„Zensursula“: PR-Agentur sucht Unterschriftensammler gegen Bezahlung

Menschenfischer Man mag es ein klein wenig fragwürdig finden, aber der Job wird wenigstens halbwegs ordentlich bezahlt: Auf der Jobplattform promotionbasis.de sucht die Firma „FirstClassService Promotion & Event GmbH“ zur Zeit Promoter, um vor Fußballstadien Unterschriften „für das Anti-Kinderporno-Gesetz“ sammeln. Das in Aussicht gestellte Honorar beträgt 50 Euro pro Tag. Nicht schlecht für – laut Jobbeschreibung – 2 1/2 Stunden effektive Arbeitszeit.

Moment, ein „Anti-Kinderporno-Gesetz“, gibt es das nicht längst? Natürlich, in Deutschland ebenso wie in jedem anderen zivilisierten entwickelten Land, aber darum geht’s ja nicht aber wer wird sich im Kampf für die gute Sache denn mit solchen Details aufhalten?

In wessen Auftrag die Unterschriftensammler gesucht werden, steht leider nicht dabei. Natürlich kann man munter spekulieren. Veröffentlicht wurde das Angebot (bisher über 2000 Interessenten/Views) bereits letzten Mittwoch. Also einen Tag, nachdem die „Deutsche Kinderhilfe“ angekündigt hatte, mit der gleichen Idee auf Stimmenfang zu gehen.

Wer Interesse an dem Job hat, muss zunächst den Registrierungsprozess bei promotionbasis.de durchlaufen (ohne Angabe einer Telefonnummer geht nichts …) und anschließend als Jobbewerber noch eine „SetCard“ erstellen. So wünscht es der unbekannte Auftraggeber. Ach, und der Auftraggeber bevorzugt Bewerber mit Foto. Und einen Gewerbeschein sollte man besser auch haben. Sorry, falls ich da gerade Hoffnungen auf spontanen Reichtum zerstöre.

PS: Derweil hat die Online-Petition gegen Internet-Sperren über 85000 Unterzeichner. Ganz ohne bezahlte Unterschriftensammler.

Update: Inzwischen melden sich die ersten Bundesligavereine, dass sie weder angefragt wurden, noch eine Unterschriftensammlung auf ihrem Gelände dulden würden. Ganz ähnlich hatte in der Vorwoche bereits Arminia Bielefeld reagiert.

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38 Ergänzungen

  1. Schade, dass das so aufwendig ist. Ich dachte man könne sich da bewerben, dann die Offline-Petition von uns nehmen und Unterschriften sammeln und die 50€ auch noch an den AK-Zensur, AK-Vorrat oder FoeBuD spenden.

    Mist aber auch

  2. Was wir hier erleben sind die ersten offen organisierten Maßnahmen gegen selbständigen, demokratisch erklärten Bürgerwillen. Bin gespannt auf die ersten bezahlte „Jubelperser“ für Parteitage und Gegendemostranten (wenn man die Originaldemo nicht ohnehin gleich verbietet) wahlweise mit und ohne Gewalteinsatz und Polizeiwegschau.
    Wow – die Online-Petition scheint mir in vielerlei Hinsicht „erfolgreicher“ als ich mir das zu Beginn habe ausmalen können.

  3. @Torsten: Ich meinte das durchaus so. In einem Land, in dem straffrei Kinder missbraucht werden können, kann es mit der Zivilisation nicht weit her sein. Aber gut, ich ändere es.

  4. @ninjaturkey

    Es gab doch schon Demonstrationen mit bezahlten Demonstranten. So weit sind wir schon längst.

  5. Das schlimme ist doch, das hier Kinderschützer und Zensugegner gegeneinander ausgespielt werden statt an einem Strang zu ziehen, nämlich dem Schutz von Kindern. Aber darum geht es unseren Politikern offensichtlich garnicht

  6. Braucht man dafür auf öffentlichem Gelände (Plätze, Zufahrtsstraßen) eine Genehmigung/Anmeldung (zB Sondernutzung, Versammlung)? Kann das bitte jemand klären? Es ist wichtig!

  7. Auch wenn Arminia Bielefeld so reagierte, hieß das offenbar nicht, dass man nicht vor dem Stadion sammeln durfte. Die Fotos auf der Seite des „Kinderbundes“ (oder wie dieser Verein da heißen möge) zeigt Bilder der Sammler vor dem Stadion zeigt.

  8. Jens: Das kann dir das jeweilige Ordnungsamt sagen. Meine Vermutung: Unterschriften sammeln geht ohne Erlaubnis, für einen Infostand o.ä. brauchst du eine.

    Axel: Die Entscheidung betrifft natürlich nur den Bereich, wo der jeweilige Verein auch das Hausrecht hat. Dass die Vereine sich nicht ungefragt instrumentalisieren lassen wollen, kann ich aber nachvollziehen.

  9. „Jens: Das kann dir das jeweilige Ordnungsamt sagen“

    Ja, oder ein Jurist oder juristisch entsprechend Informierter. Wenn ich Zeit hätte, das OA anzurufen, UND die Pläne hinreichend konkret wären, hätte ich das getan.

  10. Wie praktisch, dass man die Namen und Bundesländer der Petitions-Unterzeichner direkt als Liste herunterladen kann.

    Dadurch kann ausgeschlossen werden, dass Sperrgegner eingestellt werden.

  11. Bringt es jetzt noch etwas, die Bundesligavereine anzuschreiben, vor deren Stadien nächstes Wochenende Unterschriften gesammelt werden sollen, und sie auf die Unseriosität dieser Organisation hinzuweisen?

  12. Es ist ein absoluter Wahnsinn. Dennoch, ruckzuck Mail an meinen Verein gesendet, mit der Drohung die Gefolgschaft und natuerlich den jaehrlichen Mitgliedsbeitrag zu verweigern.

    Deutschland macht mir so richtig Angst in diesen Tagen! :\

  13. Vor dem Spiel Gladbach – Dortmund habe ich einige Promoter gesehen, die sehr offensiv und in Shirts der Deutschen Kinderhilfe auf die Fans zugegangen sind. Die Ansprache lautete schlicht: „Ihre Unterschrift gegen Kinderpornos im Internet?!“ – wer will da schon nein sagen? Über den genauen Inhalt der Kampagne wurde – soweit ich dies mitbekommen konnte – nicht aufgeklärt. War über die starke Präsenz und die Dreistigkeit mit der dort vorgegangen wurde, doch überrascht.

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