Das Imperium schlägt zurück: Ziercke fordert Internetsperren (Update)

Update, 01.09.: Auch beim Freitag gibt es aktuell eine Zusammenfassung zum Thema: „Erfolgloser Kampf gegen Kinderpornografie“:

Internes BKA-Papier enthüllt: Bislang wurde unzureichend mit Jugendschutzpartnern kooperiert. Die wollen jetzt sogar ohne das Bundeskriminalamt auskommen)

Der Zeitpunkt ist perfekt gewählt. Während der Branchenverband eco heute Morgen in einem Pressegespräch noch einmal versuchte deutlich zu machen, dass sich kinderpornographische Inhalte im Netz sehr wohl zeitnah löschen lassen, wenn man nur will, nutzte BKA-Chef Ziercke die Chance für ein exklusives Schaulaufen in der Welt.

Besonders entlarvend fand ich folgende Passage zur Zusammenarbeit mit der Beschwerdestellen der Internetwirtschaft :

Ziercke: Sie findet seit zehn Jahren statt und ist ausgesprochen gut. […] Dem BKA bekannt gewordene kinderpornografische Internetseiten werden aktuell auch über den Inhope-Verbund an die Inhopepartnerstellen im Ursprungsland gemeldet. Aber auch Inhope gelingt es nicht, durch direkte Kontaktaufnahme mit Providern eine höhere Löschungsquote zu erreichen.

Gut, bei eco/INHOPE sieht man das ein wenig anders:

Die Löschung von Websites auf ausländischen Servern funktioniert ebenfalls wesentlich schneller als noch im Sommer 2009. Der Grund: Seit November 2009 etablieren immer mehr nationale Beschwerdestellen weltweit das erfolgreiche „Notice and Takedown“-Löschverfahren. […] Ab September 2010 erhalten zudem nur solche Hotlines finanzielle Förderung von der EU, die Notice and Takedown anwenden, sofern dieses Verfahren nicht durch nationale Gesetze ausgeschlossen ist. eco-Vorstand Oliver Süme begrüßt die Angleichung der Vorgehensweisen: „Die Löschung von Kinderpornographie gelingt dadurch immer schneller und besser. Durch internationale Kooperation und das Lernen voneinander arbeiten wir sehr viel effizienter, als dies mit nationalen Insellösungen möglich wäre. So schnell, wie wir löschen, kann man gar nicht sperren.“

(Quelle: Presseinfo Erfolgsbilanz Löschen statt Sperren, 01. September 2010.)

Zierckes Hinweis, man würde im Rahmen der 10-jährigen Zusammenarbeit „aktuell“ auch sogar Seiten melden, ist ein Muster für eine rhetorische Nebelkerze. Tatsache ist, dass die entsprechenden Meldungen erst seit Mitte des Jahres erfolgen.

Erst seit Mai 2010 wird das NCMEC (National Center for Missing and Exploited Children) auf US-Seite informiert, seit dem  07.06.2010 auch INHOPE via jugendschutz.net (Jugendschutz.net betreibt –  neben der FSM und eco die dritte deutsche Meldestelle im INHOPE-Netzwerk). Und das, auch hier diesen Punkt lässt Ziercke elegant unter den Tisch fallen, anscheinend durchaus mit Erfolg.

Überhaupt lässt das „Interview“ keine Wünsche offen. Die Frage, ob „Nutzer von Kinderpornographie“, die Stopschilder missachten (würden), mit einer Strafverfolgung zu rechnen hätten, wird mit einem Bild von Jörg Tauss (Urteil inzwischen rechtskräftig) illustriert, auch sonst wird von der Vorratsdatenspeicherung (Eine Vermischung, von der man in letzter Zeit häufiger hört) bis zur Verschleierung des Speicherort alles geboten:

Ziercke: […] Es gibt die zudem Möglichkeit, den tatsächlichen Speicherort informationstechnisch abzuschotten. Das erschwert es den vor Ort zuständigen Behörden, den tatsächlichen Ursprung der Speicherung und den zur Löschung Verpflichteten zu ermitteln.

Ja, das Argument der „Verschleierung“ (auf DNS-/Routing-Ebene) ist neu. Es findet sich zwar bereits in früheren BKA-Papieren, wurde bisher aber nicht öffentlich in Stellung gebracht.

Wir haben hier ein schönes Beispiel, wie die politische Entscheidungsfindung durch sukzessives Nachlegen von technischen Argumenten mit steigender Komplexität beeinflusst wird. Nur für den Fall, dass tatsächlich jemand geglaubt hat, im BKA hätte niemand mitgedacht. Das Gegenteil ist der Fall. Der öffentlichen Debatte immer genau ein bis zwei Schritte voraus zu sein und auf Zuruf die passenden Argumente zu liefern, ist schlicht Strategie.

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19 Ergänzungen

  1. eine woche ohne forderungen von ziercke, war ja zeit dass er sich meldet.

    bosbach, uhl, jansen und die anderen pappnasen werden ja bald folgen.

    der muss weg, der typ, der ist mit sicherheit krank im kopf. wer ständig gegen die verfassung und grundrechte lamentiert, muss weg, und zwar bald……..

  2. @Jorokide: Ach, wir können wohl ausschließen, dass das Interview zufällig gerade heute veröffentlicht wurde ,)

    Martin Lutz war es ja auch, der letztens schon aus der „BKA-Studie“ zitieren durfte.

    PS: Bei aller Abneigung fände ich es nett, auf Formulierung wie „krank im Kopf“, „piss.r“ und Co zu verzichten. Wir sind doch Blog mit guten Umgangsformen, oder?

  3. Hier mal ein Beispiel aus der online-Presse:

    „Ich sagte in einem anderen Kommentar hier u. a. folgendes:
    Wenn es tatsächlich und in Wahrheit, um diese besagten Seiten gehen sollte, bräuchte man nicht einen solches Großspektakel daraus machen.

    Solche Seiten werden sofort dem Internet entnommen und gut ist !!“

    Das ist für mich mein Beispiel, wie OttoNormalbürger das internet versteht. Insofern wundert mich nicht, welch leichtes Spiel Zierke in seiner Argumentation hat.

  4. Der letzte Satz von Herrn Ziercke im WELT-Interview ist entlarvend und schockierend:

    „Etwas vom Gesetzgeber Verbotenes dem öffentlichen Zugriff zu entziehen, kann keine Zensur sein.“

    Heute Kinderpornographie, dann Sportwetten und Tipp24, morgen dieses Blog. Ausreichend wäre in Zierckes Welt wohl ein Verdacht. Es ist und bleibt Zensur!

  5. Ich wunder mich immer warum es beim Dokumentierten Missbrauch von Kindern immer so lange dauert bis eine Seite gelöscht wird. Bei den Banken funktioniert das doch auch da brauchen die nur ein paar Stunden um eine Phishing Seite vom Netz zunehmen. Ach ich vergaß da bei handelt es sich ja um Geld sehr viel Geld die können auch die gut bezahlten Fachkräfte Untervertrag nehmen von dehnen es beim BKA ja anscheinend nur 30 (ich bezweifle das die das i-net verstehen) gibt.

    Mein Vorschlag sobald das BKA hinweise auf eine Seite hat auf der, der Dokumentierte Missbrauch von Kindern dargestellt wird haben die 24h zeit diese zu Löschen ansonsten wird ihnen einfach für jeden weiteren Tag den sie brauchen der Haushalt um einen Betrag x für den nächsten Monat/Jahr gekürzt. Ich vermute die haben plötzlich ziemlich schnell eine ganze menge aus dem Netz gefegt.

  6. #6 Genau. Wenn der Gesetzgeber sagt daß Leute, die nicht an „unseren“ Gott glauben, einen gelben Stern tragen müssen, kann das ja wohl keine Diskriminierung sein. Und wenn er sagt, „spring aus dem 20. Stock“, wird er wohl recht haben, wo er doch der Gesetzgeber ist.

    „Wir wissen schon, was richtig ist, stellen Sie sich mal nicht so an.“

  7. Das Schlimme ist, dass der Artikel anscheinend den Eindruck erweckt (wie ueblich), dass Gegner des Stoppschildes Kipo offen im Netz belassen wollen (s. ersten Seiten Kommentare bei dem Welt-Artikel).

  8. Ich möchte das folgende Zitat besonders hervorheben: „Ziercke: Ein personelles Problem gibt es im BKA nicht.“

    bwhahahahaha.

  9. Das Interview mit Ziercke bei der Welt konnte ich bereits gestern bei der Recherche lesen. Möglich, dass er von dem Vorstoß von eco gewusst hat.

    Interessant war aber die Schweigepflicht, die sich die Presseabteilung des BKA selbst aufgelegt hat.

  10. @Jonas Jansen: Für mich kam das Interview wenig überraschend. Zeitpunkt und Inhalt es eco-Pressegesprächs waren durch die Einladung vom 19. August frühzeitig bekannt:

    • Arbeitsweise und Erfolgsbilanz der eco Internet-Beschwerdestelle
    • Internationale Zusammenarbeit beim Löschen: Fortschritte und Schwierigkeiten
    • Internet-Sperren: Technische und rechtliche Probleme

    Mit Martin Lutz hat das Interview zudem der Kollege geführt, über den auch die “interne BKA-Studie” an die Öffentlichkeit geleakt wurde, die Auslöser der Debatte ist.

    Randnotiz: Der Artikel von Stefan Tomik, dessen ebenso zweifel- wie fehlerhafte Darstellung in der FAS vom 15.08. einer der Gründe für die Einladung gewesen dürfte, steht bis heute ohne Korrektur im Netz.

  11. Siehe auch Pentagon und die KiPo Geschichte…Wenige wurden verurteilt. Anderen nehmen, was mir „lieb und teuer ist – solange der Bürger nicht genau hinguckt“–..

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.