Bemüht sich das BKA wirklich ums Löschen?

Erst vor zwei Wochen äußerte sich Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger in einem Interview skeptisch darüber, ob 30 Personen beim BKA ausreichen würden, um effektiv Kinderpornographie bekämpfen zu können.

„Das zeigt doch deutlich die Vollzugsprobleme. Wenn sich in Hamburg 1.450 Kripobeamte 50 Rechner mit Internetzugang teilen müssen, wird es schon schwierig mit der Aufklärung. Wenn das BKA nur 30 Experten hat, um gegen Kinderpornografie vorzugehen, ebenfalls.“

Wir waren da auch skeptisch. Heute kommt raus, dass die Zahl von 30 Personen weit übertrieben war. In einer Antwort auf eine Anfrage der Linken-Fraktion erklärt die Bundesregierung, dass gegenüber der Realität 30 Stellen ganz schön großzügig wären, denn ganze 6,3 Planstellen sind beim BKA für die Bekämpfung von Kinderpornographie zuständig. Das erklärt dann wohl so einiges.

Spiegel-Online hat daraufhin die Bundesjustizministerin die Zahlen kommentieren lassen:

„Wer nur sechs Personen für den Schwerpunktbereich ‚Löschen statt Sperren‘ einsetzt, darf sich nicht über schlechte Löschergebnisse wundern“, sagt sie SPIEGEL ONLINE.

Gut möglich, dass das BKA die Stellen künstlich begrenzt hält, um nicht zuviele Löschergebnisse innerhalb der Evaluationszeit präsentieren zu müssen. Immerhin möchte man dort immer noch eine Netzzensur-Infrastruktur errichten.

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20 Ergänzungen

  1. >> Immerhin möchte man dort immer noch eine Netzzensur-Infrastruktur errichten.

    So sehe ich das auch. Hier geht es meiner Meinung vor allem darum, die eigene Behörde um originäre Kompetenzen zu erweitern, und da wäre es ja kontraproduktiv, wenn das Löschen gut funktionieren würde.

  2. Hm. Könnte es eventuell daran liegen, das wir es hier mit einem nicht-Problem zu tun haben?

    Rechnen wir doch mal: Das BKA hat mit 6.3 Stellen in 9 Monaten 1407 Fälle bearbeitet.

    9 Monate á 21 Tage * 6.3 Stellen macht 1190 Arbeitstage, die für das Löschen aufgewendet wurden.

    Ich komm da auf etwa 1.2 Fälle pro Tag und Mitarbeiter.

    Eine Abuse-Mail schreiben ist ruck-zuck erledigt. Da es im Grunde immer das gleiche ist was man schreibt hilft Cut’n’Paste hier ungemein. Dann eine Woche später noch einmal kontrollieren und ein bischen Papierkram.

    Wenn ich wirklich großzügig bin, dann sollte so etwas innerhalb von zwei Stunden bequem zu erledigen sein.

    Da frage ich mich doch, was die Beamten mit den übrigen Stunden gemacht haben.

    Gibt es eigentlich auch eine Statistik der von den Mitarbeitern verzehrten Donuts, Kaffetassen und gelösten Kreuzworträtzeln?

  3. Nie werde ich das alles verstehen. Gut 1 Fall pro Tag und Mitarbeiter. Wie lange hat Alvar Freude seinerzeit gebraucht? Monate? Ein Jahr?

    Alvar Freude: Insgesamt wurden automatisiert 348 verschiedene Provider in 46 Ländern angeschrieben und über rund 1943 gesperrte vorgeblich illegale Webseiten informiert. Eine manuelle inhaltliche Analyse der Webseiten hat vorher nicht stattgefunden. […] 250 Provider haben auf die Anfrage geantwortet […] Zehn Provider gaben an, ingesamt 61 illegale Inhalte entfernt zu haben. Mit einer einfachen E-Mail kann man also schon viel erreichen.

    „Man kann“ bedeutet eben nicht unbedingt, dass auch Bundesbehörden können.

  4. „In einer Antwort auf eine Anfrage der Linken-Fraktion erklärt die Bundesregierung, dass gegenüber der Realität 30 Stellen ganz schön großzügig wären, denn ganze 6,3 Planstellen sind beim BKA für die Bekämpfung von Kinderpornographie zuständig.“

    Nun die Bundesregierung hat soweit ich es dem vorliegendem Material entnehmen konnte nicht gesagt das sich diese „30“ Mitarbeiter ausschliesslich um den Schwerpunkt „Löschen statt Sperren“ kümmern.
    Von demher stimmen 30 Beamten im Kampf gegen die Kinderpornographie schon halbwegs, sofern man sich die mühe macht z.B. das PDF der Linken mal genau zu lesen.
    Es sind doch schon mehr als 6,3 Mitarbeiter die sich mit dem Thema beschäftigen.
    Lediglich 6,3 Mitarbeiter dienen allerding dem Schwerpunkt „Löschen statt Sperren“.
    Also immerhin knapp 25% der vom BKA eingesetzten Mitarbeiter die unsere Kinder schützen sollen sind damit beschäftigt das Netz sauber zu machen…

    Das es statt 30 nun nur 23,3 Mitarbeiter sind… naja das sind die regulären „Zieh 25-30% von den Zahlen ab wenn eine größere Zahl dem staatlichem Ziel helfen würde oder schlage 25-30% drauf wenn die kleinere Zahl dem staatlichem Ziel helfen würde“ Prozente.. die sollte eigentlich mittlerweile jeder Mensch mit Verstand kennen.

    Aber das es nun nur 6,3 Mitarbeiter sind, ist auch nicht der eigentliche Knackpunkt wie ich finde.
    Nein eher der knackpunkt sollte sein, das diese 23 Leuts ALLES sind was das BKA aufbieten kann um einen angeblichen Milliardenmarkt austrocknen zu lassen.

    1. @KrChris: Das hab ich schon eingerechnet. Die anderen BKA-Mitarbeiter arbeiten im Bereich Kinder- und Jugend, da gibt es viele weitere Themen neben Kinderpornographie.

  5. Das alleinige löschen kann man mit Sicherheit schnell und direkt veranlassen, aber Ermittlungsbehörden sind verpflichtet Straftaten genauer nachzugehen (zum Glück). Sie dürfen gerne nur 1,3 Fälle am Tag bearbeiten, wenn Sie sich dabei auch um die Identität des Onlinestellers bemühen und diesen versuchen vor erneuter Straftaten dingfest zu machen.

    Aber 6,3 Planstellen sind eben doch lächerlich. Man könnte doch mal systematisch die Demo-Trupps nach gewaltbereiten Polizisten durchforsten und diese einfach an den Rechner klemmen. Und wenn sie wegen mangelnder Ausbildung nicht mehr tun können als Zuarbeit leisten – da wäre vermutlich schon viel geholfen, für alle Seiten. ;)

  6. Die Ermittlungsbehörden sind verpflichtet, Straftaten nachzugehen und deshalb dauert das Löschen so lange, ist so mühsam? Na, ich weiß ja nicht.

    So wie ich das verstanden habe, gucken die nach einer Woche mal nach, ob denn inzwischen gelöscht wurde. Und wenn nicht, registrieren sie das als nicht erfolgreichen Fall.

    Es ist doch gerade der Appell an das BKA, die Ursachenforschung bzw. die Strafverfolgung zu intensivieren und sich nicht auf die Vorratsdatenspeicherung als Allheilmittel zu konzentrieren.

  7. Für die Bekämpfung des Quadtrillarden-Markts Kinderpornografie im Internet reichts anscheinend. Was für eine Effizienz! Da könnten sich andere Behörden 0,7 Scheiben von abschneiden…

    Greetz,
    GHad

  8. Wie viele KiPo-Seiten gibt es überhaupt frei zugänglich? Sind eventuell 6,3 Personen da nicht schon zu viel? Reicht für die Handvoll Spinner im Netz nicht schon ein Ansprechpartner?

    Oder geht es darum den Begriff „Kinderpornografie“ auf Jugendliche auszudehnen, damit die Fallzahlen sich erhöhen und es eine Daseinsberechtigung für das BKA, VDS, etc. gibt?

    Wenn die Zahlen richtig sind und nur 1% aller Missbrauchsfälle dokumentiert werden und davon nur ein Bruchteil ins Netz gelangt, warum wird dann der „Kampf gegen Kinderpornografie“ inzwischen sogar als Begründung für die Vorratsdatenspeicherung angeführt? Weil „Terrorismus“ nicht mehr genug Angst in der Bevölkerung auslöst?

  9. @Nils: Naja, eigentlich sollen die BKA-Leute ja nicht nur die Abuse-E-Mail rausschicken sondern auch noch die zugehörige Strafverfolgung durchführen. Insofern erscheinen mir 6,3 Vollzeit-Stellen doch ein bisschen wenig.

    @OP:

    Gut möglich, dass das BKA die Stellen künstlich begrenzt hält, um nicht zuviele Löschergebnisse innerhalb der Evaluationszeit präsentieren zu müssen. Immerhin möchte man dort immer noch eine Netzzensur-Infrastruktur errichten.

    Oder da gibt es eine interne Order auf dem kl. Dienstweg vom BMI (bzw. einfach keine Bewilligung für mehr Geld, was notwendig wäre für mehr Stellen), schließlich sitzt da ja die Misere der de Maizière und der scheint Vorratsdatenspeicherung und Zensur ja auch nicht abgeneigt zu sein.

    Grüße,
    Drizzt

  10. Ich habe mal eine Frage und hoffe es gibt jemanden der sich damit besser auskennt.

    Mir fällt auf, dass häufig davon geredet wird, dass Löschen die Strafverfolgung verhindert, weil die Daten weg sind.

    Also wenn ich jetzt eine Meldung bekommen würde, würde ich die Daten vom Onlineserver auf einen Offlinespeicher kopieren, vorallem die letzten IPs speichern von denen Daten hochgeladen wurden, letzten Besucher IP speichern und die Kundendaten speichern. Dann würde ich mich an die lokalen Strafverfolgungsbehörden wenden und ihnen diese Daten überlassen.

    Macht das irgendwer denn nicht so?

  11. Ich war da am Wochenende auch drüber gestolpert und hatte es etwas anders verstanden:

    23.3 „Vollzeitäquivalente“ im Referat SO 12, das sich mit „Sexualdelikten zum Nachteil von Kindern und Jugendlichen“ befasst.

    Laut Frage beschäftigen sich diese „Vollzugsbeamten ausschließlich mit der Bekämpfung von kinder- und jugendpornografischen Inhalten im Internet“.

    Im „neuen BKA-Arbeitsschwerpunkt „Löschen statt Sperren““ – sind nun „6,3 Vollzeitäquivalente“ beschäftigt.

    D.h. wir haben es entweder mit

    a) ~30 Stellen zu tun (was auch nicht gerade viel ist) oder
    b) 23,3 (unter der Annahme, dass der „neue Arbeitsschwerpunkt“ Teil des Referats SO 12 ist ODER
    c) eben 6,3 Stellen, die AUSSCHLIEßLICH „Löschen statt Sperren“

    @Hadron: Alvar hatte bereits für das erste Experiment eine recht komplexe Software zur Automatisierung und Auswertung geschrieben. Inkl. erstem Durchlauf und VÖ der Ergebnisse ist da wohl gut eine Mannwoche draufgegangen. Wobei die Entwicklungsarbeit den größeren Teil der Zeit verschlungen hat.

    D.h. nach ein paar Tagen Vorarbeit konnten ~80% des Aufwands mehr oder automatisiert werden. Für den Rest braucht es Handarbeit, konkrete Ansprechpartner und kurze Dienstwege (Das ist wohl auch der Trick der Banken beim Phishing).

  12. @KinNeko:

    vorallem die letzten IPs speichern von denen Daten hochgeladen wurden, letzten Besucher IP speichern und die Kundendaten speichern.

    Das dürfte regelmäßig nicht reichen. Mit den IPs, von denen hochgeladen wird, wirst du allenfalls live etwas anfangen können. Ich würde davon ausgehen, dass die Verbindungen gut getunnelt bzw. nachträglich nicht zurückverfolgbar sind (Es dürfte live schon annähernd unmöglich sein).

    Bei den Besuchern könnte es einfacher werden, bringt aber allenfalls eine schöne Pressemeldung („Kinderpornoring gesprengt“) analog zur Drogenrazzia am Hauptbahnhof.

    Und die Kundendaten? Der Grund, warum die USA so beliebt sind, sind automatisierte Prozesse. Die irischen INHOPE-Hotline brachte das Problem bereits in ihrem Jahresbericht 2008 auf den Punkt (also zu einem Zeitpunkt, als von der Leyen das Thema gerade erst entdeckt hatte):

    The really significant reduction of 2008 is that of Russia which hosted about the same as the USA in 2007 but has dropped to a level similar to that found in other large countries at the hub of a major a language group. Most countries have shown a drop with the exception is the USA and Canada. These countries have concentrations of automated hosting and domain registration services which are being misused by criminals. It must be emphasised that these numbers reflect fast turnover of short lived websites rather than persistent illegal websites which was a problem in some other countries in the earlier years of this decade.

  13. @Nils (#2)

    9 Monate á 21 Tage * 6.3 Stellen macht 1190 Arbeitstage, die für das Löschen aufgewendet wurden.

    Ich komm da auf etwa 1.2 Fälle pro Tag und Mitarbeiter.

    Eine Abuse-Mail schreiben ist ruck-zuck erledigt. Da es im Grunde immer das gleiche ist was man schreibt hilft Cut’n’Paste hier ungemein. Dann eine Woche später noch einmal kontrollieren und ein bischen Papierkram.

    Wenn ich wirklich großzügig bin, dann sollte so etwas innerhalb von zwei Stunden bequem zu erledigen sein.

    Da frage ich mich doch, was die Beamten mit den übrigen Stunden gemacht haben.

    Du solltest nicht vergessen, dass vor dem „Abuse-Mail schreiben“ immer noch die Suche nach der eigentlichen Seite ansteht. Und da sind ein Treffer pro Tag und Mitarbeiter gar nicht so wenig.

  14. Aber die Probleme hast du auch wenn du sperrst :) Ich wollte damit nur ausdrücken, dass Löschen nicht die Strafverfolgung behindert.

  15. Um es mal klar zu sagen, ich finde, daß das, was das BKA hier betreibt, am Rande der Subversion ist, wenn nicht schon darüber.

  16. \(…)beschäftigen sich diese “Vollzugsbeamten ausschließlich mit der Bekämpfung von kinder- und jugendpornografischen Inhalten im Internet”\

    Dann dürfte mit der Einführung des Straftatbestands \Jugendpornographie\ wohl alles zusammengebrochen sein, die findet man noch in fast jedem deutschen Sexshop.

    Auch filtert Google nicht automatisch JP heraus.

    Über 6 BKA Beamte nur für das Löschen sind im europ. Vergleich sehr viel.
    Nur 30 insgesamt gegen KP sind eher wenig, aber bei den LKAs sind es ja insgesamt sehr viel mehr. Die meisten Fälle werden ja an das zuständige LKA abgegeben.

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