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Für das Zitat des Tages möchte ich mich bei Barbara Kisseler (SPD) bedanken. In einer Anhörung zur Novelle des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags erklärte die Chefin der Berliner Senatskanzlei, dass die geplante Neufassung „zu viele Schwachstellen“ habe. Nun, soweit sind wir uns einig.

Allerdings, so Kisseler, sei auch ein „nicht ganz geglückter Vertrag“ besser als keiner. Schließlich dürfe die Politik nicht „auf das nächste Winnenden“ warten. Sie meint das vermutlich ernst.

Und dann hätte ich evtl. noch ein paar Leseempfehlungen für die Nacht (oder zum Frühstück):

# Mitmachen: Petition zur Offenlegung der ACTA-Verhandlungen (Bundestag)
# Anschauen: Aufzeichnung „Wem gehört mein Profil“ (taz-Gespräch vom 13.04.)
# Entwicklerkonferenz: Facebook übernimmt das Netz (Netzwertig)
# Miriam Meckel: „iPad als guided tour/Neckermann-Pauschalreise durch’s Web“ (#rp10)
# Steve Jobs: “Folks who want porn can buy an Android phone” (Techcrunch)
# US government finally admits most piracy estimates are bogus (Arstechnica)

# Offener Brief der Cyberkriminellen Europas an Cecilia Malmström (Dunkle Serverecke)
# Technikskepsis: Richter darf Computerarbeit ablehnen (FAZ)

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4 Ergänzungen

  1. Daß das mit dem Schaden durch Piraterie nicht hinkommen kann, sag ich schon seit 10 Jahren immer wieder jedem der’s nicht mehr hören kann.

    Daß jede illegale Kopie einem „lost sale“ in Höhe einer legalen Kopie urheberrechtlich geschützten Materials entspricht, widerspricht gleich einer ganzen Reihe von Prinzipien von Angebot und Nachfrage.

    Sagen wir, eine Software X oder ein Musikalbum Y wird als eine bestimmte ZIP-Datei über eine Tauschbörse an 5000 andere User verteilt. Die Content-Industrie sagt, wir haben deshalb 5000 legale Exemplare unserer Software oder unserer Musik nicht verkaufen können. Aber was lehrt uns die Erfahrung bei den meisten Gütern? Richtig, sinkt der Preis, steigt die Nachfrage und somit der Absatz. Durch das Verteilen und die Verfügbarkeit in Tauschbörsen geht der Preis pro Produkteinheit für den einzelnen Konsumenten gegen null. Hätten eben jene 5000 User das Produkt auch legal zum Ladenpreis gekauft? Nein, mit Sicherheit nicht. Sicher ziehen illegale Kopien zu einem gewissen Prozentsatz die „legale“ Nachfrage ab. Aber: Zum Einen wird bei vielen potenziellen Käufern die Wertschätzung für das Produkt nicht groß genug sein um den vollen Verkaufspreis zu zahlen, aber die weitaus größere Gruppe wird einfach nicht das Geld haben, in dem Maße legale Kopien zu kaufen, wie sie sie übers Internet saugen. Und da wirds dann auch langsam schon absurd. Ein bis oben hin vollgepackter iPod kann im Extremfall schon mal Musik und Filme im legalen Wert von 20.000 € enthalten. Außerdem habe ich bei manchen Leuten auf dem PC schon Ansammlungen gecrackter Software gesehen die zusammen locker dem Wert eines Kleinwagens entsprach. Kein normaler Konsument der Zielgruppe kann aber überhaupt so viel Geld für legale Musik oder Software ausgeben.

    Das soll kein Plädoyer für Urheberrechtsverletzungen sein, grundsätzlich denke ich schon daß Raubkopieren mehr als nur ein Kavaliersdelikt ist und rechtliche Sanktionen rechtfertigt… aber es ist schon verblüffend, wie die Content-Industrie seit mittlerweile über einem Jahrzehnt nach dieser Milchmädchenrechnung über ihre ach so großen Verluste jammert. Und dies auch jüngst wieder als glaubhaftes Argument beibringen konnte für das gerade verabschiedete britische Sperrgesetz.

    Aber da dieses Argument so zentral ist um das scheinbare Kreuz der Industrie mit den Raubkopierern zu belegen, wird man sich davon wohl auch nicht so schnell verabschieden.

  2. „Allerdings, so Kisseler, sei auch ein “nicht ganz geglückter Vertrag” besser als keiner.

    Nope.

    „Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen,

    dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen.

    Charles de Montesquieu (1689-1755), frz. Staatstheoretiker u. Schriftsteller, Begr. d. mod. Staatswissenschaft u.d. Lehre v.d. Gewaltenteilung

    …und Recht hat er…

  3. @1 Andreas: Eben – nicht nur, dass die wenigsten die Kohle haben, die 12 GB Audio-Files auch zu kaufen (ich weiß, bei den meisten sind es wohl mehr), im Gegenteil – die leichte Verfügbarkeit in gewissen Zirkeln und Foren führt zum Ausprobieren auch mal von Unbekannten, was bei Gefallen nicht selten sogar in die ansonsten eher unwahrscheinliche Anschaffung einer kommerziellen CD mündet. Beispiele dazu kenne ich aus meinem weiteren Umfeld zuhauf.

    Was der Musikindustrie (und überhaupt jeder Kreativsparte) und den davon abhängigen Kreativen wirklich schadet, sind die kommerziellen Kopierer, die also in direkter (Markt-)Konkurrenz zu den „legalen“ Verwertern stehen. Da habe ich dann auch kein Mitleid, wenn mal wieder ein illegales CD-Lager ausgehoben wird und die Jungs eine Weile im Knast in sich gehen können.

  4. @Andreas:

    Du hast natürlich Recht, aber der Mensch neigt zur Vereinfachung. Je komplexer die Zusammenhänge werden, desto willkommener ist jemand, der sie simpel erklärt.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.