muss ich hier wahrscheinlich niemandem sagen. Aber ich würde auch nicht behaupten, dass Robin Meyer-Lucht irgendwie versteht, was es mit diesem Internet auf sich hat.

    1. @Tharben: Da hab ich eine andere politische Einstellung als Robin Meyer-Lucht. Beim Urheberrecht wird seit Jahren zuviel ausprobiert – was immer dazu führt, dass noch mehr Nutzerrechte abgebaut werden.

  4. Muss man eigentlich noch weiter Gebühren an den Provider abführen, wenn der Internetanschluss zwangsgekappt wird und vielleicht noch 20 Monate der 24-monatigen Knebelvertragslaufzeit übrig sind? ;)

    Wäre ja eigentlich ein nettes Sonderkündigungsverfahren :D

  5. @Andy (#6)

    Eine kurze Google-Suche hat folgendes ergeben. heise.de vom 23.09.2009:

    Während der Auszeit muss er zudem die Providergebühren weiter bezahlen.

    Allerdings gilt das für die französischen 3strikes. Wie korrekt diese Info ist und ob das auch in UK gelten soll, kann ich nicht sagen.

  6. Das Problem ist doch eigentlich seit bald 10 Jahren das gleiche: die Musikindustrie besteht vehement auf ihrem Recht, im ewigen Tiefschlaf verharren zu dürfen was die technologische Entwicklung angeht. Konnte man Napster noch den Saft abdrehen indem man willige US-Richter gekauft hat, so hat man in den vergangenen paar Jahren immer weiter direkt die ReGIERungen rund um die Welt hofiert und für das Ansinnen einer rigorosen Besitzstandswahrung begeistert.

    Die etablierte Content- und Musikindustrie liefert seit mittlerweise mindestens 15 Jahren nur noch völligen Ramsch, austauschbare Künstler und nichtssagende Musik zu überteuerten Preisen für Ton- und Medienträger. Daß die Verbraucher irgendwann nicht mehr eingesehen haben das weiter mitzutragen, hat Filesharing a la Napster oder Kazaa überhaupt erst möglich gemacht. Die Content-Industrie wurde ganz einfach völlig auf dem falschen Fuß erwischt, was man auch daran sah daß es volle fünf Jahre gedauert hat bis sie es hingekriegt hatten tragfähige legale Download-Alternativen für Musik und Filme bieten zu können.

    Und nun hat man nun den Salat, daß Filesharing Teil der digitalen Kultur geworden ist, ob man es nun wahrhaben will oder nicht, und so schnell nicht auszurotten ist. Es sei denn natürlich, man sieht den Konsumenten als Wurzel allen Übels und will ihn dafür bestrafen, daß er die überkommenen verstaubten Geschäftsmodelle der Content-Industrie nicht länger finanzieren will.

    Also müssen Gesetze her, die gewissermaßen einer digitalen Todesstrafe gleichkommen, weil nun mal nicht sein kann was nicht sein darf. Die netzpolitisch analphabetischen Politiker die die Digital Economy Bill durchgewunken haben, haben sich hierbei als nützliche Idioten erwiesen. Damit wird immer noch kein einziger legaler Ton- und Medienträger zusätzlich verkauft, aber die Content-Industrie kann sich selbst auf die Schulter klopfen daß sie es in gewisser Weise geschafft hat den alten status quo wieederherzustellen. Daß dabei Grundrechte verletzt und die freie Meinungsbildung und -äußerung der Betroffenen gefährdet wird, wenn kümmert’s – dafür kann doch die Content-Industrie nicht verantwortlich gemacht werden! Sie wäscht was dies angeht ihre Hände in Unschuld, obwohl in Wirklichkeit jede Menge Blut an ihnen klebt.

    Anstatt auf politischer Ebene über geheime Hinterzimmer-Politik und Lobbyistenrunden solche Fakten zu schaffen, sollte sich die Content-Mafia lieber überlegen, wie sie auf Wettbewerbs-Ebene den Kampf gegen illegales Filesharing gewinnen kann. Konkurrenz hat noch immer das Geschäft belebt. Aber am Ende nützt Konkurrenz halt immer nur dem Verbraucher und nicht dem Hersteller, also schaltet man lieber jegliche Konkurrenz aus indem man sich mit der Politik ins Bett legt.

    An die Adresse der Politiker gerichtet die das Gesetz in England durchgewunken haben kann man hierbei das schöne englische Sprichwort zitieren: If you lay down with dogs, you wake up with fleas!

  7. Es geht, @ Andreas, nicht alleine um Musik und Filesharing.

    Die Eindämmung der Meinungsfreiheit ist das Ziel. Warum sonst will die Briten Regierung WL „abschalten“ ? EU inklusive.

    Unbequeme Informationen über Massaker durch psychisch maltretierte Soldaten aus Parris Island z. B. oder Politiker, die sich für Werbeaufnahmen mit wichtigen Unternehmern posieren, damit auch alle glücklich sind. Dazu Blogger, die sich „Gedanken“ machen, was dem geneigten User ja nicht zuzutrauen ist. Könnte sich ja neg. auf eine kommende Wahl auswirken.

    Du kannst froh sein, dass hier noch „relativ frei“ gepostet werden darf, denn auf Welt Online z. B. wird ganz schnell „Zensur“ betrieben. Schwupps, Kommentare nicht mehr erlaubt. Das ist dann Demokratie nach Gutsherrenart. Was fürn Witz.

    Es läuten bereits die Glocken für eine Zensurinfrastruktur in Europa. Countermeasures to go..now.

  8. Raus aus diesem Blog!

    Nein, im ernst, ich werde den Eindruck nicht los, dass sehr viele Netzaktivisten mit den richtigen Argumenten auf ihren eigenen Plattformen verharren, ein Akt der Selbstbeweihräucherung sozusagen.
    Geht raus und verkündet eure Argumente! Schreibt Kommentare in den entsprechenden Artikeln der SZ, der Zeit, ja sogar bei SPON und Bild. Oder um es in Neudeutsch auszudrücken: Holt die Leute ab, vor allem die, die nicht so technikaffin sind. Die lesen und schreiben trotzdem immer öfter Kommentare. Beteiligt euch dort an der Diskussion. Nur so haben wir eine Chance.

  9. Three strikes my ass. CC danke.
    Das werden hoffentlich immer mehr Künstler auch so sehen.
    Ist ja nicht auszumalen wenn die Konsumenten einfach in den digitalen Knast kommen.
    Ich hoffe die Künstler erkennen den Unetrschied zwischen Abkassieren via Abmahnanwalt und Grundrechtseingriff.

  10. @Moon:

    Die haben halt alle vorher nicht mit Ilse Aigner gesprochen… laut derer man Daten ja nicht stehlen kann…

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