Default-Hintertür für jede Verschlüsselung?

In den USA wird gerade mal wieder die Debatte angestrengt die Abhör-Regelungen zu verschärfen. Dabei kam auch wieder die Idee auf, in jede Verschlüsselung eine Default-Hintertür für die Regierung einzubauen. Terrorabwehr, sie wissen schon. Ein solcher Vorschlag rangiert natürlich ungefähr auf dem Niveau eines „Reset-Knopfes“ fürs Internet: selbst wenn es theoretisch vielleicht irgendwie möglich wäre bleibt nach 3 Sekunden Nachdenken nur die Feststellung „Geht doch gar nicht… bringt doch gar nichts!“ und ein rüdes „Quatsch!“
Dann aber denkt man an Skype oder Blackberries und merkt: Die meinen das Ernst.

Das wirklich fürchterliche bei derart dummen Vorschlägen ist daher leider, dass helle Köpfe kostbare Zeit dafür opfern müssen, sich zu diesem Unsinn zu äußern. Cindy Cohn von der Electronic Frontier Foundation hat sich kurz die Mühe gemacht, die Kernargumente gegen den zuletzt 2001 gemachten Vorschlag zusammenzutragen. Als Präventivmaßnahme möchte ich die Gründe hier kurz wiedergeben.

  1. Das wäre ein Sicherheitsrisiko – selbst für 2 Beteiligte ist Kryptografie schon kompliziert genug, bei dreien wird sie nur noch komplexer und fehleranfälliger. Daran, dass die Hintertür in falsche Hände gerät, will man gar nicht denken, vor allem weil es immer wieder passiert.
  2. Den ‚bösen‘ wird das egal sein – Sie nutzen einfach ihre eigene Krypto. Dass ein Terrorist wenig Respekt für das Gesetz hat, sollte naheliegen. Deshalb haftet ja auch jedem, der einen solchen Vorschlag macht, die Aura vollständiger Verblödung, oder wahlweise radikalen Überwachungswahns an.
  3. Es würde die Innovation behindern – Dieses Argument ist für Amerikaner wichtig, das muss man bringen, wenn man ernstgenommen werden will. Es lautet ungefähr so: „Hätte Mark Zuckerberg jemals Facebook entwickeln können, wenn er sich die ganze Zeit mit einer Regierungs-Hintertür hätte auseinandersetzen müssen?“
  4. Es würde die nationale Wirtschaft schädigen – weil keine innovativen und wirklich sicheren Produkte mehr hergestellt werden könnten. Das Geschäft würden dann andere machen.
  5. Die Kunden müssten es bezahlen – ob nun die Hintertüren durch Steuergelder oder durch die Einnahmen der jeweiligen Firmen finanziert werden, ist dabei egal.
  6. Es wäre verfassungswidrig – Meinungsfreiheit, Privatsphäre etc. würden grundlos eingeschränkt
  7. Es würde unglaublich viel kosten – und wenig bringen, weil wirklich kriminelle sich einfach funktionierende Kryptografie importieren würden. Paraphrasiert: „If crypto is outlawed, only outlaws will have crypto.“
  8. Es hat noch niemand zeigen können, dass Verschlüsselung wirklich ein Problem darstellt – Punkt. Empirie? In 2.376 Fällen von Abhörung im Jahr 2009 stieß die US-Regierung nur ein einziges Mal auf Verschlüsselung. Eine Aufklärung des Falls wurde dadurch nicht verhindert.

Schauen wir uns vor diesem Hintergrund doch nun noch einmal die vollständige Version des Panorama-Interviews mit dem CSU-Kabarettisten Hans-Peter Uhl an – der rhetorisch sehr geschickt den Fragen ausweicht, um nur in seinem Sinne zitierfähige Äußerungen zu tätigen.

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8 Ergänzungen

  1. „Moreover, cases of encryption tripping up law enforcement are extremely rare, according the government’s own records. In 2009, for instance, the government got court approval for 2,376 wiretaps and encountered encryption only once — and was able to get the contents of the communication. Statistics for other years show no problems whatsoever for the government.

    Jim Dempsey, the West Coast director of the Center for Democracy and Technology, told Wired.com that the FBI is now saying that the numbers are mistaken — and they’ll issue new ones in the spring.“

    Wieso erinnert mich das so an die BKA/VDS-„Statistiken“ aus den letzten Wochen? ‚Mh, die Fakten sprechen gegen unseren Vorschlag. Setzen wir ihn doch trotzdem schon mal um, während wir angenehmere Fakten basteln.‘

  2. Wohin nur mit meinen Agressionen :D

    Vielleicht sollte ich willkürlich verschlüsselte Emails verschicken, solange das noch geht.

  3. Vielleicht sollten wir uns die Berichte der 1990er Jahre über die Debatte ums Krypto-Verbot und einen Manfred Kanther, damals Bundesinnenminister, noch mal raussuchen?

  4. @mayleen:

    wenn keine kryptographie, dann steganographie.

    kostet natuerlich energie.

    ich weiss auch nicht, wie ich das finden soll.
    daraus schliesse ich, dass die diskussion vor allem einem dient: FUD.

    man kann das natuerlich auch so gebrauchen, dass man ein wirklich gefaehrliches gesetz „laecherlich“ verpackt.

    @thomas wiegold
    wuermer wollen wuehlen.
    christ rebels yell phear the orc.
    deine einsicht

    komlexitaet sucks, ausser sie ist lustig.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.